Inhaltsverzeichnis

Zum Buch

 

Während des Regensburger Reichstages 1546 begegnet Barbara Blomberg (um 1527–1597), Tochter eines Gürtlers, dem mächtigen Kaiser Karl V. Die Liaison bleibt nicht ohne Folgen: 1547 schenkt Barbara einem Sohn das Leben, der später als Don Juan de Austria, Seeheld von Lepanto, in die Geschichte eingehen wird. So nimmt ihr Leben einen abenteuerlichen Verlauf: Aus der einfachen Bürgerstochter wird die heimliche Kaisergeliebte und Mutter eines unehelichen Sohnes, später aus der mit einem kaiserlichen Kriegskommissär verheirateten Brüsseler Hausfrau die „erlauchte“ Heldenmutter und spanische Gutsherrin. Dieses ungewöhnliche Schicksal inspiriert noch heute zu zahlreichen Legenden und literarischen Bearbeitungen, welche die Wirklichkeit ihres Lebens verdecken.

Die kompakte Biografie stellt in fundierter Weise die Stationen dieses erstaunlichen Frauenlebens dar.

 

 

 

Zur Autorin

 

Marita A. Panzer, Dr. phil., ist Autorin zahlreicher Biografien, darunter zuletzt bei Pustet: „Lena Christ“ (2011), „Wittelsbacherinnen“ (2012) und „Lola Montez“ (2014). Als freie Autorin lebt die Historikerin abwechselnd in Regensburg und Irland.

Biografien machen Vergangenheit lebendig: Keine andere literarische Gattung verbindet so anschaulich den Menschen mit seiner Zeit, das Besondere mit dem Allgemeinen, das Bedingte mit dem Bedingenden. So ist Lesen Lernen und Vergnügen zugleich.

Dafür sind gut 100 Seiten genug – also ein Wochenende, eine längere Bahnfahrt, zwei Nachmittage im Café. Wobei klein nicht leichtgewichtig heißt: Die Autoren sind Fachleute, die wissenschaftlich Fundiertes auch für den verständlich machen, der zwar allgemein interessiert, aber nicht speziell vorgebildet ist.

Bayern ist von nahezu einzigartiger Vielfalt: Seinen großen Geschichtslandschaften Altbayern, Franken und Schwaben eignen unverwechselbares Profil und historische Tiefenschärfe. Sie prägten ihre Menschen – und wurden geprägt durch die Männer und Frauen, um die es hier geht: Herrscher und Gelehrte, Politiker und Künstler, Geistliche und Unternehmer – und andere mehr.

Das wollen die KLEINEN BAYERISCHEN BIOGRAFIEN: Bekannte Personen neu beleuchten, die unbekannten (wieder) entdecken – und alle zur Diskussion um eine zeitgemäße regionale Identität im Jahrhundert fortschreitender Globalisierung stellen. Eine Aufgabe mit Zukunft.

 

DR. THOMAS GÖTZ, Herausgeber der Buchreihe, geboren 1965, lehrt Neuere und Neueste Geschichte an der Universität Regensburg. Veröffentlichungen zu Stadt und Bürgertum in der Neuzeit.

MARITA A. PANZER

 

 

 

Barbara Blomberg

 

 

Bürgerstochter, Kaisergeliebte und Heldenmutter

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Verlag Friedrich Pustet
Regensburg

Impressum

 

 

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

 

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Angaben sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

 

eISBN 978-3-7917-6101-5 (epub)

© 2017 by Verlag Friedrich Pustet, Regensburg

eBook-Produktion: Friedrich Pustet, Regensburg

Umschlaggestaltung: Martin Veicht, Regensburg

 

Diese Publikation ist auch als Printprodukt erhältlich:

ISBN 978-3-7917-2854-4

 

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Informationen und Bestellungen unter verlag@pustet.de

Vorwort – Annäherung an Barbara Blomberg

Wieso fasziniert eine Frau aus dem 16. Jh., noch über 400 Jahre nach ihrem Tod, den heutigen Menschen? Vermutlich weil das ungewöhnliche Schicksal der Barbara Blomberg – von der ehrbaren Regensburger Handwerkertochter zur ledigen Mutter, von der schönen Kaisergeliebten zur Brüsseler Ehe- und Hausfrau, von der eigensinnigen Witwe zur erlauchten Heldenmutter und angesehenen Gutsherrin – uns heutzutage nachgerade märchenhaft erscheint. Zudem umranken zahlreiche Legenden ihr Leben. Diese schildern uns Barbara Blomberg entweder als große Liebende und zärtliche Mutter oder als liederliches Frauenzimmer. Das Fabulöse und die bisherigen einseitigen, überwiegend männlichen Bewertungen der Kaisergeliebten entspringen hauptsächlich der bürgerlichen Doppelmoral des 19. und beginnenden 20. Jhs., in der die meisten Biografen und Literaten, die sich mit ihr beschäftigten, verhaftet waren.

Bislang haben sich nur wenige Historiker wissenschaftlich mit Barbara Blomberg befasst. Als einziger veröffentlichte Paul Herre 1909 in Leipzig seine kulturgeschichtliche Biografie zu ihrem gesamten Lebensverlauf. In verdienstvollen Arbeiten stellten Hugo von Walderdorff 1908, M. und L. P. Gachard im 19. Jh. und in jüngerer Zeit auch Emilio Lozano Mateos (1968ff) jeweils einen begrenzten Abschnitt aus dem Leben der ehemaligen Handwerkertochter dar.

Dieser ernsthaften Forschung, die sicher nicht ohne Fehler bzw. Fehleinschätzungen ist, steht eine phantasievolle Rezeption in der Belletristik gegenüber, wie z. B. Carl Zuckmayers Schauspiel »Barbara Blomberg« von 1949. Der erste Roman über die Regensburgerin stammt allerdings von einer Frau und erschien 1790 in Leipzig. Christiane Benedikte Naubert bearbeitete darin Barbara Blombergs Biografie völlig unhistorisch und frei als eine abenteuerliche Lebensfahrt. Gänzlich unbeabsichtigt wurde dieser Roman – gemeinsam mit den ersten Biografien über ihren Heldensohn Don Juan de Austria, verfasst von Lorenzo Vander Hammen (Madrid 1627), Baltasar Porreño (Madrid 1627, veröffentlicht 1899) und Famiano Strada (Rom 1632) – dann zur Quelle vielfältiger Fabeln, Geschichten und Legenden.

 

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Abb. 1:
Barbaras Elternhaus. – Das kleine Wohn- und Geschäftshaus der Familie Plumberger in der Regensburger Kramgasse wurde in späteren Jahrhunderten mit dem Haus an der Tändlergasse zu einem großen Eckgebäude vereint. Hier soll auch Barbaras Heldensohn, Don Juan de Austria, das Licht der Welt erblickt haben. – Zeichnung von G. Lösti.

 

Die vorliegende kompakte Biografie basiert auf meiner bereits 1995 erschienenen umfangreichen, quellengestützten Lebensbeschreibung der Barbara Blomberg (mit Anmerkungen), die heute vergriffen, aber noch in Bibliotheken oder Antiquariaten zu finden und zu lesen ist.

Bisher konnte kein authentisches Porträt der Barbara Blomberg entdeckt werden. Daher schmückt das Bildnis einer unbekannten Dame das Cover dieser Biografie.

1   Barbara Plumberger, die Regensburger Bürgerstochter

Vieles von ihrem Leben

ist unbekannt und wundersam.

Geburt und Herkunft

Bereits das Jahr ihrer Geburt wurde uns nicht eindeutig überliefert. Als gesichert gilt heute, dass Barbara in Regensburg das Licht der Welt erblickte. Ihre Eltern, Wolfgang und Sibilla Plumberger (Blumberger), erwarben 1526 ein Haus in der Kramgasse. Hier kam Mutter Sibilla frühestens 1526, wohl aber eher 1527 mit ihrem ersten Kind nieder, das Barbara genannt wurde.

Über die Lage des Wohnhauses der Familie bestand aufgrund der baulichen Veränderungen der letzten Jahrhunderte lange Zeit keine einheitliche Auffassung. Der Historiker Walderdorff beschrieb 1908 in seiner Untersuchung »Zur Geschichte der Barbara Blomberg« die Lage des Geburtshauses folgendermaßen: »Das Haus in der Kramgasse hatte vormals die Nummer 12; nach der neuen Numerierung befand es sich dort, wo jetzt die Numerierung ›Kramgasse Nr. 5, früher 12 ½‹ zu lesen ist. Das vormalige kleine Haus ist nicht mehr vorhanden und war längst mit dem anstoßenden Eckhause (früher Nr. 11) vereinigt worden.« Auch die Baualterspläne der Stadt Regensburg, die im Zuge der Altstadtsanierung angefertigt wurden, verzeichnen die Lage des Plumberger-Hauses in der Kramgasse, nunmehr mit dem Eckhaus an der Tändlergasse 1 zusammengebaut.

Die heute in der Kramgasse angebrachte Tafel mag als Hinweis dafür gelten, dass hier früher das kleine Wohn- und Geschäftshaus der Familie stand, in dem Barbara aufwuchs. Mit ihr lebten dort noch drei Geschwister: Oswald, Rebekka und Georg; zwei weitere Nachkommen der Eheleute, Wolfgang und Sibilla, verstarben bereits im Kindesalter.

Barbaras Vater Wolfgang gehörte als Gürtler der Regensburger Handwerkerschaft an und hatte das Bürgerrecht inne. Die Plumbergers stammten vermutlich aus dem damals niederbayerischen Geisling, wie Walderdorff meint; allerdings können in Regensburg schon seit dem Mittelalter Namen wie Plumberger, Blumberger, Blomberger und Ploemberger nachgewiesen werden. So wurde z. B. 1493 ein Heinrich Plumberger Bürger von Regensburg. Höchstwahrscheinlich handelt es sich bei ihm um Barbaras Urgroßvater.

In den Regensburger Akten treffen wir gleichwertig auf die Schreibweise Plumberger oder Blumberger. In den italienischen Gesandtenberichten scheint die Schreibweise Plombes und Blombes geläufig zu sein. Die uns heute bekannte Namensform Blomberg hat sich während Barbaras langjährigem Aufenthalt in Brüssel herausgebildet und entspricht der flämischen Sprache. Diese Schreibweise verwendete sie auch persönlich, aber in geringfügig abgewandelter Form: Sie selbst unterschrieb später ihre Schriftstücke als Barbara Blombergh.

Um 1500 begegnet uns erstmals in den Akten einer gerichtlichen Auseinandersetzung ein Hans Plumberger. Da er Gürtler war, wurde er manchmal auch nur als Hans Gürtler bezeichnet. 1535 erhielten die Plumbergers eine Erbschaft; dazu heißt es in den Schriftsätzen: »Hans Plumberger Gürtler und Bürger zu Regensburg« erhält einen Weinberg zu Winzer, genannt »Setz«, und sein Sohn Wolfgang ein Legat von 3 Gulden. Aus diesem Eintrag in den Akten der Stadt können wir den Verwandtschaftsgrad von Hans und Wolfgang Plumberger zweifelsfrei erfahren: Sie waren Vater und Sohn, somit Barbaras Großvater und Vater.

Vater Plumberger starb relativ früh, 1550 oder 1551. Hans Plumberger, der Großvater, übernahm daher zusammen mit anderen Regensburger Bürgern die Vormundschaft der teilweise noch im Kindesalter stehenden Geschwister. Barbaras Mutter Sibilla, eine geborene Lohmair, heiratete am 17. Mai 1552 in zweiter Ehe den »Harpfenschlaher« Mathes (Matthäus) Zeil, der aus Sachsen stammte. Die Trauung fand in der Regensburger Neupfarrkirche nach protestantischem Ritus statt, denn die lutherische Lehre war in der Reichsstadt offiziell 1542 eingeführt worden.

Barbaras Mutter, nunmehr Frau Sibilla Zeil, zog nach der Hochzeit mit ihrem zweiten Ehemann ins Sächsische und nahm ihre jüngste Tochter Rebekka mit. Diese heiratete später den Bruder ihres Stiefvaters. Oswald, der älteste Bruder Barbaras, sollte 1553 das Malerhandwerk erlernen, entfloh dem Meister jedoch nach Augsburg und wurde einige Zeit danach in Regensburg zum Goldschmied ausgebildet. Er ließ sich dann als Bürger im sächsischen Rochlitz nieder, wo unterdessen seine Mutter lebte. Der kleine Georg blieb vorerst beim Großvater Hans Plumberger in Regensburg, erlernte das Gürtlerhandwerk und folgte nach seiner Gesellenwanderschaft der übrigen Familie ebenfalls nach Rochlitz. Sibilla Zeil, verwitwete Plumberger, geborene Lohmair, verstarb dort im Jahre 1563. Damit war Barbaras Familie in Regensburg nicht mehr ansässig, bis auf den Großvater Hans Plumberger, der sich 1559 in hohem Alter nochmals verehelichte. Barbara selbst lebte zu dieser Zeit bereits in Brüssel und später in Spanien. Sie kehrte nie mehr nach Regensburg zurück.

Soweit die historisch gesicherten Erkenntnisse zu Barbaras Geburt, Abstammung und Familie.

 

Zur Forschungslage

Trotz der erhellenden Forschungen im Verlauf des 19. und zu Beginn des 20. Jhs. durch Hebung der archivalischen Schätze, z. B. im Archiv von Simancas durch Modesto Lafuente, in Belgien durch L. P. Gachard und in Deutschland durch Neumann bzw. Walderdorff, wurde vieles bis heute einfach nicht zur Kenntnis genommen, was man zwischenzeitlich über Barbara Blomberg zu Tage gefördert hatte. So kam es, dass selbst der wohl informierte und gerühmte Biograf Kaiser Karls V., Karl Brandi, in seinem erstmals 1937 erschienenen und seitdem immer wieder aufgelegten Werk nur lapidar vermerkt: »Wir wissen wenig von Barbara Blomberg«, und damit geht er zu anscheinend Wichtigerem über, nämlich zur Geburt ihres Heldensohns Don Juan de Austria.

 

 

Ein Mädchen aus dem Handwerkerstand

Da nur wenig aus der historischen Forschung allgemein bekannt wurde, kamen die tollsten Legenden über Barbara Blombergs Geburt und Abstammung in Umlauf. Walderdorff meinte dazu verständnisvoll: »(…) bei der Sorgfalt, mit der das Geheimnis der Geburt Don Juans gehütet und auch gewahrt wurde, war auch nichts über die Mutter bekannt geworden.« Trotz oder gerade wegen dieser Geheimhaltung kam Falsches auf.

So bezeichnete sogar die offizielle spanische Geschichtsschreibung Barbara Blomberg oftmals als eine Dame von vornehmer Herkunft, wie z. B. der Hofhistoriograf König Philipps II., Luis Cabrera de Córdoba, der Don Juan von einer »madre noble« abstammen ließ. Desgleichen nannte Lorenzo Vanderhammen (Vander Hammen), der erste Biograf Don Juans, als dessen Mutter eine hochstehende deutsche Dame. Aber auch die Regensburger Geschichtsschreibung, z. B. die Gumpelzhaimersche Chronik, wob die Fabel von der angeblich illustren Abstammung weiter: »Es war die schöne Regensburgerin Barbara Blomberg von edlem Geschlecht und Ansehen, ein Fräulein von feinen Sitten und Selbstbewußtsein, reich durch Talent und Geist.« Obwohl Gumpelzhaimer aufgrund unterschiedlicher Eintragungen im Steuerbuch der Reichsstadt Regensburg, welche die Familie Plumberger betreffen, zunächst der Auffassung anhing, dass »nicht alle dieser Familie stets in gleichem Stande gewesen« seien, kam er doch zum Schluss, dass Barbara Blomberg »eine Regensburgerin von Stande« war, da »auch zur Erlangung des Erbbürgerrechtes schon ein gewisses Ansehen gehörte«. Wiederum andere äußern die Meinung, sie sei eine Regensburgerin aus vornehmem Geschlecht, »eine Tochter aus einem guten Hause in Regensburg« gewesen und entstamme einer »bekannten Regensburger Familie«.

Zahlreiche phantasiereiche Geschichten woben sich um Barbaras Abstammung und Herkunft. Manche bezeichneten sie als eine »überaus schöne Zuckerbäckerin und Limonade-Händlerin« oder »Wäscherin« aus Brüssel. Andere Autoren gestalteten den angeblich gehobenen Stand Barbaras und ihrer Familie romanhaft aus, wie z. B. Christiane Benedikte Naubert. Sie schrieb eine »Originalgeschichte« über Barbara Blomberg, deren zwei Bände 1790 in Leipzig erschienen. In dieser fiktionalen Geschichte, deren Romanhaftigkeit die Schriftstellerin ausdrücklich betont, stimmen die Angaben über Barbaras Geburt und Herkunft sowie ihre weiteren Lebensumstände nicht mit der historischen Wirklichkeit überein. In Nauberts Roman ist ein Offizier namens Heinrich Blomberg Barbaras Vater. Die Protagonistin wird früh mutterlos und einer Marquise zur Pflege übergeben, gelangt jedoch durch missliche Umstände in ein kastilisches Kloster, in dem sie erzogen wird. Nach abenteuerlichen Irrfahrten, immer auf der Suche nach ihrem Vater, trifft sie endlich in Regensburg ein. Hier erhält sie, die inzwischen in einem Kirchenchor als Sängerin hervortritt, eine Stellung als Bedienstete der kaiserlichen Schwester. Aber bald gerät sie unschuldig ins Zentrum höfischer Intrigen und wird schließlich der Öffentlichkeit als junge Mutter präsentiert, um die Folgen einer Liebschaft des Kaisers mit einer flandrischen Gräfin zu vertuschen.

Nauberts Roman wurde nun in der Folgezeit völlig unkritisch wie eine historische Quelle behandelt, ihre Erfindungen wurden als verbürgt übernommen sowie vielfach weitergegeben. Der fiktive »historische« Roman wirkte in manchen Versatzstücken bis in die zeitgenössische historische Forschung nach. So rückte Beeching in seiner Biografie über Don Juan de Austria (1983) dessen Mutter Barbara Blomberg ins soldatische Umfeld. Bei ihm war sie die Tochter eines Offiziers aus der Regensburger Gegend, deren Vater früh verstarb. Demnach blieb Barbaras Mutter als Witwe mitsamt den Kindern in kärglichen Lebensumständen zurück und erbat deshalb die Hilfe des Kaisers.

Entschuldigend für seine irrenden Kollegen meinte Petrie, ebenfalls Biograf des Don Juan: »Barbara spielte im Leben ihres Sohnes eine so untergeordnete Rolle, dass sich dessen Biographen nicht viel um sie gekümmert haben.« Allerdings hatten schon Mitte des 16. Jhs. gut unterrichtete Kreise, wie der venezianische Gesandte am spanischen Hofe Paolo Tiepolo, Richtiges über Don Juans Mutter berichtet. Er schrieb in sein Heimatland über Barbara, sie sei eine Deutsche von ziemlich niederer Herkunft.

Der Wirklichkeit verhaftet, können wir über Barbaras Herkunft sagen: Ihr Vater war Bürger und Handwerker zu Regensburg und betrieb, wie schon sein Vater vor ihm, eine Gürtlerei. Ihre Mutter führte das Hauswesen, erzog die Kinder und unterstützte ihren Ehemann auch in geschäftlichen Angelegenheiten, wie es durchaus in kleinen Handwerksbetrieben und vor allem im Kleinhandel üblich war. Die Eltern hatten als Frischvermählte am 17. August 1526 von Georg und Anna Lohmair, Barbaras Großeltern mütterlicherseits, das Haus in der Kramgasse erworben, um sich dort niederzulassen, eine Familie zu gründen und den Handwerksbetrieb aufzubauen. Außerdem ermöglichten die Lohmairs dem jungen Paar noch die Aufnahme einer Hypothek, damit der neue Hausstand finanziell sichergestellt wurde, denn sie waren mit einem Jahreszins von zwei Schilling, zu zahlen an das Stift Obermünster in Regensburg, finanziell belastet.

Barbaras Elternhaus

Es handelte sich bei dem Gebäude in der Kramgasse um ein kleines Haus, zweifenstrig unten und oben mit drei Fenstern, wie der Lokalhistoriker Neumann festhielt. Dieses Gebäude könnte ursprünglich ein Traufseithaus mit Tonnengewölben im Erdgeschoss gewesen sein. Auf jeden Fall war es ein bescheidenes Haus, ähnlich dem im Regensburger Bürgerhausbuch beschriebenen: »(…) neben einem schmalen Fletz mit der Treppe wird an der Hauptfassade nur ein kleiner Raum (Laden oder Werkstatt), rückwärts nochmals einer (Magazin und dgl.) ausgebildet. Im 1. OG befindet sich wie bei den Giebelhäusern die ›Stube‹, dahinter die Küche, Treppe und eine Kammer. In den weiteren Obergeschossen sind Schlafstuben und Kammern. Typisch für das Kleinhaus ist das förmliche Eingezwängtsein zwischen größeren Häusern, seine Zweiachsigkeit (höchstens enggereihte Dreiachsigkeit) und sein Schluss mit Traufdach oder auch Pultdach (Halbgiebel). Selten fehlt ein Höfchen ringsum von Nachbarhäusern und Mauern eingeengt.«

Barbaras Elternhaus lag ganz in der Nähe zum Dom, zum Bereich der Geistlichkeit, wie auch unweit der Schiffslände an der Donau, dem Bereich des Warentransportwesens, sowie nahe dem politischen Zentrum der Stadt, dem heutigen Alten Rathaus mit dem Reichssaal und den Warenumschlagsplätzen, den Stadtmärkten wie Kohlen-, Fisch-, Fleisch- und Watmarkt. In diesem Gebiet mit seinen engen Gässchen, wie der sich kreuzenden Kram- und Tändlergasse, wohnten und arbeiteten hauptsächlich mittelständische Kaufleute und Handwerker, also Kleingewerbetreibende. Deshalb wurde diese Gegend schon 1265 als »inter institas«, das heißt unter Schleppen, Falbeln, Binden, Gurten, und 1279 als »inter utensilia«, das heißt unter wirtschaftlichen Gebrauchsgegenständen, bezeichnet. 1359 nannte man dann dieses Gebiet »unter den Chramen«, woraus die Kramgasse wurde.

Lage und Größe des Elternhauses der Barbara Blomberg weisen also auf ihre Herkunft aus einer Regensburger Handwerkerfamilie hin, die der städtischen Mittelschicht angehörte. Ihre Mutter entstammte einer einigermaßen wohlhabenden Familie, denn ihre Eltern besaßen zur Zeit der Heirat ihrer Tochter zwei Häuser, wovon sie, wie gesagt, eines an die Frischvermählten verkauften. Über das Gewerbe der Lohmairs ist nichts bekannt. Von Barbaras Onkel mütterlicherseits erfahren wir nur, dass er Hauptmann wurde.

Barbaras Eltern hatten es bestimmt in den Anfangsjahren ihrer ehelichen Gemeinschaft nicht leicht, ihren und ihrer Kinder Unterhalt zu erwirtschaften und zu sichern, worauf schon das erhaltene Darlehen zum Kauf des kleinen Hauses hinweist.

Wir können davon ausgehen, dass die Werkstatt von Wolfgang Plumberger zugleich auch sein Verkaufslokal war, denn manche Handwerker betrieben oftmals einen Detailverkauf, das heißt, sie vertrieben ihre hergestellten Waren selbst.

 

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Abb. 2:
Blick in eine Gürtlerei. – Während der Meister mit seinen Gesellen bzw. Lehrlingen Gürtel mit Gehängen und Beuteltaschen aus Leder und Metall herstellte, übernahm die Ehefrau im vorgelagerten Ladengeschäft den Verkauf von Waren an wohlhabende Bürger, Patrizier und Adelige. – Holzschnitt, 16. Jh.

 

Das durch Neumanns Forschungen überlieferte Nachlassverzeichnis des Wolfgang Plumberger von 1551 lässt darauf schließen, dass es Barbaras Eltern im Laufe ihrer Ehe zu einigem Wohlstand gebracht hatten. Melchior de Camargo, ein Zeitgenosse, der für den spanischen König 1569 oder 1572 einen Bericht über Barbara Blomberg anfertigen musste, teilte darin sogar mit, dass ihr Vater nur von seinem Vermögen lebte und kein Handwerk mehr ausübte: »Ihr Vater war ein ›Purger‹, was so viel heißt als ein ›ciudadino‹ (Bürger). Er war nicht von Adel, aber auch kein Handwerker, lebte vielmehr von seinen Renten.« Dieser gutgemeinte soziale Aufstieg der Plumbergerschen Familie entstammte bei Camargo wohl eher dem Wunsch, Barbaras Abstammung etwas zu schönen, denn handwerkliche Arbeit hatte in den Augen des Adels etwas Herabwürdigendes, stand im Geruch der Armut.

 

Die Wachten

Die Kramgasse gehörte im Mittelalter zur Wahlen- und später zur Witwangerwacht. Sie bildete damals eine Grenze zwischen zwei Wachten. Hierunter verstand man die ausschlaggebenden Organisationen der Regensburger Einwohnerschaft, die gesellschaftliche Führungsschicht der Patrizier ausgenommen. Das gesamte Stadtgebiet war in acht Wachten eingeteilt; die hießen von Westen nach Osten: Westner-, Scherer-, Wildwercher-, Donau-, Wahlen-, Witwanger-, Pauluser- und Ostnerwacht. Sie hatten militärische, polizeiliche und baubehördliche Aufgaben zu erfüllen. Zudem vollzog sich bei den Zusammenkünften in den Wachtgedingen die Meinungsbildung der Einwohnerschaft hinsichtlich öffentlicher Angelegenheiten. Hier wurden die Anordnungen des Rats bzw. die Verfügungen aller Ämter bekanntgegeben und diskutiert. Die Wahlenwacht lag im westlichen Teil der ältesten Kernstadt, die durch starke bauliche Verdichtung geprägt war. Straßennamen wie Watmarkt, Kramgasse und »im zweiten Kramwinkel« deuten auf die ausgeübte wirtschaftliche Tätigkeit von Kauf und Verkauf hin. Hier zentrierte sich der lokale Warenaustausch, hier lebten überwiegend Kleinhändler, hier boten die Handwerker der Leder-, Metall- und Baubranche ihre Produkte feil.

 

 

 

Frauenerwerbsarbeit im 16. Jahrhundert