Inhaltsverzeichnis

Zum Buch

 

Zunächst war sie nur eine recht unbedeutende Heidelberger Prinzessin, doch aus politischen Gründen musste Liselotte von der Pfalz den Bruder des „Sonnenkönigs“ Ludwig XIV. heiraten. Durch ihre umfassende Korrespondenz mit der deutschen Verwandtschaft wurde sie zu einer wichtigen Chronistin des Lebens am französischen Königshof. Ungewöhnlich frei und humorvoll berichtet sie über den „Kulturschock“, den sie bei ihrer Ankunft erlitt, sowie allerlei seltsame Gepflogenheiten der höfischen Gesellschaft. Aber Liselotte gibt auch Einblick in die Schattenseiten, erzählt von Streit und Intrigen – und verrät sogar Details über das schwierige Zusammenleben mit ihrem homosexuellen Ehemann. Dabei wird immer wieder deutlich, wie sehr sie ihre Heimat noch vermisste, obwohl sie bereits seit 50 Jahren in Frankreich lebte.

 

 

Zur Autorin

 

Karin Feuerstein-Praßer,
M. A., geb. 1956, lebt als freie Historikerin und erfolgreiche Autorin, insbesondere von Frauenbiografien, in Köln. Sie schreibt zudem für die Zeitschrift G/Geschichte.

 

 

 

Karin Feuerstein-Praßer

 

 

 

 

Liselotte von der Pfalz

 

 

Ein Leben am Hof Ludwigs XIV.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Verlag Friedrich Pustet

Regensburg

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Angaben sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

 

 

 

eISBN 978-3-7917-6087-2 (epub)

© 2016 by Verlag Friedrich Pustet, Regensburg

eBook-Produktion: Friedrich Pustet, Regensburg

Umschlaggestaltung: Martin Veicht, Regensburg

 

Diese Publikation ist auch als Printprodukt erhältlich:

ISBN 978-3-7917-2790-5

 

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Vorwort

Dass man sich noch heute für die Tochter eines pfälzischen Kurfürsten aus dem 17. Jahrhundert interessiert, mag vielleicht ungewöhnlich erscheinen. Schließlich erging es Liselotte von der Pfalz nicht viel anders als zahllosen anderen Prinzessinnen. Sie wurde gegen ihren Willen – tatsächlich hat man sie noch nicht einmal gefragt – mit einem Mann verheiratet, den sie noch nie zuvor gesehen hatte. Wie nicht anders zu erwarten, wurde die Ehe wenig glücklich, auch wenn drei Kinder aus ihr hervorgingen. Vermutlich wäre Liselotte nach ihrem Tod bald in Vergessenheit geraten, hätte die muntere Pfälzerin nicht selbst dafür gesorgt, dass sich die Nachwelt an sie erinnerte: Als emsige Briefschreiberin, die Tag für Tag seitenlange Briefe an ihre deutsche Verwandtschaft schickte, hat sich Liselotte selbst ein bleibendes Denkmal gesetzt. Von den schätzungsweise mehr als 20 000 Briefen sind heute noch 4000 bis 6000 vorhanden. Sie erhalten nicht nur aufschlussreiche Informationen über ihr eigenes Leben; Liselotte berichtete auch ebenso lebhaft wie detailliert vom turbulenten Treiben am Hof des französischen Königs Ludwig XIV., an dem sie 50 ihrer 70 Lebensjahre verbracht hat.

Mit 19 Jahren heiratete sie Philipp von Orléans, den mit 30 Jahren verwitweten Bruder des Sonnenkönigs. Damit kam die bodenständige Heidelbergerin in eine völlig neue Welt, die von höfischer Etikette, Glanz und Glamour ebenso geprägt war wie von Missgunst und Intrigen. Ihr Gemahl mochte anfangs ein gewisses Interesse geheuchelt haben, tatsächlich galten seine sexuellen Neigungen aber gut aussehenden Männern. Trotzdem musste er seine ehelichen Pflichten erfüllen, denn die Sicherstellung der Thronfolge war der einzige Sinn und Zweck dieser Verbindung. Ludwig XIV. selbst hatte nur einen einzigen Sohn, der das Kindesalter überlebt hatte.

In den ersten Jahren fühlte sich Liselotte am französischen Hof noch ganz wohl und nahm vieles amüsiert zur Kenntnis: die frivole Hofgesellschaft, mit einem schier lückenlosen Unterhaltungsprogramm bei Laune gehalten, die teilweise absurden Modetrends, die extravagante französische Küche, Hochzeiten, Todesfälle, aber auch Streit und Gemeinheiten. Damals stand sie hoch in der Gunst des Königs, der seine robuste deutsche Schwägerin mit ihrer erfrischenden und ungekünstelten Art gleich ins Herz geschlossen hatte. Doch dann geriet auch Liselotte in das Mahlwerk höfischer Intrigen, was sie auf Weiteres zur Außenseiterin machte.

In ihren Briefen an die deutsche Verwandtschaft, die sie mit verblüffender Ehrlichkeit schrieb, ist all das detailliert nachzulesen. Liselottes wichtigste Korrespondenzpartnerin war ihre Tante Sophie von Hannover, in frühen Jahren gleichsam ihre Pflegemutter, später engste Vertraute und Seelenverwandte, von der sie allezeit Verständnis für ihre Sorgen und Probleme, aber auch Trost und Aufmunterung erwarten konnte. Dass Liselottes Briefe so lesenswert sind, liegt vor allem daran, dass sie sich keinerlei Zurückhaltung auferlegte, sondern „frisch von der Leber weg“ alles niederschrieb, was sie bedrückte oder belustigte. So entstand ein buntes und lebendiges Panorama, das sie zu einer wichtigen Chronistin der Ära des Sonnenkönigs machte.

Nichts kann Liselotte von der Pfalz so gut charakterisieren wie ihre eigenen Briefe. Deshalb wird sie in diesem Buch auch selbst oft zu Wort kommen. Um den Lesefluss nicht zu hemmen, wurden die meisten Briefzitate sprachlich und/oder orthografisch unserer modernen Sprache angepasst, sofern sie nicht ohnehin aus dem Französischen übersetzt wurden.

„Die glücklichste Zeit meines Lebens“ –

Liselottes Kindheit und Jugendjahre

Endlich war das große Sterben vorbei, nachdem der Westfälische Frieden von Münster und Osnabrück 1648 den Dreißigjährigen Krieg beendet hatte. Dieser Krieg hatte vor allem im deutschen Raum fürchterlich gewütet und manche Landstriche regelrecht entvölkert, teils durch marodierende Soldaten, aber ebenso durch verheerende Seuchen wie Typhus, Pest und Cholera.

Auch die kurfürstliche Pfalzgrafschaft bei Rhein war durch die langjährigen Kampfhandlungen schwer in Mitleidenschaft gezogen worden. Kurfürst Karl Ludwig (1617–1680), der erst im Oktober 1649 ins Heidelberger Schloss einziehen konnte, hatte daher alle Hände voll zu tun, um sein verwüstetes und entvölkertes Land wieder aufzubauen. Als er im Jahr darauf Charlotte von Hessen-Kassel (1627–1686) heiratete, schienen zumindest in privater Hinsicht die Weichen für eine bessere Zukunft gestellt. Nachdem 1651 Stammhalter Karl das Licht der Welt erblickt hatte, wurde dem kurfürstlichen Paar am 27. Mai 1652 eine Tochter geboren, die man auf den Namen Elisabeth Charlotte taufte. Im Familienkreis wurde die Kleine allerdings nur Liselotte genannt und unter diesem Namen ist sie auch in die Geschichte eingegangen: Liselotte von der Pfalz. [1]

Heidelberg, Prag, London – Liselottes illustre Vorfahren

Dass man noch im 21. Jahrhundert von der Heidelberger Prinzessin sprechen würde, war freilich nicht zu erwarten gewesen – schließlich gehörte das kleine pfälzische Kurfürstentum nicht gerade zu den „Global Playern“, die das Weltgeschehen bestimmten. Im Deutschen Reich allerdings spielte die Pfalz durchaus eine gewichtige Rolle. Die Pfalzgrafschaft bei Rhein, die sich im 13. Jahrhundert konsolidiert hatte, wurde 1356 durch die Bestimmungen der Goldenen Bulle zum Kurfürstentum ernannt, wodurch ihre Herrscher eine Stimme bei der Wahl des deutschen Königs erhielten. Damit gehörte die Pfalz immerhin zu den wichtigsten Mächten im Südwesten des Deutschen Reiches. Nachdem die Pfalzgrafen anfangs aus unterschiedlichen Häusern wie dem der Staufer oder dem der Welfen gekommen waren, wurden 1214 die Wittelsbacher mit der Pfalzgrafschaft bei Rhein belehnt, wobei durch Erbteilungen verschiedene Linien zum Zuge kamen. Seit 1559 stammten die Kurfürsten aus dem Hause Pfalz-Simmern, dem auch Liselotte angehörte.

Damals begannen religiöse Auseinandersetzungen die Geschichte des Kurfürstentums zu überlagern. Zwar hatte der Augsburger Religionsfrieden 1555 mit seiner Devise cuius regio eius religio die Regelung getroffen, dass sich die Konfession der Untertanen nach der des Herrschers zu richten hatte. Doch das konnte weder Katholiken noch Protestanten wirklich befriedigen. Im Gegenteil: Die Fronten begannen sich weiter zu verhärten, zumal nun die katholische Kirche mit der Gegenreformation versuchte, verlorenes Profil zurückzugewinnen. Doch auch die Protestanten machten mobil. Unter der Führung von Liselottes Urgroßvater, des pfälzischen Kurfürsten Friedrich IV. (1574–1610), wurde 1608 die Protestantische Union gegründet, eine politische Vereinigung, die sich gegen die katholische Übermacht des Kaisers und seiner Parteigänger richtete.

Die Pfalz stand in der konfessionellen Auseinandersetzung schon deshalb an vorderster Front, weil sich hier 1562 der Calvinismus durchgesetzt hatte, also jene Variante des Protestantismus, die nicht Martin Luther folgte, sondern den Ideen des Genfer Reformators Johannes Calvin (1509–1564). Im Gegensatz zu Luther erklärte dieser das Abendmahl in zweierlei Gestalt zu einem lediglich symbolischen Akt und negierte die Realpräsenz, also die Umwandlung von Hostie und Wein in Leib und Blut Christi. Im Mittelpunkt seiner Lehre aber stand die Prädestination, die göttliche Vorherbestimmung, ob ein Mensch zur ewigen Seligkeit bestimmt oder der Verdammung preisgegeben wurde. Im Rahmen der Protestantischen Union spielte der Calvinismus allerdings eine eher politische Rolle.

Nach dem Tod Friedrichs IV. 1610 folgte ihm sein erst 14-jähriger Sohn als der fünfte dieses Namens auf den kurfürstlichen Thron und übernahm auch die Führung der Union – eine Aufgabe, die den jungen, unerfahrenen Pfälzer zwangsläufig überfordern musste, zumal der religionspolitische Konflikt sich unterdessen weiter verschärft hatte: Der Gründung der Union war nur wenig später die Konstituierung der Katholischen Liga unter der Führung Bayerns gefolgt. Und die präsentierte sich ungleich stärker als das protestantische Bündnis.

Den Mitgliedern der Union schien es daher ratsam, sich in Form ausländischer Bündnispartner Verstärkung zu suchen, entweder in den Niederlanden oder jenseits des Ärmelkanals. Die Wahl fiel auf England, wo nach dem Tod der kinderlosen Tudor-Königin Elisabeth I. 1603 deren Neffe als Jakob I. (1566–1625) auf dem Thron saß, einziger Nachkomme der unglücklichen Maria Stuart, die 1587 wegen Hochverrats hingerichtet worden war. So kam es, dass Jakob I. zu Liselottes Urgroßvater werden sollte.

Jakob, der eine streng protestantische Erziehung genossen hatte, war mit Anna von Dänemark verheiratet. Von den neun Kindern des Paares erreichten nur zwei das Erwachsenenalter: der 1600 geborene Sohn und spätere englische König Karl I. und seine Schwester, die vier Jahre ältere Elisabeth Stuart (1596–1662). Da die Prinzessin das gleiche Alter hatte wie Friedrich V., bot sich die hervorragende Gelegenheit, das politische Bündnis durch eine Fürstenhochzeit zu besiegeln. Am 14. Februar 1613 läuteten in London für Liselottes Großeltern die Hochzeitsglocken.

Als das junge Paar nach ausgiebigen Feierlichkeiten in Heidelberg einzog, bemühte sich Friedrich, seiner Gemahlin das ganze Ambiente so angenehm wie möglich zu gestalten. Er ließ das Schloss modernisieren und an der Nordseite eines kleinen Parks den „englischen Bau“ errichten, der einen großartigen Ausblick auf Heidelberg, das Neckartal und die Rheinebene bot. Es war eine glückliche Zeit, die 1614 mit der Geburt des Kurprinzen Heinrich Friedrich gekrönt wurde, der jedoch mit nur 15 Jahren bei einem tragischen Schiffsunglück ums Leben kam. Insgesamt hatte das Paar 13 Kinder, darunter den 1617 geborenen Karl Ludwig, Liselottes Vater, und dessen Schwester Sophie von der Pfalz (1630–1714), die für Liselotte später zur wichtigsten Bezugsperson werden sollte.

 

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Abb. 1:
In Heidelberg am Neckar hat Liselotte viele schöne Jahre ihrer Jugend verbracht. Sie liebte die Stadt mit ihren lebensfrohen Menschen und hat die Erinnerung daran bis zu ihrem Tod bewahrt. Noch im Alter berichtete sie in ihren Briefen von heiteren Anekdoten und schönen Erlebnissen, die sie mit ihrem Geburtsort verband. – Kupferstich von Matthäus Merian, um 1620.

 

Die Pfälzer im Dreißigjährigen Krieg

Doch dann machte Friedrich V. den wohl größten Fehler seines Lebens. Inzwischen hatte mit Kaiser Ferdinand II. (reg. 1616–1637) ein katholischer „Hardliner“ den Thron bestiegen, der fest vorhatte, auch König von Böhmen zu werden. Dort war den Protestanten lange Zeit Religionsfreiheit gewährt worden, womit es wohl vorbei sein würde, wenn er sich die Krone aufs Haupt setzte. Das wollten die böhmischen Stände unbedingt verhindern, und so beschlossen sie, nach einem protestantischen Thronanwärter zu suchen. Ihre Wahl fiel auf den jungen Kurfürsten Friedrich V. von der Pfalz, der alle Warnungen in den Wind schlug und das Amt tatsächlich annahm. Hals über Kopf stürzte er sich in ein Abenteuer, das eigentlich nur tragisch enden konnte.

Unterdessen hatte sich die Situation in Böhmen weiter zugespitzt. Die konfessionellen Gegensätze entluden sich 1618 in dem berühmten „Prager Fenstersturz“, bei dem zwei kaiserliche Beamte von protestantischen Gesandten unsanft in den Burggraben des Hratschin befördert wurden. Auch wenn sich die Herren keine nennenswerten Verletzungen zuzogen, so wurde der Vorfall zum Auslöser jenes Krieges, der Europa 30 Jahre lang in Atem halten sollte.

Im Oktober 1619 hielt Friedrich V. mit seiner Familie feierlichen Einzug in Prag. Den Spott seiner Gegner, er werde nicht länger als einen Winter König sein, scheint er geflissentlich überhört zu haben. Er hätte wissen müssen, dass Ferdinand II. nicht tatenlos zusehen würde, wie ihm der Pfälzer die böhmische Krone vor der Nase wegschnappte. Pulverdampf lag also bereits in der Luft, zumal der Führer der Katholischen Liga, Herzog Maximilian von Bayern (1573–1651), dem Kaiser bereits militärische Unterstützung signalisiert hatte. Er stellte jedoch eine Bedingung: Sollte er den Sieg über Friedrich V. davontragen, so wollte er „zur Belohnung“ dessen Kurfürstentum haben. Weil ihm dies von Ferdinand II. auch verbindlich zugesagt wurde, waren die Tage Friedrichs V. auf dem böhmischen Thron gezählt. Im Herbst 1620 marschierten die vereinten kaiserlichen und bayerischen Truppen in Böhmen ein und am 8. November wurde das böhmische Heer binnen zwei Stunden vernichtend geschlagen. Nach der verlorenen Schlacht am Weißen Berg blieb Friedrich V. keine andere Wahl, als Prag mit seiner Familie fluchtartig zu verlassen. Das böhmische Abenteuer war beendet. Wie es seine Gegner prophezeit hatten, war Friedrich V. nur einen Winter lang König gewesen, was ihm den unschönen Namen „Winterkönig“ einbrachte.

Mehr als ihr nacktes Leben konnten die Pfälzer nicht retten, doch letzten Endes hatten sie Glück im Unglück: Sie fanden Hilfe und Zuflucht bei ihrer Familie. Nach einer längeren Odyssee, die zunächst nach Brandenburg führte, wo Friedrichs jüngere Schwester Elisabeth Charlotte lebte, Gemahlin des Kurfürsten Georg Wilhelm (1595–1640), landeten die Pfälzer schließlich im niederländischen Den Haag, Heimatstadt von Friedrichs Mutter Juliane (1576–1644) aus dem Hause Oranien-Nassau. Deren Halbbruder Moritz (1567–1625), Statthalter der Niederlande, erklärte sich im April 1621 bereit, die prominenten Flüchtlinge aufzunehmen und auch standesgemäß unterzubringen.

Weniger glücklich gestaltete sich das Schicksal der Kurpfalz. Nach dem schnellen Erfolg in der Schlacht am Weißen Berge war Ferdinand II. fest entschlossen, bis zum endgültigen Sieg des Katholizismus weiterzukämpfen. Dadurch wurde auch die Pfalz vom Krieg überzogen. Im Juli 1622 begannen die Truppen Maximilians von Bayern Heidelberg zu belagern, um die Residenzstadt elf Wochen später zu stürmen. Nun konnte der neue Kurfürst von Kaisers Gnaden ins Heidelberger Schloss einziehen und seine Amtsgeschäfte aufnehmen. Das bedeutete zunächst, dass er eine konsequente Rekatholisierungspolitik betrieb, die tausende Pfälzer Protestanten dazu veranlasste, ihr Land zu verlassen.

Im niederländischen Exil verfolgte Friedrich V. die Geschehnisse mit wachsender Besorgnis. Trotzdem gab er die Hoffnung nicht auf, sein Land nach Kriegsende zurückzubekommen. Tatsächlich standen die Chancen vorübergehend gar nicht schlecht: Nachdem Schwedens König Gustav Adolf 1630 auf Seiten der Protestanten in den Krieg eingetreten war, gelang es seinen Truppen, einen großen Teil der Pfalz von den Bayern zurückzuerobern. Die Rückkehr nach Heidelberg schien zum Greifen nahe! Voller Optimismus machte sich Friedrich auf die Reise an den Neckar, doch er sollte nie dort ankommen. Als er in Mainz Zwischenstation machte, fiel er einer dort grassierenden Seuche zum Opfer, möglicherweise der Pest. Am 19. November 1632 starb Friedrich V. im Alter von 36 Jahren. Nun war es an Karl Ludwig, seinem Sohn und designierten Nachfolger, eines Tages wieder in Heidelberg einzuziehen.

Das freilich sollte noch Jahre dauern. Das Kriegsglück war nur kurze Zeit auf Seiten der Schweden. Sie büßten die Landgewinne rasch wieder ein und wurden 1633 ganz aus der Pfalz vertrieben. Die ehemals kurfürstliche Familie musste also weiter im Exil ausharren. Deshalb ergriff nun „Winterkönigin“ Elisabeth Stuart die Initiative. Sie schickte ihre beiden ältesten Söhne, den designierten Kurfürsten Karl Ludwig und dessen jüngeren Bruder Rupert von der Pfalz (1619–1682) auf „Missionsreise“ nach England, wo inzwischen ihr Bruder als Karl I. auf dem Thron saß. Ziel der Reise war es, den englischen König um militärische Unterstützung zu bitten, die er jedoch umgehend ablehnte. Trotzdem blieben Karl Ludwig und Rupert noch eine ganze Weile in London. Hier, fern von der gestrengen Frau Mama, konnten die beiden Heranwachsenden endlich das Leben ein wenig genießen und die Sorge um die Pfalz zumindest vorübergehend vergessen.

Rückkehr nach Heidelberg

Es folgten noch ein paar turbulente Jahre, doch allmählich näherte sich der Dreißigjährige Krieg seinem Ende. Die ersten Verhandlungen über das weitere Schicksal der Pfalz fanden 1642 statt, brachten aber noch kein konkretes Ergebnis. Erst als ab 1644 ernsthafte Friedensgespräche in Münster und Osnabrück geführt wurden, konnte sich Karl Ludwig realistische Hoffnungen machen, zumindest einen Teil seines Kurfürstentums zurückzuerhalten. Vier Jahre später führten die diplomatischen Verhandlungen endlich zum Durchbruch und man verständigte sich auf folgende Übereinkunft: Die Pfalz wurde geteilt. Maximilian von Bayern behielt die Oberpfalz einschließlich der Kurwürde, war also der erste bayerische Kurfürst. Karl Ludwig hingegen musste sich mit der Rheinpfalz begnügen, die nun zum achten Kurfürstentum des Reiches erhoben wurde. Damit stand der Rückkehr nach Heidelberg nichts mehr im Wege.

In der Pfalz mochte Frieden herrschen, doch in der Familie des verstorbenen „Winterkönigs“ kriselte es gewaltig. Als erstes überwarf sich Karl Ludwig mit seiner Mutter, denn die stolze und standesbewusste Elisabeth Stuart verlangte von ihm Sohn eine großzügige finanzielle Unterstützung. Als ihr Sohn diese verweigerte – schließlich brauchte er jeden Taler für den Wiederaufbau seines Landes –, kam es zum Bruch. Doch auch die Geschwister des Kurfürsten wandten sich nach und nach von der Mutter ab. Rupert und der 1621 auf der Flucht in Küstrin geborene Moritz lebten in England, während Eduard (1625–1663) schon 1645 nach Paris gezogen war. Hier lernte er die attraktive Anna Gonzaga (1616–1684), Herzogin von Mantua, kennen, verliebte sich in die neun Jahre Ältere und heiratete sie noch im gleichen Jahr. Diese Hochzeit war für Elisabeth Stuart Grund genug gewesen, auch mit diesem Sohn zu brechen. Es war schon schlimm genug, dass Anna Katholikin war, doch dass nun auch Eduard zum Katholizismus konvertierte, war für die Witwe des calvinistischen „Winterkönigs“ kaum auszuhalten. Dabei waren es gar keine religiösen Gründe, die Eduard zu diesem Schritt bewogen. Vielmehr wäre er als Protestant in Frankreich ein ungeliebter Außenseiter geblieben, erst recht am französischen Königshof, wo seine Gemahlin ein- und ausging. Liselotte von der Pfalz hat ihren früh verstorbenen Onkel niemals kennengelernt. Und doch sollte dessen Verbindung mit Anna Gonzaga für sie später schicksalhaft werden.

 

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Abb. 2:
Liselottes Vater, Kurfürst Karl Ludwig von der Pfalz, hatte keine Einwände gegen die Ehe seiner Tochter mit dem Bruder des französischen Königs Ludwig XIV. Er ahnte nicht, dass er damit das spätere Schicksal seines Landes besiegelte. Im Pfälzischen Erbfolgekrieg wurden weite Teile der Pfalz verwüstet, worunter Liselotte sehr gelitten hat. – Kupferstich von Christoph le Blon, 1652

 

Eduard war übrigens nicht das einzige Familienmitglied, das sich für eine andere Konfession entschied. Auch die ältere Schwester Luise Hollandine (1622–1709) verließ Den Haag einige Jahre später nach heftigem Streit mit der Mutter und hinterließ nur eine kurze Notiz, dass sie katholisch werden und in ein Kloster eintreten wolle. Während Elisabeth Stuart vor Wut schäumte, unterstützte Eduard seine Schwester bei ihren Plänen, und da er und seine Frau gute Kontakte zum französischen Königshaus unterhielten, konnte Luise Hollandine schon bald in das Zisterzienserinnenkloster Maubuisson im Nordwesten von Paris eintreten, wo sie später zur Äbtissin aufsteigen sollte. Auch dieser Tante wird Liselotte noch begegnen.

Schließlich vergraulte Elisabeth Stuart auch noch ihre jüngste Tochter, die 1630 geborene Sophie von der Pfalz. Die junge Frau nahm daher gerne das Angebot ihres Bruders Karl Ludwig an, bei ihm und seiner frisch angetrauten Gemahlin in Heidelberg zu leben. Anders als ihre kapriziöse und anspruchsvolle Mutter war Sophie gerne bereit, ohne Luxus und größeren Komfort auszukommen, und so machte sie sich im Spätsommer 1650 auf den Weg nach Heidelberg.

 

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Abb. 3:
Die anspruchsvolle Charlotte von Hessen-Kassel, Liselottes Mutter, konnte nur wenige Jahre mit ihrer Tochter verbringen. Die unglückliche Ehe mit dem pfälzischen Kurfürsten wurde schließlich geschieden und Charlotte musste in ihre Heimat zurückkehren. Danach hat sie Liselotte nur noch zweimal wiedergesehen, als diese schon längst erwachsen war. – Unbekannter Maler, um 1650