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herausgegeben von

Thomas Götz

MARITA A. PANZER

Hedwig

Die Braut der
Landshuter Hochzeit

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Biografien machen Vergangenheit lebendig: Keine andere literarische Gattung verbindet so anschaulich den Menschen mit seiner Zeit, das Besondere mit dem Allgemeinen, das Bedingte mit dem Bedingenden. So ist Lesen Lernen und Vergnügen zugleich.

Dafür sind gut 100 Seiten genug – also ein Wochenende, eine längere Bahnfahrt, zwei Nachmittage im Café. Wobei klein nicht leichtgewichtig heißt: Die Autoren sind Fachleute, die wissenschaftlich Fundiertes auch für den verständlich machen, der zwar allgemein interessiert, aber nicht speziell vorgebildet ist.

Bayern ist von nahezu einzigartiger Vielfalt: Seine großen Geschichtslandschaften Altbayern, Franken und Schwaben eignen unverwechselbares Profil und historische Tiefenschärfe. Sie prägten ihre Menschen – und wurden geprägt durch die Männer und Frauen, um die es hier geht: Herrscher und Gelehrte, Politiker und Künstler, Geistliche und Unternehmer – und andere mehr.

Das wollen die KLEINEN BAYERISCHEN BIOGRAFIEN: Bekannte Personen neu beleuchten, die unbekannten (wieder) entdecken – und alle zur Diskussion um eine zeitgemäße regionale Identität im Jahrhundert fortschreitender Globalisierung stellen. Eine Aufgabe mit Zukunft.

Dr. THOMAS GÖTZ, Herausgeber der Buchreihe, geboren 1965, studierte Geschichte, Germanistik und Philosophie. Er lehrt Neuere und Neueste Geschichte an der Universität Regensburg und legte mehrere Veröffentlichungen, vor allem zu Stadt und Bürgertum in Bayern und Tirol im 18., 19. und 20. Jahrhundert, vor. Darüber hinaus arbeitet er im Museums- und Ausstellungsbereich.

Inhalt

Vorwort – Hedwig im Schatten der Geschichte

1»Hedvigis« – eine polnische Königstochter

Eltern und Geschwister / Heimatstadt Krakau

Exkurse: Christentum in Polen und Litauen / Römisch-deutscher König bzw. Kaiser / Hedwig oder Jadwiga?

2»Jungfrau und Herrin Hedwig«

Eheanbahnung und Verlöbnis / Herzog Georg von Bayern-Landshut / Päpstliche Ehe-Erlaubnis

Exkurse: Die Linien des Hauses Wittelsbach / Trausnitz: Die Burg zu Landshut / Die Reichen Herzöge und ihre Schätze / Ehe im späten Mittelalter

3Mit »gaudio et pompa«

Übergabe der Braut / Empfang der Braut / Eheschließung / Beilager, Morgengabe und Hochzeitsgeschenke / Kirchgang und Hochzeitsmahl / Abreise der Gäste und Kosten der Hochzeit

Exkurse: Hedwigs Aussteuer / Kleiderordnungen / Brautkrone / Tischordnung beim Festmahl der Braut / Liste der hohen Gäste auf der Landshuter Hochzeit

4Herzogin »Hatwig« in Burghausen

Die Burg zu Burghausen / Gefängnis oder Residenz der Frauen / Eheleben und Kinder / Hofstaat und Hofordnung

Exkurse: Margarete von Österreich – in Burghausen gefangen? / Hedwig in Haft? / Hedwigs Schwiegermutter entkommt Burghausen / Natürliche Tochter / Essen und Trinken auf der Burg / »Der Herzogin Brunn« / Geschlechtsvormundschaft / Währungen, Maße und Gewichte

5Hedwigs Ende und Erbe

Sterben und Tod / Grablege in Raitenhaslach / Die Trauerrede in Ingolstadt / Der Nachlass

Exkurse: Totenklage am Jahrestag / Jakob Locher, genannt Philomusus

6Nachkommen und Niedergang

Hedwigs Töchter / Der Landshuter Erbfolgekrieg / Friedensschluss und Folgen / Hedwigs Enkel und die »Junge Pfalz«

Exkurse: Zukunft der Residenzen in Burghausen und Landshut / »Philippsen Klag«

7Nachleben: »Himmel Landshut – Tausend Landshut! Hallooo!«

Malereien im Rathaus / Landshuter Hochzeit und Mittelalter-Spiele

Exkurs: Landshuter Hochzeit von Hans Carossa

Anhang

Stammtafeln / Zeittafel / Quellen und Literatur / Bildnachweis

Vorwort – Hedwig im Schatten der Geschichte

Hedwig von Polen, Herzogin von Bayern-Landshut, hat kein privates Schriftgut hinterlassen. Briefe von ihrer Hand sind in den Archiven nicht zu finden. Allerdings gibt es offizielle Dokumente, wie beispielsweise die Ehevereinbarungen, welche heute noch einsehbar sind. Zudem haben sich einige Zeitgenossen mit der Landshuter Fürstenhochzeit von 1475 befasst. Ihre Berichte und Chroniken erlauben uns Einblicke in die Festlichkeiten, beschreiben das Brautpaar, die Hochzeitsgäste und deren kostbare Gewänder, die Trauung, Festmähler, Tänze und Turniere.

Der Bericht des Hans Seybolt von 1482 – Handschrift in der Bayerischen Staatsbibliothek München – ist am ausführlichsten. Seybolt war wohl Klosterschreiber zu Seligenthal und hielt sich nachweislich von 1454 bis 1482 in Landshut auf.

Der sogenannte Markgrafenschreiber Hans Oringen verfasste ebenfalls eine relativ umfangreiche Beschreibung der Fürstenhochzeit. Seine Niederschrift wird im Thüringischen Hauptstaatsarchiv zu Weimar aufbewahrt. Oringen kam im Gefolge des Markgrafen Albrecht Achilles von Brandenburg nach Landshut, daher auch die Bezeichnung »Chronik oder Bericht des Markgrafenschreibers«. Allerdings hielt Oringen vermutlich im Auftrag Herzog Ernsts von Sachsen die Ereignisse der Hochzeitsfeierlichkeiten fest, da dieser nicht persönlich anwesend sein konnte.

Die »Bayerische Chronik« des Veit Arnpeck bietet nur eine kurze Beschreibung der Hochzeit, obwohl er zu dieser Zeit in Landshut weilte. Er war 1468 Kooperator zu St. Martin, 1471 Priester zu St. Jodok und wurde noch für 1487 urkundlich als Benefiziat am Altar St. Johannes in der Martinskirche genannt.

Ulrich Füetrers »Bayerische Chronik«, wahrscheinlich zwischen 1473–1478 verfasst, geht auf die Hochzeit ein, jedoch nicht besonders ausführlich. Sie entstand mutmaßlich während seines Aufenthalts in München und gibt daher eher die Geschehnisse um die Münchner Herzöge wieder.

Die »Chronik Polens« des Jan Długosz (Dlugosch), in lateinischer Sprache verfasst, behandelt im zwölften Buch die Jahre 1462–1480. Długosz berichtet von der Reise der Braut von Polen zu ihrem Bräutigam nach Landshut und den vorausgehenden Eheverhandlungen.

Weitere historische Quellen sind Urkunden und Dokumente sowie die sogenannte »Große Rechnung«, die in der Handschriftenabteilung der Bayerischen Staatsbibliothek aufbewahrt wird und genauen Aufschluss über die Kosten der Landshuter Hochzeit von 1475 gibt.

Neben der zeitgenössischen Überlieferung beschäftigten sich zudem Historiker umfangreich mit der prunkvollen Hochzeitsfeier und ihren Akteuren. Jedoch wurde die Braut dabei, obwohl Hauptperson des Festes, eher nur am Rande berücksichtigt. Bis heute ist über Hedwig, die polnische Königstochter und spätere Herzogin von Bayern-Landshut, noch keine umfassende Biografie erschienen.

Möge nun die vorliegende Lebensbeschreibung diese klaffende Lücke ein wenig schließen und Hedwig, die Braut der Landshuter Hochzeit von 1475, aus dem Schatten der Geschichte deutlicher hervortreten lassen.

1»Hedvigis« – eine polnische Königstochter

ELTERN UND GESCHWISTER

Hedwigs Vater folgte seinem Bruder Władysław III. (dt. Ladislaus; reg. ab 1424), der 1444 in der Schlacht bei Warna fiel, erst drei Jahre später auf dem polnischen Thron als Kasimir IV. nach. Er war der jüngste Sohn von Władysław II. Jogaila bzw. Jagiello (reg. 1386–1434) und dessen vierter Gemahlin Sophie (1405–1461), einer Prinzessin aus Litauen ruthenischer Herkunft. Ruthenien heißt eine historische Landschaft, die im heutigen Weißrussland bzw. der Ukraine liegt und wo damals Altrussisch gesprochen wurde. Mit König Jogaila (Jagiello) begann die Reihe der Jagiellonenkönige auf dem polnischen Thron.

Als Hedwigs Vater Kasimir polnischer König wurde, vereinigte er Polen und Litauen (hier war er seit 1449 bereits zum Großfürsten ernannt worden) in Personalunion zu einem gewaltigen Länderkomplex im Osten des Deutschen Reiches. Von Sophie, der Mutter des Königs und Großmutter Hedwigs, wird überliefert, dass sie großen Einfluss auf die Politik im Königreich nahm: »Ich verneme das des Königes mutter stets mete in den rat gebet und alle die brieffe die deme Konige werde geschrieben, die muß man ir legen.« (Ich höre, dass des Königs Mutter sich stets mit in den Rat begibt und alle Briefe, die der König erhält, müssen ihr vorgelegt werden.) Sophie unterstützte durch die Übersetzung der Bibel ins Polnische auch die Verbreitung des christlichen Glaubens in Polen. Sie starb am 21. September 1461, als ihre Enkeltochter Hedwig vier Jahre alt war, und wurde in der Kirche des Paulaner-Klosters zu Krakau beigesetzt.

Nach dem Tod ihrer Schwiegermutter Sophie nahm deren einflussreiche Stellung König Kasimirs Gattin, Hedwigs Mutter, ein. Sie galt als ebenso politisch kundig und aktiv. Elisabeth war eine geborene Habsburgerin aus Wien. Sie war die Tochter von Herzog Albrecht V. von Österreich, der als Albrecht II. (reg. 1438–1439) römisch-deutscher König war. Ihre Mutter, also Hedwigs Großmutter, ebenfalls mit dem Namen Elisabeth (1409–1442), war die Tochter des römischdeutschen Kaisers Sigismund (reg. 1433–1437). Sie war die Erbin der Königreiche Böhmen und Ungarn. Ihr Sohn Ladislaus Postumus, Hedwigs Onkel, folgte als König in Böhmen und Ungarn (reg. 1440–1457) nach.

Christentum in Polen und Litauen

Die im 10. Jahrhundert begonnene Christianisierung Polens wurde beständig fortgeführt; im 13. Jahrhundert war der römisch-katholische Glaube überall in Polen verbreitet und der Anschluss an das lateinischchristliche Abendland vollzogen.

Hedwig von Anjou (1373–1399; Tochter von Ludwig I., König von Polen, Ungarn und Kroatien, aus dem Haus Anjou) wurde nach längeren Kämpfen 1384 zum »König« von Polen gekrönt. Sie heiratete 1386 Jogaila (Jagiello), den Großfürsten von Litauen, der damit als Władysław II. die polnische Königskrone erhielt. Somit waren beide Ehegatten aus eigenem Recht heraus »Könige« von Polen. Die Ehe blieb kinderlos. Hedwig von Anjou, Jadwiga genannt, wurde 1997 heiliggesprochen, da sie sich für die Christianisierung Litauens, eines der letzten Horte europäischen Heidentums, eingesetzt hatte: Durch ihre Hochzeit 1386 mit dem Litauer Großfürsten war auch der Übertritt seines Volkes zum römisch-katholischen Christentum verbunden gewesen.

Hedwigs Mutter wuchs überwiegend in Wien am Hof von König Friedrich III. (1452–1493 Kaiser) auf, der mit ihr verwandt war. Sie erhielt, wie ihre Geschwister Anna und Ladislaus, eine dem Frühhumanismus verpflichtete solide Ausbildung. Anna ehelichte den sächsischen Herzog Wilhelm, und Elisabeth verheiratete sich am 10. Februar 1454 nach Polen. Als Mitgift waren ihr 100 000 ungarische Kronen zugesagt, sie musste dafür aber – wie für Frauen üblich – auf ihre österreichischen Erbansprüche verzichten. Als ihr Bruder, König Ladislaus von Böhmen und Ungarn, 1457 starb, meldeten die polnischen Gesandten in Prag und Ofen ihre Bewerbung um die Krone an, was aber wohl eher als Hinweis auf die bis dahin noch nicht bezahlte Mitgift Elisabeths gedacht war.

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Hedwigs Eltern: König Kasimir IV. von Polen und Elisabeth von Habsburg, Königin von Polen

Hedwigs Mutter galt als wenig attraktiv; sie soll einen unförmigen Kopf mit der sogenannten Habsburger Unterlippe gehabt haben und angeblich einen Buckel. Dennoch gestaltete sich die 38 Jahre währende Ehe mit Kasimir aus dem Haus der Jagiellonen harmonisch und erfolgreich. Aus ihr gingen dreizehn Kinder, sechs Söhne und sieben Töchter, hervor:

Römisch-deutscher König bzw. Kaiser

Als römisch-deutscher König werden die Herrscher für die Zeitspanne von ihrer Wahl zum König bis zu ihrer Krönung zum Kaiser bezeichnet. Die meisten Königswahlen wurden von den Kurfürsten ab dem 12. Jahrhundert in Frankfurt am Main durchgeführt, während die Krönungen in Aachen stattfanden. Zum Kaiser wurden die erwählten Könige im Mittelalter zumeist vom Papst in Rom gekrönt. In späteren Jahrhunderten unterblieb die päpstliche Krönung, auch konnte der Königstitel manchmal sogar schon zu Lebzeiten des Kaisers auf seinen Nachfolger übergehen.

Der letzte Kaiser des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation, wie die römisch-deutschen Kaiser auch bezeichnet werden, war Franz II. (reg. 1792–1806), der das Reich de jure auflöste, die Kaiserkrone niederlegte und von da ab nur mehr Kaiser im habsburgischen Österreich war.

Der älteste Sohn Władysław (Wladislaus oder Ladislaus, 1456–1516) wurde König von Böhmen (1471) sowie Ungarn (1490). Das zweite Kind und zugleich die älteste Tochter wurde am 21. September 1457 abends in Krakau geboren und erhielt den Namen »Hedvigis« (Hedwig). Sie heiratete Herzog Georg den Reichen von Bayern-Landshut. Kasimir (1458–1483) wurde von Papst Leo X. 1521 heiliggesprochen und avancierte damit zum Schutzpatron von Polen und Litauen. Jan Olbracht (Johann Albrecht, 1460–1501) erbte von seinem Vater 1492 als Johann I. die polnische Königskrone, und Alexander (1461–1506) folgte wiederum seinem Bruder 1501 auf den polnischen Thron nach. Die zweitälteste Tochter Sophia (1464–1512) ehelichte Markgraf Friedrich V. von Brandenburg-Ansbach, und Elisabeth, geboren 1465, starb bereits als Kleinkind 1466. Sigmund wurde nach dem Tod seines Bruders 1506 als Sigismund I. König von Polen, und Friedrich (1468–1504) schaffte es, als Bischof von Krakau und Erzbischof von Gnesen bis zum Kardinal aufzusteigen. Eine zweite Tochter namens Elisabeth wurde 1470 geboren und starb noch im selben Jahr (andere geben jedoch als Lebenszeit 1472–1480/81 an), und eine dritte Elisabeth kam 1472 oder 1482/83 zur Welt, heiratete 1515 Herzog Friedrich II. von Schlesien-Liegnitz-Brieg und lebte bis 1517. Anna (1476–1503) vermählte sich 1490 mit Herzog Bogislaw (Boguslaw) X. von Pommern, und Barbara (1478–1534) schloss 1496 mit Herzog Georg von Sachsen, genannt der Bärtige, die Ehe.

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Hedwigs Stammbaum mit Eltern und Geschwistern (1506)

Hedwig oder Jadwiga?