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Günter Dippold

Kleine Geschichte
Oberfrankens

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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

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ISBN 978-3-7917-3170-4

Umschlaggestaltung und Layout: Martin Veicht, Regensburg

Satz: Vollnhals Fotosatz, Neustadt a. d. Donau

Druck und Bindung: Friedrich Pustet, Regensburg

Printed in Germany 2020

eISBN 978-3-7917-6179-4 (epub)

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Inhalt

Das Werden Oberfrankens

Von den ersten Siedlern bis ins Hochmittelalter

Im Frankenreich / Die Markgrafen von Schweinfurt / Das neue Bistum Bamberg / Der Bamberger Dom / Die frühe territoriale Entwicklung des Hochstifts Bamberg / Bischof Otto I. von Bamberg / Der Aufstieg der Andechs-Meranier / Die Stadt in Oberfranken

Wandlungen im Spätmittelalter

Der Zerfall der meranischen Herrschaft / Umwälzungen im 14. Jahrhundert

Das Hochstift Bamberg

Der Fürstbischof / Die Neue Residenz zu Bamberg / Das Domkapitel / Klösterliche Unabhängigkeitsbestrebungen

Die Herrschaft der Zollern

Das Wachsen der Macht / Die jüngere fränkische Linie der Zollern und die Verlegung der Hauptstadt / Musik bei Hofe / Kulmbach-Bayreuth im 17. und 18. Jahrhundert

Das Coburger Land

Die Reichsritterschaft

Wandlungen niederadligen Lebens am Beginn der Neuzeit / Das Werden der reichsunmittelbaren Ritterschaft

Die Glaubensspaltung

Die reformatorische Bewegung und ihre ersten Folgen / Die landesherrliche Reformation / Protestantismus im Hochstift Bamberg / Die Gegenreformation

Die Verfolgung vermeintlicher Hexen

Prozesswellen im Hochstift Bamberg / Hexereiprozesse in Coburg und Kulmbach

Gute und schlechte Nachbarschaft

Geeint im Fränkischen Reichskreis / Der Markgräflerkrieg 1552–1554 / Vereint im Elend: der Dreißigjährige Krieg

Umbruch um 1800: Vordringen der Großmächte und Säkularisation

Preußen als Erbe des Markgraftums Kulmbach-Bayreuth / Die Ära Hardenberg / Europäische Konflikte und ihre Folgen für Franken / Die Herrschaftsübernahme durch Bayern / Die Aufhebung der Klöster und Stifte / Mythos Beutekunst / Die bayerischen Reformen / Das Ausgreifen Bayerns nach Bayreuth / Marktredwitz

Wirtschaftliches Leben zwischen Altem Reich und früher Industrialisierung

Wandlungen in der Landwirtschaft / Besonderheiten des regionalen Handwerks / Das Patchworkeinkommen in der frühneuzeitlichen Stadt / Holzhandel und Flößerei / Die Schwierigkeiten früher Fabriken / Die Fränkische Schweiz

Hochschulen und kulturelles Leben bis ins 19. Jahrhundert

Das Allgemeine Krankenhaus in Bamberg / Städtisches Theater in Bamberg

Obermainkreis und Oberfranken im Königreich Bayern

Wittelsbacher in der Region / Die Eingliederung des östlichen Franken in den bayerischen Einheitsstaat / Neue Strukturen für die Glaubensgemeinschaften / Adlige Vorrechte im Königreich Bayern / Oberfranken im Vormärz / Die Revolution von 1848/49 / Neue Verkehrswege / Oberfrankens Bedeutung in Staatsregierung und Landtag

Sachsen-Coburg und Gotha

Die Industrialisierung

Die Textilindustrie / Weißes Gold aus Oberfranken / Weitere Industriezweige / Starke Hausindustrien / Die Industrie des Coburger Raums

Oberfranken nach dem Ersten Weltkrieg

Wirtschaftliche Folgen des Kriegs / Bayern statt Thüringen: der Weg Coburgs / Bamberg als Landeshauptstadt auf Zeit / Das Aufkommen völkischer Bewegungen / Der Aufstieg der NSDAP

Oberfranken im „Dritten Reich“

Der Zusammenschluss mit Mittelfranken / Die „Machtergreifung“ in der Region / „Tyrann in der Westentasche“: Fritz Wächtler / Der schöne Schein des Regimes / Antisemitismus und Massenmord / Von Kutzenberg in die Vernichtungsanstalt: die T4-Aktion / Oberfranken im Zweiten Weltkrieg

Im Schatten der Zonengrenze: Oberfranken zwischen 1945 und 1990

Leben mit der Grenze / Die Eingliederung der Heimatvertriebenen / Die neuen Hochschulen

Zurückgewonnene Mitte: Oberfranken seit der Wiedervereinigung

Neue Verkehrswege / Chance und Krise traditioneller Industrien / Vermarktungsstrategien für Oberfranken

Anhang

Zeittafel / Generalkommissäre des Mainkreises bzw. des Obermainkreises / Regierungspräsidenten von Oberfranken bzw. von Ober- und Mittelfranken / Kreistags- und Bezirkstagspräsidenten von Oberfranken / Übersichtskarte / Literatur / Register / Bildnachweis

Das Werden Oberfrankens

Oberfranken ist eine junge Raumeinheit. Wenngleich der Begriff vereinzelt auftauchte, um höher gelegene Landstriche Frankens zu bezeichnen, so führte ihn doch erst König Ludwig I. von Bayern (reg. 1825–1848) auf Dauer ein. Im Herbst 1837 verfügte der Monarch einen Neuzuschnitt der acht „Kreise“ des Königreichs Bayern. Waren sie bis dahin nach Flüssen benannt, so beschwor der Monarch nun die Historie: Durch göttliche Vorsehung seien unter seinem Zepter mehrere der edelsten deutschen Volksstämme vereinigt, deren Vergangenheit reich an den erhabensten Vorbildern jeder Tugend und jeglichen Ruhmes ist. Daher sei es seine Absicht, die Benennung der einzelnen Haupt-Landestheile auf die ehrwürdige Grundlage der Geschichte zurückzuführen.

Bei Ober- und Niederbayern, bei Schwaben und bei der Oberpfalz konnte der König auf alte Namen zurückgreifen, wenngleich der Zuschnitt nicht immer den historischen Grenzen entsprach. Der Hauptteil des ehemaligen Fränkischen Reichskreises, der im frühen 19. Jh. an Bayern gefallen war, wurde in drei Kreise gegliedert. Ihre Namen waren Neuschöpfungen, die sich an den geografischen Gegebenheiten orientierten: Der Kreis, der die tiefst gelegenen Punkte einschloss, hieß Unterfranken; der Kreis, der mit dem Schneeberg und dem Ochsenkopf die höchsten Erhebungen Frankens besaß, wurde Oberfranken genannt.

Wenngleich das Oberfranken von 1837 seinen Umriss der königlichen Geschichtsbezogenheit verdankte, so band doch die Administration heterogene Räume zusammen. Oberfranken vereinigte in sich Gebiete ganz unterschiedlicher Tradition. Seine Hauptbestandteile waren das Hochstift Bamberg, über das bis 1802 der Bischof von Bamberg regiert hatte, und das Fürstentum Kulmbach-Bayreuth, das Markgrafen aus dem Haus Zollern beherrscht hatten, das 1792 Teil des Königreichs Preußen geworden war und das zuletzt unter französischer Verwaltung gestanden hatte. Ferner gehörten zum 1837 geformten Oberfranken mit Seßlach und Schlüsselfeld kleine Teile des einstigen Hochstifts Würzburg. Auch die Zisterzienserabtei Ebrach im Steigerwald war im Grunde würzburgisch, wenngleich sie bis zu ihrer Aufhebung 1803 den Anspruch erhoben hatte, reichsunmittelbar zu sein. Betzenstein, Gräfenberg und Hiltpoltstein hatten zum Landgebiet der Reichsstadt Nürnberg gezählt. Obendrein schloss Oberfranken zahlreiche Dörfer ein, die bis 1806 reichsritterlichen Familien untertan gewesen waren.

Eine Geschichte Oberfrankens bis ins frühe 19. Jh. muss also vom Nebeneinander des Fürstbistums Bamberg, des Markgraftums Brandenburg-Kulmbach und der ostfränkischen Reichsritterschaft erzählen.

Vielgesichtig wie in seinen historischen Wurzeln ist Oberfranken auch in naturräumlicher Hinsicht. Es umfasst Mittelgebirge wie Frankenwald und Fichtelgebirge, die einerseits aus landwirtschaftlicher Warte Ungunsträume darstellten, andererseits über Bodenschätze und ausgedehnte Wälder verfügten. Ihnen stehen die fruchtbaren Tallandschaften gegenüber, wie sie der Main und seine Quellflüsse sowie die Regnitz formten.

Die natürlichen Baustoffe ließen unterschiedliche Hauslandschaften entstehen: Holz dominierte in den Mittelgebirgsregionen, zunächst als Blockbau, später vor allem als Fachwerk. Die Außenwände waren – je näher das Haus bei den großen Schieferbrüchen des Frankenwalds stand, desto häufiger – mit dem „blauen Gold“ beschlagen. Als Werkstein diente im Umgriff des Maintals der Sandstein, bei repräsentativen Bauten in Form gleichmäßig behauener Sandsteinquader. Im Fichtelgebirge hingegen finden wir den Granit an Fenster- und Türgewänden.

Kirchlich war das einst von Bamberg und von Würzburg geprägte Gebiet katholisch, die einstigen Herrschaftsgebiete der Zollern sowie die Dörfer der Ritterschaft waren dagegen evangelisch. Jüdische Gemeinden bestanden in der Frühen Neuzeit vor allem unter niederadligem Schutz.

Das 1837 geformte Oberfranken erfuhr 1920 einen spürbaren Zuwachs, als aufgrund einer Volksabstimmung der Freistaat Coburg sich nicht dem neuen Land Thüringen, sondern Bayern anschloss. Dies bedeutete eine Neuorientierung, denn das Coburger Land hatte bis 1806 nicht zum Fränkischen, sondern zum Obersächsischen Reichskreis gehört, und es war in mancherlei Hinsicht mit anderen thüringischen Kleinstaaten verzahnt gewesen. Von Exklaven in den Haßbergen abgesehen, wurde das einstige Herzogtum, 562 km2 umfassend, zu Oberfranken hinzugefügt. Dessen Einwohnerzahl stieg dadurch um rund 75.000 auf etwa 750.000. Coburg jedoch, zwei Jahre zuvor noch die Hauptstadt eines deutschen Bundesstaates, war mit einem Mal bloß noch eine von zehn kreisfreien Städten in Oberfranken.

Bei der Gebietsreform von 1972, offenkundig von Süden her konzipiert, erlitt Oberfranken einen schmerzlichen Verlust: Der wirtschaftsstarke Raum um Höchstadt und Herzogenaurach fiel an Mittelfranken, ohne dass Oberfranken einen angemessenen Ausgleich erfahren hätte. Per Saldo büßte Oberfranken über 40.000 Einwohner und rund 300 km2 Fläche ein und war damit der Hauptverlierer der Reform.

Von den ersten Siedlern bis ins Hochmittelalter

Erste menschliche Spuren im heutigen Oberfranken stammen aus dem Mittelpaläolithikum. An verschiedenen Orten, beispielsweise oberhalb von Kösten im oberen Maintal und wenige Kilometer entfernt auf dem Schneyer Berg, wurden, teilweise schon an der Wende vom 19. zum 20. Jh., rund 70.000 bis 80.000 Jahre alte Faustkeile und Schaber gefunden, aber auch Artefakte aus dem Mesolithikum.

Als im Neolithikum Menschen sich dauerhaft niederließen und begannen, Ackerbau zu treiben, wählten sie Siedlungsorte mit leichten Böden, die mit hölzernen Werkzeugen zu bearbeiten waren. Manche dieser ersten „Dörfer“ lagen in der Nähe prägnanter Dolomitfelsen, die als Kultplätze dienten. Nur vereinzelt lassen sich Befestigungen durch umgebende Gräben nachweisen.

Unter den Siedlungen der Urnenfelderzeit, aus der zahlreiche Gräber erhalten sind, ragt die Heunischenburg bei Kronach heraus. Die dritte Anlage an diesem Platz, im 9. Jh. v. Chr. entstanden, gilt als älteste bekannte Steinbefestigung nördlich der Alpen. Da die Funde lediglich auf die Anwesenheit von Männern hinweisen, wird die Heunischenburg als Garnison gedeutet, die die Kupfer- und Zinntransporte aus Böhmen und dem Fichtelgebirge nach Westen sichern sollte.

Ebenfalls in der späten Bronzezeit entstanden größere, von einer Pfostenschlitzmauer umfangene Höhensiedlungen. Die bedeutendste unter ihnen dürfte in der Region die Ehrenbürg gewesen sein, ein Inselberg nahe Forchheim, nahe dem Zusammenfluss von Regnitz und Wiesent. Dieser Berg war seit dem 14. Jh. v. Chr. besiedelt und befestigt. Seine größte Bedeutung erlangte er in frühkeltischer Zeit, zwischen ungefähr 520 und 380 v. Chr. Rund 10.000 Kellergruben, die sich auf dem 36 Hektar großen Hochplateau nachweisen lassen, zeugen von einer dichten, stadtartigen Besiedlung. Aus derselben Epoche sind auch kleinere, befestigte Höhensiedlungen im Bereich der nördlichen Frankenalb nachgewiesen (Kasendorf, Staffelberg, Burggaillenreuth u. a.).

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Die Ehrenbürg bei Forchheim, 2012

In spätkeltischer Zeit (2./1. Jh. v. Chr.) erscheint als dominante Siedlung das Oppidum auf dem Staffelberg, das seit langem mit dem von Ptolemäus erwähnten Menosgada identifiziert wird. Es gliederte sich in eine Oberstadt auf dem Hochplateau als Wohnsitz der Elite und eine Unterstadt und war insgesamt 49 ha groß. Zur Albhochfläche war es durch eine mächtige Pfostenschlitzmauer gesichert. Ein imposantes Stadttor auf halber Höhe zum Maintal wurde 2018/19 ergraben. Münzfunde deuten auf wirtschaftliche Beziehungen zu Böhmen, der Nordschweiz, Manching und Rom hin; zwei eiserne Münzstempel zeigen an, dass auf dem Staffelberg Geld geprägt wurde. Dieses Oppidum wurde einige Jahrzehnte vor Christi Geburt aufgegeben.

Dass ankommende Germanen die Kelten verdrängten, lässt sich in Altendorf im Regnitztal südlich von Bamberg beobachten, wo neben einer spätkeltischen eine germanische Siedlung entstand. Gröbere Keramik germanischer Provenienz wird neben Resten feinerer, keltischer Gefäße gefunden.

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Keltische Gefäße aus einer Kellergrube auf dem Staffelberg, ergraben in den 1980er Jahren

Die vorgeschichtlichen Bodendenkmäler konzentrieren sich auf den Westen des Regierungsbezirks, auf das Main- und Regnitzgebiet sowie die Frankenalb. Der Frankenwald, das Fichtelgebirge und das Hofer Land sind vergleichsweise fundarm und waren offenbar eher dünn besiedelt, in manchen Landstrichen womöglich bis ins hohe Mittelalter hinein.

Ab dem späten 4. Jh. n. Chr. drangen verschiedene germanische Völker ins heutige Oberfranken vor. Unter den wenigen Befestigungen der Spätantike zeichnet sich die Wehranlage auf dem Reisberg bei Scheßlitz am Westrand der Frankenalb aus. In ihrem Areal wurden ansehnlicher Schmuck und Geräte gefunden. Nach einigen Jahrzehnten wurde die Anlage gewaltsam zerstört.

Im Frankenreich

Seit dem 6. Jh. wurde der Westen des heutigen Oberfranken dem Frankenreich einverleibt. Die merowingischen Könige errichteten Königshöfe in Forchheim und Hallstadt. Sie lagen noch im frühen 9. Jh. an der Ostgrenze des Frankenreichs.

Als 741 der fränkische Hausmeier Karlmann das entstehende Bistum Würzburg mit Besitz ausstattete, übereignete er ihm den Zehnten von 26 königlichen Gütern, darunter der Königshof Halazestat (Hallstadt). Archäologische Befunde deuten darauf hin, dass ein Friedhof in Hallstadt spätestens seit dem frühen 6. Jh. bestand. Der Ort lag an einer Fernstraße von Erfurt nach Regensburg, und auch Ost-West-Verbindungen werden ihn wohl berührt haben. So gewann der Königshof über seine administrative Funktion hinaus gewiss Bedeutung als Handelsplatz.

Forchheim, ab 805 genannt, war bereits um die Mitte des 9. Jhs. Stätte von Hoftagen. 900 und 911 fand die Wahl des römischen Königs in der Pfalz an der Regnitz statt.

Zur Zeit Kaiser Karls des Großen (reg. 768–814) sind neben dem Königtum auch Große des Reichs bis aus dem Neckarraum nachgewiesen, die an der äußersten Ostgrenze des fränkischen Reichs begütert waren. Belegt ist dies durch mehrere Schenkungen an das Kloster Fulda im späten 8. und im 9. Jh. Unter jenen Familien errangen die wohl in der Wetterau beheimateten Popponen – in der modernen Geschichtsforschung so benannt nach einem Ahnherrn des Geschlechts – die stärkste Position im östlichen Franken. Sie errichteten wohl die Burg auf dem späteren Domberg von Bamberg oder verstärkten zumindest die Befestigung, wie Bodenfunde des 9. Jhs. nahelegen. Wegen dieses wichtigen Sitzes hat sich für die Familie die Bezeichnung „Babenberger“ eingebürgert.

Wohl im 8. Jh. war das heutige Franken in Grafschaften gegliedert worden, in denen jeweils ein Graf als Vertreter der königlichen Gewalt amtierte. Dabei erlangte der Babenberger Heinrich († 886) die Grafenwürde sowohl im Grabfeldgau mit dem Mittelpunkt Münnerstadt als auch im Volkfeldgau, der sich von der Regnitz bis zum Maindreieck erstreckte, und im Radenzgau, der sich weitgehend mit dem jetzigen Oberfranken deckte.

Im späten 9. Jh. gerieten die Babenberger in immer schärfere Konkurrenz mit den Konradinern, die ihr Machtzentrum im heutigen Hessen hatten und von dem mit ihnen verschwägerten Kaiser Arnulf († 899) begünstigt wurden. Nach seinem Tod wurde der Streit zwischen den beiden Familien ab 902 mit Waffengewalt ausgetragen, wobei die Babenberger 906 endgültig unterlagen. Der Babenberger Adalbert wurde hingerichtet, Bamberg fiel in königliche Hand. 973 schenkte es Kaiser Otto II. (reg. 973–983) seinem bayerischen Vetter, Herzog Heinrich dem Zänker (reg. 955–976 und 985–995).

Die Markgrafen von Schweinfurt

Trotz der Niederlage der Babenberger behaupteten ihre mutmaßlichen Nachkommen, die Grafen von Schweinfurt, eine starke Position im östlichen Franken. Kurz vor der Mitte des 10. Jhs. können wir die Familie mit Graf Berthold († 980) erstmals fassen. Dieses einflussreiche Geschlecht wird in der Mittelalterforschung nach einer ihrer Hauptburgen, nämlich Schweinfurt, benannt, doch residierten die Grafen ebenso in Sulzbach, Oberammerthal, Hersbruck, Creußen, Kronach, Burgkunstadt und Banz.

Sie vereinten in ihrer Hand drei Grafschaften: den Volkfeldgau, den Radenzgau und den südöstlich anschließenden Nordgau. Das Geschlecht dominierte damit ein Gebiet, das vom Mainknie bei Schweinfurt bis an den Regen und den Böhmerwald reichte und den größten Teil des heutigen Oberfranken einschloss. „Markgraf“ (marchio) nannten sich die Schweinfurter, um ihre besondere Würde als dreifache Grafen zu betonen.

Einen Einbruch erlebte ihre Macht durch den Aufstand des Grafen Heinrich (Hezilo) gegen König Heinrich II. († 1024). Hezilo hatte dem bayerischen Herzog Heinrich 1002 geholfen, die Königswürde zu erlangen. Doch danach fühlte Markgraf Hezilo sich um den politischen Lohn, nämlich die bayerische Herzogswürde, betrogen. Er erhob sich gemeinsam mit dem polnischen König Bolesław Chrobry († 1025) gegen den König. Hezilo wurde 1003 geschlagen und verlor seine Grafschaften und königlichen Lehen. Immerhin behielt er seine umfangreichen Eigengüter, die er möglicherweise in der Folge stärker durchdrang. Der Ortsname „Heinersreuth“, der im Raum Kulmbach/Bayreuth siebenmal vorkommt, mag in mehreren Fällen auf Rodungen unter Graf Heinrich/Hezilo zurückgehen. Weiterhin besaßen die Schweinfurter die Vorherrschaft rund um den Obermainbogen und in der nördlichen Frankenalb.

Andererseits war, weil der Schweinfurter seine Grafschaften verloren hatte, ein Machtvakuum entstanden, das Hezilo nach einer gewissen Frist erneut zu füllen drohte. Um dies zu vereiteln, gründete Kaiser Heinrich II. 1007 das Bistum Bamberg. Er stattete es mit reichem Besitz aus, der sich im Regnitztal ballte: ehemalige Königsgüter, dazu die Grafenwürde im Radenzgau und vielleicht weitere dem Schweinfurter genommene Lehen. Zugleich zielte die Schaffung eines geistlichen Zentrums in Bamberg auf die Missionierung der letzten „heidnischen“ Bevölkerungsreste ab.

Das neue Bistum Bamberg

Die Christianisierung Oberfrankens hatte wohl im 6. Jh. begonnen. 793 ordnete Karl der Große dann an, dass das Bistum Würzburg 14 sogenannte „Slawenkirchen“ im Radenzgau errichte. Dies waren Taufkirchen für die wohl im 7. Jh. zugewanderten, noch nicht für das Christentum gewonnenen Slawen. Zu diesen Gotteshäusern zählt gewiss Seußling, wo diese Annahme durch archäologische Befunde gestützt wird, ferner wohl Amlingstadt, Kirchschletten, Bischberg, Trunstadt, Uetzing und Modschiedel. Für ihre anfängliche Funktion spricht das Patrozinium: Sie waren allesamt Johannes dem Täufer geweiht.

Im 9. und 10. Jh. kamen weitere Kirchen hinzu, deren Verbindung zu Würzburg am Kilians-Patrozinium sichtbar ist, so in Buttenheim, Heiligenstadt, Hallstadt, Scheßlitz, Königsfeld und Staffelstein. Vor der Gründung des Bistums Bamberg bestand also im westlichen Oberfranken ein dichtes Netz geistlicher Stützpunkte. Dennoch hielten sich lange nicht-christliche Siedlungen. Nur wenige Kilometer neben der karolingerzeitlichen Kirche von Altenkunstadt findet sich ein Gräberfeld des 10. Jhs. am Rand von Weismain; die Lage des Bestattungsplatzes abseits des Wohnplatzes und die Zerschlagung von Gebeinen einige Zeit nach der Beisetzung sprechen für eine nichtchristliche Population. Solche Personengruppen sollten nun durch die Gründung des Bistums Bamberg vollends für den christlichen Glauben gewonnen werden.

Der Bamberger Dom

Der erste Bamberger Kathedrale wurde 1012 geweiht, nach einem Brand 1081 erneuert und durch ein erneutes Schadenfeuer 1185 vernichtet. Den Abschluss des Neubaus bildete die Weihe im Jahr 1237. Weisen die östlichen Teile noch romanische Formen auf, so zeigen die westlichen Abschnitte, zumal die Türme, deutlich den Einfluss der frühen französischen Kathedralgotik. Der Innenraum, ab Mitte des 17. Jhs. barock umgestaltet, wurde auf Geheiß König Ludwigs I. von Bayern zwischen 1829 und 1837 purifiziert, also seiner nachgotischen Raumzier und Ausstattung weitgehend beraubt.

Hauptsehenswürdigkeit des Doms bildete bis ins 18. Jh. sein überreicher Reliquienschatz, der dem Volk vor der Reformation in siebenjährigem Turnus auf dem Domplatz präsentiert wurde („Heiltumsweisung“). Im 19. und 20. Jh. rückten mehr die mittelalterlichen Skulpturen ins Augenmerk der Besucher, namentlich der in seiner Deutung umstrittene „Bamberger Reiter“.

Der Dom birgt das Grab des Papstes Clemens II. († 1047), der zuvor unter seinem Taufnamen Suidger Bischof von Bamberg war und diese Würde als Pontifex beibehielt. Ferner ist im Kircheninneren das heilige Kaiserpaar Heinrich († 1024) und Kunigunde († 1046) beigesetzt. Ihr Hochgrab, von 1499 bis 1513 entstanden, ist ein Werk des Würzburger Bildhauers Tilman Riemenschneider († 1531).

Zu solchen missionarischen Motiven und den machtpolitischen Gründen, die Heinrich II. zur Schaffung des Bistums Bamberg bewogen, kam sein Bestreben, sich eine Grablege zu schaffen. Bamberg sollte der Ort sein, an dem nach seinem Tod für ihn gebetet und seiner gedacht werde. In der Tat liegt das Kaiserpaar Heinrich und Kunigunde im Dom zu Bamberg begraben, und die Bamberger Bischöfe haben im 12. Jh. die Heiligsprechung des kinderlosen Kaisers mit Erfolg betrieben.

Der kaiserliche Stifter rief neben dem Bistum auch ein Chorherrenstift am Dom ins Leben und stattete diese Kanonikergemeinschaft, das Domkapitel, großzügig mit Besitz aus. Ferner gründete er in Bamberg das Benediktinerkloster St. Michael auf einer Anhöhe über dem linken Regnitzarm. In der Folge entstand ein weiteres Chorherrenstift in der Bischofsstadt, St. Stephan, dem später noch die Stifte St. Jakob und St. Gangolf folgten. Kaiser Heinrich empfing 1020 in Bamberg Papst Benedikt VIII. († 1024), der gekommen war, um militärische Hilfe in Italien zu erlangen. Bei dieser Gelegenheit weihte der Pontifex zwei Kirchen, darunter St. Stephan.

Bamberg war ein vergleichsweise junges Bistum, das erst ein Vierteljahrtausend nach den benachbarten Diözesen Würzburg und Eichstätt entstand. Um den Makel der Jugend zu tilgen, beschenkte Kaiser Heinrich seine Gründung reichlich. Er entzog dabei anderen Orten prachtvolle Handschriften und wohl auch Reliquien, um Bamberg auszustatten, wie ein Mönch von Petershausen bei Konstanz beklagte: „Da nun der König Heinrich allerorts aus anderen Kirchen das, was zur Ausstattung und zum Glanz des von ihm gegründeten Hochstifts nötig war, aufs eifrigste zusammenholte, beraubte er durch seine Forderungen viele Orte, bis er seine Kirche über alles Maß bereichert hatte.“ Bamberg erlangte auf diese Weise einen reichen Domschatz. Abt Gerhard von Seeon rühmte Bamberg 1012 als „deutsches Rom“, ja gar als „Haupt der Welt“.

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Heinrich und Kunigunde mit dem Modell des Bamberger Doms. – Abbildung aus dem Bamberger Heiltumsbuch (illustriertes Verzeichnis der Reliquien im Dom) von 1509

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Bamberger Dom, Blick zum Ostchor; im Vordergrund das Kaisergrab, 1903

Die neue Diözese entstand gegen den erbitterten Widerstand des Würzburger Oberhirten, der den Osten seines Bistums abgeben musste. Deshalb trat die Würzburger Kirche nur so viel ihres geistlichen Bezirks ab wie nötig. Bamberg lag daher nicht im Zentrum, sondern am äußersten Rand der neuen Diözese. Eine der beiden großen Stadtpfarreien, die Obere Pfarre zu Bamberg, die sich bis ins Aurachtal erstreckte, grenzte an das Bistum Würzburg. Ein erheblicher Teil des westlichen Oberfranken gehörte bis ins frühe 19. Jh. zum geistlichen Sprengel des Würzburger Bischofs. Dies gilt namentlich für die Orte rechts des oberen Mains.

Um die Diözese Bamberg nach Süden auszudehnen, wartete Heinrich II. den Tod des mit ihm verwandten Eichstätter Bischofs Megingaud († 1015) ab und bewegte erst dessen Nachfolger Gundekar († 1019), den Raum zwischen Schwabach und Pegnitz an Bamberg abzutreten. Damals kam der Landstrich um Nürnberg und Fürth zum geistlichen Sprengel von Bamberg. Die ausgedehnte Pfarrei Rekkenze (Hof a. d. Saale) wurde zu einem unbekannten Zeitpunkt, offenbar im 11. oder 12. Jh., Teil des Bistums Bamberg, während sie zuvor wohl zur Diözese Zeitz, später Naumburg, gehört hatte.

Die frühe territoriale Entwicklung des Hochstifts Bamberg