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BARBARA PALM-SCHEIDGEN

Dass Friede werde unter uns

Friedensgebete und -gottesdienste

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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

ISBN (Print) 978-3-7917-3097-4

© 2019 by Verlag Friedrich Pustet, Regensburg

Umschlagbild: © Alamy Stock Foto (Federico Caputo)

Layout und Umschlaggestaltung: Martin Veicht, Regensburg

Satz: Medienbüro Monika Fuchs, Hildesheim

Druck und Bindung: Friedrich Pustet, Regensburg

Printed in Germany 2019

eISBN 978-3-7917-6167-1 (epub)

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Information und Bestellungen unter verlag@pustet.de

INHALT

VORWORT

MENSCHEN DES FRIEDENS ERINNERN

ER NAHM DIE KINDER IN SEINE ARME UND SEGNETE SIE

Ökumenischer Friedensgottesdienst, auch für Jugendliche

Friedensgestalt Janusz Korczak – 20. September (Internationaler Tag der Kinderrechte) oder 10. Dezember (Internationaler Tag der Menschenrechte)

MORDE NICHT!

Ökumenisches Friedensgebet

Friedensgestalt Bertha von Suttner – 21. September (Internationaler Gebetstag für den Frieden)

DIE ZEICHEN ERKENNEN

Vespergottesdienst

Friedensgestalt Katharina Staritz – 22. April 2020 (75. Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Ravensbrück) oder 27. Januar (Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus)

DU HEILENDE LIEBE

Ökumenischer Predigtgottesdienst

Die Sklavin des Naaman – 1. Januar (Welttag des Friedens) oder Gedenktage, die an Opfer von Kriegen, an Zwangsarbeiterinnen erinnern

LICHT SEIN IN DUNKLER ZEIT

Wortgottesdienst zum Thema Europa

Friedensgestalt mit europäischer Dimension: St. Liudger – 26. März (Gedenktag) oder in der Europawoche (um den 9. Mai – Europatag)

ANLÄSSE IM KIRCHENJAHR

GOTTES NAMEN GEWALT ANGETAN

Meditativer Impuls zur neuen Regelung für den Gottesnamen in der revidierten Einheitsübersetzung

Macht der Sprache – Zu Beginn des neuen Kirchenjahres

GERECHTIGKEIT UND FRIEDE BLÜHE AUF

Ökumenisches Friedensgebet mit Bildbetrachtung

Friedensvisionen – Advent

LÖSCHT GOTTES GEIST NICHT AUS

Ökumenisches Friedensgebet

Babylonische Türme – Pfingstliche Zeit

IHR ALLE SEID DURCH DIE TAUFE TÖCHTER UND SÖHNE GOTTES

Ökumenischer Taufgedächtnisgottesdienst

Die Taufwürde aller Christinnen und Christen – Pfingstliche Zeit oder zu anderen geeigneten Anlässen

GEHT UND SCHAFFT FRIEDENSORTE

Eucharistiefeier

Lebensentscheidungen treffen – Lesungstexte vom 14. Sonntag im Jahreskreis (Lesejahr C)

GUTES TUN, BÖSES MEIDEN

Ökumenisches Friedensgebet

Der Konflikt am Sabbat – Werktags im ganzen Jahreskreis

DENN AUCH IHR SEID FREMDE GEWESEN

Wortgottesdienst für verschiedene Gruppen

Der fremde Wundertäter – Werktags im ganzen Jahreskreis

BEI EUCH ABER SOLL ES ANDERS SEIN

Meditativer Impuls zu Mk 10,42–45

Umkehr der Verhältnisse – Im ganzen Jahreskreis

VON DER KLAGE ZUR HOFFNUNG

BRINGT DAS RECHT ZUR GELTUNG!

Politisches Nachtgebet

Klagen des Propheten Amos – Für einen aktuellen Anlass

ICH KLAGE WIE EIN EINSAMER VOGEL AUF DEM DACH

Ökumenische Klageandacht

Die Kleinen nicht verachten – 18. November (Europäischer Tag zum Schutz von Kindern vor sexueller Ausbeutung und sexuellem Missbrauch sowie Gedenktag für die Opfer sexuellen Missbrauchs in der katholischen Kirche)

IN IHREM SCHNABEL HATTE SIE EINEN FRISCHEN ÖLZWEIG

Friedensgebet am Mittag für verschiedene Gruppen

Noahs Taube – Für einen konkreten aktuellen Anlass

MAUERN ÜBERWINDEN

Ökumenischer Dank- und Friedensgottesdienst

Bei Gott ist nichts unmöglich – Aus Anlass des Mauerfalls und der Wiedervereinigung Deutschlands

GEBT EUCH NICHT AUF!

Wortgottesdienst

Gottes Friedensreich träumen – Verschiedene Anlässe

VERWENDETE SCHRIFTSTELLEN

QUELLENVERZEICHNIS

GESANG- UND LIEDERBÜCHER

VORWORT

„Dass Friede werde unter uns“ – wenn ich ein Buch mit diesem Titel schreibe, habe ich die Hoffnung noch nicht aufgegeben, dass Frieden möglich ist. Ich lade vielmehr dazu ein, die Sehnsucht nach Frieden, die Vision einer gerechten Welt ohne Krieg und Gewalt wachzuhalten. Heimtückische Terroranschläge, zahlreiche Unruheherde und Kriege allerorten, globale atomare und militärische Aufrüstung, Macht- und sexueller Missbrauch, extreme Armut und unverantwortlicher Raubbau der Ressourcen unseres Planeten zeigen, wie gefährdet unsere Menschheitsfamilie und die gesamte Schöpfung ist. Aber gerade in Zeiten, in denen Erfahrungen von Bedrohung, Ohnmacht, Angst, Entsetzen und Trauer überwiegen, gilt es, nicht zu resignieren. Als Christen und Christinnen sind wir aufgerufen, in dieser Welt wirkmächtig zu sein, das Gute mächtig werden zu lassen. Frieden schaffen und Frieden halten braucht den Mut, aus der Gewaltspirale herauszutreten und einen alternativen Lebensentwurf zu wagen. Die Verheißung des Reiches Gottes und besonders die Bergpredigt verpflichten uns geradezu dazu.

In Essen, meiner Heimatstadt, gibt es einen mich beeindruckenden Ort des Gedenkens, der den Geist des Schalom und der Versöhnung ausstrahlt. Im Jahre 1949 wurden in der kleinen katholischen Gemeinde St. Albertus Magnus die Namen von Menschen festgehalten, die im Ruhrgebiet an den Fronten und beim Bombenkrieg ihr Leben gelassen haben. Sie sollten nicht vergessen sein. Mit dem Bau der Pax-Christi-Kirche begann man, die Namen dieser Kriegsopfer auf den Boden zu schreiben. Inzwischen sind rund 1500 Namen von Menschen aus der ganzen Welt, die Opfer von Gewalt wurden, in weißer Schrift auf Steinfliesen im Kirchenboden eingelassen. Außerdem sind über 100 Namen von Ländern und Orten angegeben, an denen Menschen ermordet wurden, wie Oslo und Winnenden. Begeht man schweigend den Kirchenraum und betrachtet die Vielzahl so unterschiedlicher menschlicher Schicksale, wird durch alle Gewalt hindurch konkret: Abbild Gottes ist jeder Mensch! Seine Würde, gleich ob Frau oder Mann, Freund oder Gegner, egal welcher Herkunft, Religion, Weltanschauung oder politischen Richtung, ist deshalb unantastbar. Diese fragile Würde als unser kostbarstes Gut anzuerkennen, ist eine grundlegende Voraussetzung für ein friedliches Miteinander im Kleinen und im Großen.

Ziel der vorgelegten Gebete und Gottesdienstmodelle ist es, den Mut zum Frieden zu stärken und sich zu solidarisieren. Verschiedene liturgische Formen (ökumenisches Friedensgebet, Wort-, Vesper-, Taufgedächtnis- und Predigtgottesdienst, Politisches Nachtgebet, Eucharistiefeier, Klageandacht u. a.) und zahlreiche Anlässe im Jahr laden über die Konfessionsgrenzen hinweg zum Gebet um den Frieden in all seinen Dimensionen und zum gewaltfreien Handeln ein. Friedensgestalten wie Bertha von Suttner, Janusz Korczak oder Katharina Staritz geben friedensstiftenden Haltungen ein Gesicht. Die Modelle sind als Anregung zu verstehen, mit deren einzelnen Elementen kreativ umgegangen werden darf. Ein Verzeichnis der verwendeten Schriftstellen hilft bei einer ersten Orientierung. Wünschenswert ist es, in Vorbereitung und Gestaltung die Menschen vor Ort einzubeziehen.

Herzlich danke ich Herrn Dr. Rudolf Zwank für seine stets kompetente Begleitung als Lektor. Seine Begeisterung für dieses Projekt hat mich ermutigt und ebenso wie das geduldige Verständnis meines Ehemanns durch alle Phasen der Erstellung dieses Buches getragen. Herrn Willibald Butz danke ich sehr für die hilfreiche technische Unterstützung.

Barbara Palm-Scheidgen

MENSCHEN DES FRIEDENS ERINNERN

ER NAHM DIE KINDER IN SEINE ARME UND SEGNETE SIE

ÖKUMENISCHER FRIEDENSGOTTESDIENST, AUCH FÜR JUGENDLICHE

Dieser ökumenische Friedensgottesdienst zum Thema „Kinderrechte“ kann am 20. September, dem Internationalen Tag der Kinderrechte, oder am 10. Dezember, dem Internationalen Tag der Menschenrechte, gefeiert werden.

Etwas angepasst an den jeweiligen Adressatenkreis ist er auch geeignet als Schulgottesdienst für ältere Schülerinnen und Schüler oder im Rahmen der Firmanden- oder Konfirmandenarbeit. Die Jugendlichen sollten dann an der Vorbereitung und Durchführung des Gottesdienstes beteiligt sein. Sinnvoll ist es, ein Liedblatt zu erstellen und eine musikalische Begleitung durch einen kleinen Chor und Instrumente sicherzustellen.

Kreuzzeichen

Den Namen des Vaters wollen wir ehr’n (Liederbücher)

Einführung

Eigentlich müsste ein Aufschrei durch unser Land gehen angesichts der nahezu täglichen Meldungen über das Leid von Kindern und Jugendlichen in der Welt. Doch ist es nicht leider so, dass wir oft gar nicht mehr hinhören und -sehen, wenn wieder einmal in den Medien berichtet wird, dass Kinder und Jugendliche unter Armut und Hunger leiden, auf der Flucht im Mittelmeer zu ertrinken drohen, zwangsrekrutiert werden als Kindersoldaten, dass sie auf der Straße leben, als Arbeitssklaven oder sexuell missbraucht werden? Am heutigen Internationalen Tag der Kinderrechte (oder: der Menschenrechte) soll das anders sein. Wir wollen in diesem Gottesdienst bewusst machen, dass jedes Kind, jeder junge Mensch die gleiche Würde hat wie ein erwachsener Mensch. Ein Mann, der dies bereits Anfang des 20. Jahrhunderts erkannt hat und sein ganzes Leben lang für die Umsetzung der Rechte und Bedürfnisse von Kindern gekämpft hat, war Janusz Korczak. Sein Vorbild zeigt, dass Erwachsene die Verantwortung dafür tragen, dass die menschliche Würde von Kindern nicht verletzt wird und ihre Rechte gestärkt werden.

Lied

Wie viele Straßen auf dieser Welt (Liederbücher)

Psalm

Ps 8 (Übertragung von Jörg Zink)

Hören wir einen uralten Psalm in einer Fassung von Jörg Zink, in dem jedem Menschen, vor allem auch dem kleinen Kind, eine besondere Würde in den Augen Gottes zugeschrieben wird.

Herr, unser Herrscher, wie herrlich, dass du da bist! Dein Glanz strahlt aus dem Himmel über die Welt hin.

Wenn Kinder dich anrufen,

ja wenn eben Geborene schreien,

rühmen wir dein Werk und freuen uns deiner Macht.

Da sind uns leeres Gerede die Reden der Mächtigen,

die nichts wissen als das Gesetz ihres Hasses

und das Gesetz ihrer Rache.

Wenn ich den Himmel sehe, das Werk deiner Finger,

den Mond und die Sterne, die du geformt hast –

was ist der Mensch, dass du an ihn denkst,

(was ist) das Kind eines Menschen, dass du es lieb hast?

Du hast ihm fast die Würde eines himmlischen Wesens gegeben.

Mit Schönheit und Adel hast du ihn gekrönt.

Du gabst ihm den Auftrag,

Herrscher zu sein über alles, was du geschaffen.

Alles legtest du ihm zu Füßen:

Schafe und Rinder und die wilden Tiere überall.

Die Vögel unter dem Himmel

und die Fische im Meer

und was immer im Meer sich bewegt.

Herr, unser Herrscher,

wie herrlich, dass wir dich kennen.

Wie gut, dass du da bist!

Jörg Zink – Q 1

Gebet

Vater im Himmel, du birgst in deiner unendlichen Liebe alle Menschen, Große und Kleine. Du willst nicht, dass irgendeinem oder irgendeiner die Würde genommen wird, denn du hast uns alle als deine Ebenbilder geschaffen. Wer Kinder missachtet und ihnen Leid antut, verstößt auf das Massivste gegen deinen Willen. Stärke die Einsicht, dass du die Kleinen und Schutzbedürftigen in den Mittelpunkt stellst und sie besonders wertschätzt. Darum bitten wir dich durch Christus, unseren Bruder, der mit dir lebt und liebt in alle Ewigkeit.

Lesung

Mk 10,13–16

Ansprache

Diese kleine Episode zeigt sehr eindrücklich, wie wichtig für Jesus die Kinder sind. Er respektiert und beachtet sie, die von den Großen und Mächtigen so schnell übersehen, beiseitegeschoben und missachtet werden. Für die Jünger damals zählten Kinder nicht, sie hatten zu ihrer Zeit keinerlei Rechte, standen auf der untersten Rangstufe. Mit derart unwichtigen Kleinen wollten die Jünger Jesus nicht behelligen. Überraschend eindeutig fällt Jesu Reaktion aus. Er wendet sich ganz den Kindern zu, umarmt und segnet sie. Damit zeigt er den Jüngern, wie sehr Gott Kinder liebt. Unmissverständlich stellt Jesus klar, dass das Reich Gottes für alle Menschen da ist und erst recht für die Schutzbedürftigsten, Kleinsten und Geringsten.

Erst im Jahre 1989 wurde von der Generalversammlung der Vereinten Nationen die Kinderrechtskonvention verabschiedet. So lange hat es gedauert, bis Kindern die grundlegenden Rechte auf Leben, Schutz, Bildung und Entwicklung zugestanden wurden und festgelegt wurde, dass die Menschenrechte auch für Kinder gelten. Kinder im Sinne der Konvention sind alle jungen Menschen zwischen null und 18 Jahren. Leider besteht heute immer noch sehr oft eine große Kluft zwischen den international verbrieften Kinderrechten und der Lebenswirklichkeit. In fast allen Ländern der Welt werden existenzielle Grundrechte von Minderjährigen in unterschiedlicher Weise verletzt. Besonders besorgniserregend ist, dass fast jedes zehnte Kind weltweit im Krieg lebt. So werden in der Bürgerkriegsregion Syrien den Kindern die Rechte auf Unversehrtheit, Gesundheit, Nahrung, Bildung und Leben vorenthalten. Sie werden zum Teil als Geiseln gehalten, als Kinderkrieger eingesetzt – an Schulbesuch ist fast gar nicht mehr zu denken. Schrecklich ist es, dass weltweit rund eine viertel Million Kinder von Armeen oder Milizen zu Kindersoldaten zwangsrekrutiert werden und das Töten lernen. Eine große Mitschuld an solchen unmenschlichen Praktiken, die jungen Menschen jegliche Perspektive für ein normales Leben rauben, tragen Länder durch ihre Waffenexporte – auch Deutschland und die USA. Viel zu hoch ist immer noch die Zahl der Kinderarbeiter, die oft wie Sklaven 17 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche ausgebeutet werden, z. B. in den Garküchen oder Steinbrüchen Indiens, in den Teppichknüpfereien in Nepal, als Haushaltshilfen oder als Fischfänger in Indonesien, in Goldminen auf den Philippinen. Besonders schlimme Verstöße gegen Kinderrechte sind der steigende sexuelle Missbrauch von Kindern, unter anderem durch sogenannte Sextouristen, sowie zunehmende Formen von Kinderprostitution und -pornographie durch das Internet. Was soll nur werden aus diesen vielen traumatisierten Kindern, die so viel Gewalt, Willkür und Ausbeutung erfahren anstelle von Liebe, Frieden und Geborgenheit? Wie sollen aus ihnen jemals später verantwortungsbewusste Erwachsene werden?

Mut machen können Menschen wie der große Humanist Janusz Korczak, geboren 1878 in Warschau, der gesagt hat: „Die Leiden der Kleinen sind keine kleine Leiden. Daher müssen wir ihnen helfen und ihnen zuhören.“ Er entschied sich, sein Leben ganz den Kindern zu verschreiben, um ihre Rechte durchzusetzen. Seine Karriere als Kinderarzt, Pädagoge und erfolgreicher Autor gab er auf, um sich seinen zwei Waisenhäusern zu widmen. Dort setzte er ein für die damalige Zeit revolutionäres Erziehungssystem um, das den Kindern das Recht auf Meinungsfreiheit, Beteiligung und Versammlung einräumte. Nach seiner Überzeugung mussten Kinder geachtet und geliebt werden. Seine Liebe zu den Kindern war so groß, dass er am 5. August 1942 freiwillig den Zug in das Vernichtungslager Treblinka bestieg – zusammen mit den 200 Kindern aus seinem inmitten des jüdischen Ghettos in Warschau gelegenen Waisenhaus. Obwohl er Gelegenheit bekam, sein eigenes Leben zu retten, verließ er seine Schützlinge nicht, sondern versuchte vielmehr, ihnen beizustehen und ihre Angst zu mindern. Er begleitete sie bis hinein in die Gaskammer.