Inhaltsverzeichnis

Zum Buch

 

Frauen aus allen Schichten und Epochen versammelt dieser Streifzug durch die letzten 900 Jahre: Adelige, Kirchenfrauen, Verbrecherinnen, Revolutionärinnen, Wissenschaftlerinnen, Wohltäterinnen und Politikerinnen begegnen einem ebenso wie Stars und Stilikonen. Viele wurden bereits von Zeitgenossen bewundert, geschmäht oder verurteilt; andere gewannen erst in den Augen der Nachwelt Bedeutung. Ihre Lebensläufe verdichten sich zu einer etwas anderen badischen Geschichte. Die Kurzbiografien – von den Gemahlinnen der Markgrafen von Baden über Verfassungsrichterin Erna Scheffler und Terroristin Brigitte Mohnhaupt bis hin zu Verlegerin Aenne Burda – konzentrieren sich auf die Bedeutung der Protagonistinnen für die politische Entwicklung der Region und der Gesellschaft; dabei werden sie in historische Zusammenhänge eingeordnet.
Ein unterhaltsamer geschichtlicher Streifzug!

 

 

 

Zur Autorin

 

Annette Borchardt-Wenzel, geb. 1962, ist seit 1987 Redaktionsmitglied der „Badischen Neuesten Nachrichten“ (BNN), heute Redaktionsleiterin von DER SONNTAG (hrsg. von den BNN).

 

 

 

 

Annette Borchardt-Wenzel

 

Frauen in Baden

Ein biografischer Streifzug durch die Geschichte

 

 

 

 

 

 

 

 

Verlag Friedrich Pustet
Regensburg

Impressum

 

 

 

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Angaben sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

 

eISBN 978-3-7917-6129-9 (epub)
© 2018 by Verlag Friedrich Pustet, Regensburg
Umschlaggestaltung: Heike Jörss, Regensburg
eBook-Produktion: Friedrich Pustet, Regensburg

 

Diese Publikation ist auch als Printprodukt erhältlich:
ISBN 978-3-7917-2831-5

 

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Vorneweg …

Um badische Geschichte soll es gehen. Und es wäre schön, wenn Frauen vorkommen … Das sind oft die Anliegen, wenn ich um Vorträge gebeten werde. Vor allem, wenn Frauengruppen auf der Suche nach einer Referentin sind. Aber auch Veranstalter, die gemischte Zielgruppen bedienen, sind historischen Frauengestalten keineswegs abgeneigt.

Die Zeiten, in denen es als ausgemachte Sache galt, dass „große Männer“ Geschichte machen, sind vorbei. Trotzdem dominieren Männer klar in den Geschichtsbüchern. Wer das Personenregister von Überblicksdarstellungen zur politischen Geschichte überfliegt, wird auch ab und zu einen Frauennamen finden. Aber eben nur „ab und zu“. Man kann es den Historikern nicht verübeln. Bis weit ins 20. Jahrhundert hinein wurde Frauen eine untergeordnete Stellung zugewiesen. Wenn sie politisch oder gesellschaftlich agierten, dann – mit wenigen Ausnahmen – aus der zweiten Reihe heraus. Je knapper eine Darstellung, desto weniger Beachtung finden zwangsläufig die Menschen, die an der Seite oder hinter den Alpha-Persönlichkeiten stehen. Selbst dann, wenn sie deren Tun stützen, überhaupt erst ermöglichen oder auch – im Gegenteil – hintertreiben.

Es wäre schön, wenn Frauen vorkommen … Ich fragte mich, ob es möglich sei, badische Geschichte einmal anders zu erzählen. Nicht als „Frauengeschichte“ im Sinne der 1970er-Jahre, als es feministischen Historikerinnen der ersten Generation vor allem darum ging, dem unsichtbaren und unterdrückten Teil der Gesellschaft eine Stimme zu geben. Es gab ja zu allen Zeiten Frauen, die wir heute als „Medienereignisse“ bezeichnen würden, auch wenn sie später meist in den Fußnoten verschwanden: Regentinnen und Revolutionärinnen, Heilige und Verbrecherinnen, Wissenschaftlerinnen und Wohltäterinnen, Täterinnen und Opfer, aber auch Ehefrauen mächtiger Männer, Mätressen, Schöne und Reiche. In diesem Buch sind Frauen versammelt, die Gesprächsthema waren – manche im eher lokalen Rahmen, andere weit über Baden hinaus. Einige wenige gewannen erst im Gedächtnis der Nachwelt an Bedeutung – interessant ist die Frage: Warum?

Lassen sich anhand von solchen weiblichen „Medienereignissen“ Grundzüge der badischen Geschichte aufzeigen? Es ist den Versuch wert. Persönlichkeiten, die von ihren Zeitgenossen als „ungewöhnlich“, „herausragend“ oder „gefährlich“ eingeschätzt wurden, werfen ja ein bezeichnendes Licht auf die jeweilige Epoche.

Eine weitere Frage, die mich umtrieb: Hat es überhaupt Sinn, Kurzbiografien aneinanderzureihen? Es gibt sie schließlich wie Sand am Meer. In vielbändigen Reihen wie den Badischen Biographien, den Baden-Württembergischen Biographien, den Lebensbildern aus Baden-Württemberg und in vielen anderen wissenschaftlichen sowie populären Werken zu den verschiedensten Themenkomplexen. Und natürlich findet man jede Menge Kurzbiografien (von sehr unterschiedlicher Qualität) im weltweiten Netz: in der freien Internet-Enzyklopädie Wikipedia ebenso wie in Informationssystemen, die von wissenschaftlichen Institutionen getragenen werden – in Baden-Württemberg etwa leo-bw.de.

Dieser Streifzug durch die badische Geschichte führt ein Stück weit weg von klassischen Kurzbiografien: Die Vitentexte konzentrieren sich auf diejenigen Lebensereignisse, die im Zusammenhang mit der Geschichte der Region von Bedeutung sind oder bezeichnend für gesellschaftliche Entwicklungen. Auf Lebensdaten, Verwandtschaftsverhältnisse, die Chronologie der Geschehnisse, Werke und Würdigungen hingegen gehe ich nur ein, wo es aus Verständnisgründen erforderlich scheint.

Andererseits stehen die Kurzbiografien nicht isoliert nebeneinander. Sie sollen sich auf unterhaltsame Art zu einer etwas anderen badischen Geschichte verdichten und werden in die historischen Zusammenhänge eingeordnet. Denn gerade bei Frauenbiografien ist die Versuchung groß, die eigenen politischen und emanzipatorischen Identitätswünsche in eine anders tickende Vergangenheit zu projizieren. Mit diesem Buch möchte ich nicht nur zur Beschäftigung mit der badischen Geschichte und mit faszinierenden Frauen ermuntern, sondern auch dazu, sich auf die strukturelle Andersartigkeit früherer Epochen einzulassen. Das ist eine Herausforderung. Doch die Auseinandersetzung mit der eigenen und zugleich fremden Vergangenheit macht Geschichte erst richtig spannend!

Neben Einzelpersönlichkeiten begegnet man in diesem Buch auch Frauengruppen, die von sich reden machten, nicht aber Malerinnen, Musikerinnen oder Literatinnen. Künstlerinnen einzubeziehen hätte den Rahmen des Bandes gesprengt.

Zeitlich führt dieser Streifzug durch rund 900 Jahre; räumlich konzentriert er sich auf das Gebiet, das im frühen 19. Jahrhundert zum Großherzogtum Baden zusammengeschweißt wurde. Ein gelegentliches Überschreiten der Grenzen behalte ich mir vor. Frauen in Baden waren nicht selten Grenzgängerinnen.

 

Annette Borchardt-Wenzel,

im Februar 2018

Mittelalter

Damen aus besten Familien

Judith – eine verlassene Ehefrau

Im Jahr 1073 ließ ein Markgraf namens Hermann seine Gemahlin Judith mit dem gemeinsamen Sohn sitzen. Doch die verlassene Ehefrau weinte weder, noch zürnte sie. Und Hermann I. begab sich auch nicht in die Arme einer anderen Frau, sondern nach Cluny, ins damals berühmteste Kloster des Abendlands. Er wollte sein Leben Gott weihen und Knechtsdienste verrichten.

Judith war eine moderne Frau. Eine von denen, die aus innerster Überzeugung einem reformorientierten Frömmigkeitsideal anhingen. Für die Weltflucht ihres Gemahls hatte sie Verständnis. Vermutlich war sie sogar stolz auf seinen radikalen Schritt. Auch die Nachfahren des frommen Paares, die Markgrafen von Baden, haben es Hermann nicht verübelt, dass er Weib und Kind verließ, um in Burgund nach Selbstheiligung zu streben. Im Gegenteil: Ein aufstrebendes Adelshaus konnte sich kaum einen würdigeren Stammvater wünschen als einen vornehmen Herrn, der aus freien Stücken auf weltlichen Besitz verzichtete und sich der strengen klösterlichen Disziplin unterwarf, für die Cluny bekannt war.

Markgraf Hermann († 1074) stammte aus einer mächtigen Sippe, deren Machtzentrum zwischen Neckar und Schwäbischer Alb lag und die zudem im Breisgau und in der Ortenau Herrschaftsrechte besaß. Er trug den Titel eines Markgrafen von Verona (in Italien), den er von seinem Vater, Berthold mit dem Bart, übernommen hatte. Der bärtige Berthold, von dem nicht nur die Markgrafen von Baden, sondern auch die Herzöge von Zähringen abstammten, dürfte große Pläne mit diesem Sohn gehabt haben. Er verheiratete ihn mit Judith, die wahrscheinlich jenen Besitz am nördlichen Rande des Schwarzwalds mit in die Ehe brachte, der später die territoriale Grundlage der Markgrafschaft Baden bilden sollte. Wie über viele andere vornehme Frauen ihrer Zeit ist über Judith wenig bekannt.

Hermann I. von Verona machte die väterlichen Pläne zunichte, als er sich für ein Leben in Armut entschied. Das karge Leben in Cluny – er soll dort die Schweine gehütet haben – hielt er nicht lange durch. Ein knappes Jahr nach seinem Eintritt ins Kloster starb er.

Die verlassene Ehefrau nahm seinen Tod in christlicher Demut hin. Als junge Witwe unterstützte sie die vom Kloster Hirsau ausgehende, an Cluny orientierte Reformbewegung nach Kräften. Ihr Leben endete 1091 in Salerno, wo sie sich im Umfeld Papst Urbans II. aufhielt. Möglicherweise hatte die Markgräfin diesen Aufenthaltsort im Gedenken an ihren Gemahl gewählt: Der Heilige Vater war zuvor Mönch und Prior in Cluny gewesen.

Die Familie „von Baden“. Zu Lebzeiten Hermanns I. und seiner Frau Judith war von „badischen“ Markgrafen noch keine Rede. Das änderte sich, als der ebenfalls Hermann genannte Sohn des frommen Paares um 1100 hoch über dem alten Römerort Baden (heute: Baden-Baden) die Burg Hohenbaden errichten ließ. Obwohl sich die Markgrafenfamilie dort zunächst nicht allzu häufig aufhielt, benannte sie sich fortan bevorzugt nach diesem Herrschaftssitz „von Baden“. Die erste Urkunde, in der Hermann II. als „Markgraf von Baden“ auftaucht, stammt aus dem Jahr 1112.

Judith „von Backnang“ – Herrschaftsausbau am Mittleren Neckar

Auch wenn Hermann II. († 1130) am Rande des nördlichen Schwarzwalds die namengebende Burg erbauen ließ, war noch nicht abzusehen, dass die Zukunft Badens am Ober- und Hochrhein liegen würde. Vielmehr zeigten die frühen Markgrafen Interesse an einem Herrschaftsausbau am Mittleren Neckar. Hermann II. vermählte sich denn auch mit einer Frau, die vermutlich Backnang mit in die Ehe brachte. Sie hieß Judith, wie Hermanns Mutter.

Backnang erhielt für die Markgrafen von Baden besondere Bedeutung, denn Hermann und seine Judith gründeten dort 1122 das Augustiner-Chorherrenstift St. Pankratius. Es diente der Familie „von Baden“ bis in die Mitte des 13. Jahrhunderts als Grablege.

Drum prüfe, wer sich ewig bindet: Heiratspolitik

Es war das Zeitalter der Minnelieder und der ritterlich-höfischen Kultur. Bei der Wahl ihrer Ehefrauen und Schwiegertöchter ließen sich adelige Herren allerdings nicht von hohen Idealen und schon gar nicht von Zuneigung leiten. Was auf den Prüfstand kam, war vor allem der familiäre Hintergrund der potenziellen Braut. Gerne genommen wurden Damen, deren Verwandtschaft Vorteile fürs eigene Haus versprach. Markgraf Hermann III. von Baden († 1169) etwa heiratete eine Frau namens Berta. Sie soll eine Stauferin gewesen sein und entstammte demnach einem Geschlecht, das römisch-deutsche Könige und Kaiser hervorbrachte. Von dieser Verwandtschaft gedachten die badischen Markgrafen zu profitieren.

Zudem nahm man vor einer Verlobung penibel die Besitzverhältnisse und mögliche Erbansprüche der potenziellen Braut unter die Lupe. Kluge Eheschließungen konnten über die Zukunft ganzer Geschlechter entscheiden.

Freilich waren die Heiratsgeschäfte, bei denen bereits über Kleinkinder verfügt wurde, sehr konfliktträchtig. Manche Ehe wurde überhaupt nur geschlossen, weil sich die Kuppler auf diesem Weg den Besitz der angeheirateten Verwandtschaft anzueignen gedachten. Die Heiratspolitik gehörte neben kriegerischen Auseinandersetzungen und mächtigen Verbündeten zu den wichtigsten Stellschrauben beim Herrschaftsausbau adeliger Familien.

Zumindest nicht zum Nachteil gereichte Bildung den adeligen Heiratskandidatinnen in der schriftarmen Zeit: Da edle Herren viel Zeit auf Kriegszügen verbrachten, schätzten sie Gemahlinnen, die in der Lage waren, ihre Stellvertretung zu übernehmen. Die Talente der Damen als Regentinnen waren zudem für den Fall gefragt, dass der Ehemann starb und die Söhne noch minderjährig waren.

Irmengard – die „Gute Frau“

Ein vielversprechendes Geschäft war auch die Heirat Hermanns V. von Baden (um 1175–1242/43) mit Irmengard (um 1200–1260): Die Braut war eine Tochter Herzog Heinrichs von Braunschweig, des welfischen Pfalzgrafen bei Rhein. Dessen einziger als Erbe in Frage kommender Sohn starb jung – und die Pfalz war neu zu vergeben. Man durfte davon ausgehen, dass einer von Heinrichs Schwiegersöhnen den Zuschlag erhalten würde. In Frage kamen Hermann von Baden und Otto von Wittelsbach (1206–1253), der freilich noch ein Kind war: Der Bayer war mit Blick auf die sich in der Pfalzgrafschaft eröffnenden Möglichkeiten bereits als Sechsjähriger mit Irmengards Schwester Agnes (um 1202–1267) verlobt worden.

Die Entscheidung lag bei König Friedrich II., der zwischen zwei seiner Parteigänger wählen musste. Dabei zog der badische Markgraf den Kürzeren: Der Staufer entschied zugunsten des Wittelsbachers. Damit nahm die Länderverbindung von Bayern und der späteren Kurpfalz ihren Anfang.

Den wegen des entgangenen Erbes tief enttäuschten Badener suchte Friedrich II. anderweitig zu entschädigen. Er schenkte ihm die Stadt Durlach, übertrug ihm Ettlingen zu Lehen und verpfändete ihm Lauffen, Sinsheim und Eppingen. Auch die Stadt Pforzheim, die bis dahin in staufischer Hand gewesen war, fiel in dieser Zeit an die Badener.

Mit dem Erwerb von Durlach, Ettlingen und Pforzheim begann sich das badische „Kernland“ herauszukristallisieren. Die Besitztümer der Markgrafen am Mittleren Neckar gerieten hingegen allmählich ins Abseits.

 

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Abb. 1:
Markgräfin Irmengard gründete das Zisterzienserinnenkloster Lichtenthal, das zur neuen Grablege des Hauses Baden wurde. Ihr eigenes Grabmal entstand um 1340/50.

 

Hermann V. von Baden blieb ein unbeirrbarer Parteigänger Friedrichs II.: Er folgte dem Staufer in sein italienisches und sizilisches Reich, nahm an einem Kreuzzug teil und geriet zeitweise in arabische Gefangenschaft. In Deutschland verfocht er die Interessen des Kaisers gegen dessen aufständischen Sohn Heinrich. Markgräfin Irmengard hat die auf Macht- und Besitzgewinn ausgerichtete Politik sowie die nicht eben friedliche Lebensweise ihres Gemahls offenbar mitgetragen – und damit die Erwartungen erfüllt, die man an eine brave Ehefrau stellte. Das Epos von der „Guten Frau“, eine anonyme niederalemannische Erzählung aus der Zeit um 1230, berichtet von einem vollkommenen Fürstenpaar, das vermutlich Hermann und Irmengard von Baden nachempfunden ist. In dem Werk wird der ritterliche Tugendkatalog mit zeittypischen Frömmigkeitsidealen verknüpft.

Auch die reale Irmengard fühlte sich den religiösen Strömungen ihrer Zeit tief verbunden. Heute ist sie vor allem als die Gründerin des Zisterzienserinnen-Klosters Lichtenthal am Rande der Stadt Baden-Baden bekannt (mehr dazu unten).

Stuttgart – eine badische Hochzeitsgabe. Während man sich mit einer Ehefrau idealerweise neue Besitztümer, Vermögen oder interessante Anwartschaften einhandelte, konnte die Verheiratung von Töchtern und Schwestern mit beträchtlichen Aufwendungen verbunden sein. Auf diesem Weg verloren die Markgrafen Stuttgart, das nach neueren Forschungen eine badische Gründung war und wohl unter Hermann V. zur Stadt erhoben wurde. Stuttgart gehörte zum Heiratsgut von Hermanns Tochter Mechthild (Mathilde), die mit Graf Ulrich I. von Württemberg vermählt wurde.

Eine goldene Braut und eine Grafentochter aus der Provinz

Kühl kalkulierend mischten die Markgrafen von Baden auf dem Heiratsmarkt mit. Oft lässt bereits die Herkunft der Bräute erahnen, welches politisch-dynastische Ziel mit der jeweiligen Eheschließung verfolgt wurde. So heiratete einer von Irmengards Söhnen, Hermann VI. († 1250), die Herzogin Gertrud von Österreich, eine Babenbergerin. Das war ein großer Coup, der diesem Markgrafen den österreichischen Herzogstitel einbrachte. Das Haus Baden hat von der goldenen Braut allerdings nicht lange profitiert: Hermann von Österreich starb schon wenige Jahre nach seiner Heirat; er hinterließ einen erst ein Jahr alten Sohn namens Friedrich. Dem sollte die alte Anhänglichkeit der Badener zu den Staufern zum Verhängnis werden: Der junge Friedrich wurde mit Konradin, dem letzten Staufer, 1268 in Neapel hingerichtet. Damit erlosch dieser Zweig der badischen Familie.

Markgraf Rudolf I., ein anderer Sohn Irmengards, schloss eine viel weniger glanzvolle, aber mit Blick auf den regionalen Herrschaftsausbau weitsichtige Ehe: Er verband sich mit Kunigunde von Eberstein († 1284). Sie entstammte einem Grafengeschlecht, dessen Name mit der Erschließung und Besiedelung des Nordschwarzwaldes eng verbunden ist. Für die Badener waren die benachbarten Ebersteiner, die sich im Murgtal, im Albtal und im Kraichgau als Stadt- und Klostergründer einen Namen gemacht hatten, direkte Konkurrenten.

Nur einen Katzensprung lag die Burg Eberstein (Alt-Eberstein) von Hohenbaden entfernt. Kunigunde brachte nun die Hälfte der Stammburg ihrer Familie in die Ehe ein – später gelang es Markgraf Rudolf, die andere Hälfte käuflich zu erwerben. Die Grafen von Eberstein hatten inzwischen zwar eine neue Burg oberhalb von Gernsbach bezogen, doch war ihre große Zeit abgelaufen. Nach und nach wurden sie von der badischen Verwandtschaft verdrängt. 1660 erlosch das einstmals bedeutende Geschlecht.

Agnes – die Gefangene von Burg Eberstein

Politisch-dynastische Nützlichkeitserwägungen waren selbstverständlich auch ausschlaggebend, wenn die Markgrafen ihre Töchter und Schwestern verkuppelten. Die Frauen hatten persönliche Wünsche hintanzustellen; die Ehre ihrer Herkunftsfamilie verlangte zudem, dass sie strikten Gehorsam und tugendhaftes Verhalten an den Tag legten. Damen, die diesen Erwartungen nicht entsprachen – wie Agnes von Baden (1408–1473) –, durften keine Nachsicht erwarten.

Agnes war 23 Jahre alt, als ihr Vater, Markgraf Bernhard I., starb. Dass sie in diesem Alter noch ledig war, erstaunt, zumal ihre Schwestern sehr jung vermählt worden waren, eine ausgenommen, die ins Kloster ging. Auch Agnes’ Bruder, Markgraf Jakob I. (1407–1453), war bereits als Eineinhalbjähriger verlobt worden – er machte mit Katharina von Lothringen eine glänzende Partie. Für seine Schwester arrangierte Jakob kurz nach seinem Regierungsantritt eine Heirat, die die junge Markgräfin weit von ihrer Heimat wegführen sollte. Ihr Bräutigam war der 28-jährige Herzog Gerhard VII. von Schleswig.

 

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Abb. 2:
Vom eigenen Bruder verbannt: Die skandalumwitterte Agnes, Markgräfin von Baden und Herzogin von Schleswig, wurde fast 40 Jahre lang auf der Burg Alt-Eberstein gefangen gehalten.

 

Die Eheabrede, in der unter anderem Agnes’ Mitgift, die von Gerhard zu entrichtende Morgengabe sowie die Witwenversorgung festgelegt wurden, fand in Ettlingen statt. Ein Heiratsgeschäft war eine zeitaufwändige Angelegenheit; im Falle von Agnes und Gerhard wurde das Programm jedoch ungewöhnlich schnell abgespult. Die Braut kam Anfang Juni 1432 im holsteinischen Neumünster an, dort wurden am 2. und 3. Juni die Heiratsurkunden ausgefertigt, die auch Gerhards älterer Bruder, Herzog Adolf VIII. (1401–1459), siegelte. Eine offizielle Hochzeitsnacht mit den zugehörigen Zeremonien gab es zunächst jedoch nicht, vermutlich, weil der Bräutigam noch durch einen Krieg gegen Dänemark gebunden war. Seine Frau wartete in Schloss Gottorf bei Schleswig auf ihn. Offiziell begann ihre gemeinsame Hofhaltung – „der rechte hoff“ – erst Anfang Oktober.

Gut drei Monate später, am 15. Januar 1433, stürzte die schwangere Herzogin – wahrscheinlich von einer Treppe. Die Wehen setzten ein und am nächsten Tag brachte Agnes ein gesundes Zwillingspärchen zur Welt. Nun bedurfte es keiner tieferen Kenntnisse über die Geheimnisse der menschlichen Fortpflanzung, um zu wissen, dass im Oktober gezeugte Kinder bei einer Frühgeburt im Januar nicht lebensfähig sein konnten. Gerüchte kamen auf, dass die Badenerin dem Herzog Kuckuckskinder untergeschoben habe. Der „Zwillingssturz von Gottorf“ war eine Peinlichkeit ohnegleichen – nicht nur für Agnes, sondern auch für ihre Herkunftsfamilie und erst recht für ihren Gemahl und sein Haus, die stolzen Schauenberger.

Agnes hatte Glück – ihr Mann stand zu ihr. Im Beisein seines Bruders Adolf gab er eine Ehrenerklärung für die Herzogin ab. Im Schloss Gottorf wurde eine Versammlung von Geistlichen, Rittern, Bürgermeistern und Räten der Städte in Schleswig und Holstein sowie von Vertretern der Hansestädte Lübeck und Hamburg einberufen. Vor ihnen, der Beamtenschaft und dem Hofstaat erklärte Herzog Gerhard, dass seine Ehe schon vor Beginn der gemeinsamen Hofhaltung vollzogen worden sei. „Von der Stunde an, als sie ihm angetraut war“ – also unmittelbar nach der Hochzeit im Juni –, habe er Agnes gegen den Brauch „heimlich beschlafen und wahrlich (als) Jungfrau gefunden“. Über dieses Geschehen habe er sich nach dem Geschlechtsakt mit einigen seiner Ritter unterhalten – was diese bereitwillig bestätigten.

Damit auch letzte Zweifel an der „Echtheit“ der Zwillinge, also ihrer Legitimität, ausgeräumt wurden, sollten Sachverständige – weise Frauen, Heilkundige und Ärzte – die Herzogin untersuchen. Die Delegation – alles in allem handelte es sich um über 20 „ganz lobenswerte biedere Frauen“ – begab sich in die Wochenstube. Sie versicherten anschließend unter Eid, dass die Geburt der Zwillinge „mit Gott und in Ehren geschehen“ sei. Weil die Herzogin „sich weh getan“ habe, sei die Niederkunft bereits nach sieben statt nach neun Monaten erfolgt. Auch andere Frauen, so beteuerten die „Expertinnen und Experten“, hätten nach einer um zwei Monate verkürzten Schwangerschaft gesunde Kinder zur Welt gebracht.

Die „Echtheitserklärung“ der Zwillinge wurde unter anderem im Schleswiger Dom wiederholt. Festgehalten wurde der Verlauf dieser bedeutsamen Staatshandlung auf Wunsch der Herzöge Gerhard und Adolf in einer Pergamenturkunde, die mit den Siegeln der Bischöfe von Schleswig und Lübeck versehen ist. Damit schien die blamable Angelegenheit ausgestanden. Doch nun schlug das Schicksal zu.

Herzog Gerhard erkrankte. Da die Ärzte mit ihrer Kunst bald am Ende waren, überredete Agnes ihren Gemahl, mit ihr in ihre badischen Heimat zu fahren – sie hoffte wohl auf die heilenden Wasser von Baden-Baden. Auf dem Weg nach Süden verschlechterte sich der Zustand des Herzogs dramatisch. Er starb im Juli 1433 in Emmerich.

Seine Witwe eilte nach Schleswig zurück, um ihre Rechte zu wahren – doch der nunmehr allein regierende Adolf VIII. verweigerte ihr die Einreise. Zudem lehnte Gerhards Bruder es strikt ab, seiner Schwägerin die vereinbarte Witwenversorgung zukommen zu lassen. Durch die Geburt ihrer Bastarde habe sie die Ehre seines Hauses verletzt und ihre Ansprüche verwirkt – Adolf wollte nichts mehr davon wissen, dass er die Echtheitserklärung für die Zwillinge mit auf den Weg gebracht hatte. Agnes begab sich zunächst nach Hamburg und dann nach Lübeck, wo sie alle Hebel in Bewegung setzte, um doch noch zu ihrem Wittum zu kommen. Ihre Lage war prekär: In mehreren Briefen bat die „arme, elende Schwester“ ihren „herzlieben Bruder“, den Markgrafen von Baden, um finanzielle Unterstützung.

Agnes’ Kinder überlebten die Streitigkeiten zwischen ihrer Mutter und ihrem Onkel nicht. Herzog Adolf ließ das noch nicht einmal ein Jahr alte Mädchen als Nonne einkleiden – die Kleine starb bald darauf im Kloster. Ihr Zwillingsbruder soll beim Spielen ertrunken oder – einer niederdeutschen Chronik zufolge – auf Geheiß Adolfs VIII. ertränkt worden sein.

Von Baden aus zog derweil Markgraf Jakob die Fäden. Zwar war er selbst seinen Verpflichtungen gegenüber den Schauenburgern nicht nachgekommen – als die erste Rate von Agnes’ Mitgift fällig geworden war, konnte er nicht zahlen, weil er gerade einen kostspieligen Feldzug gegen die Herren von Geroldseck führte –, doch er pochte auf Agnes’ Ansprüche. Schon aus Prestigegründen lag ihm daran, dass seine Schwester in ihrem sozialen Milieu verbleiben konnte. Der Badener verfügte über ein gut funktionierendes Patronage-System. Unter anderem waren die Hansestädte sowie der Kaiser mit Agnes’ Fall befasst. Die Sache schien aus badischer Sicht recht günstig zu stehen, als Agnes, die mit den Nerven offenbar am Ende war, sich auf den Weg nach Süden machte. Durch die Heimkehr der skandalumwitterten Witwe sah ihr Bruder seine Position geschwächt. Ein neues Heiratsprojekt sollte die Situation retten.

Den Plan hatte ein Bischof ausgeheckt: Agnes sollte mit dem Herzog von Schlesien-Oels vermählt werden, und dessen Schwester würde Agnes’ Widersacher Adolf von Schleswig heiraten. Dabei wollte man die Ansprüche der Bräute miteinander verrechnen. Demnach würde der hochverschuldete Adolf die Morgengabe und das Wittum seiner Schwägerin einbehalten und dafür auf das Leibgeding seiner Braut verzichten, das bei Agnes’ künftigem Gemahl bleiben sollte.

Dem Markgrafen von Baden gefiel der Verrechnungsvorschlag. Allein, Agnes spielte nicht mit. Sie hatte sich nach ihrer Rückkehr nach Baden auf einen Flirt mit Hans von Höwen, einem verarmten Adeligen aus dem Hegau, eingelassen. Wieder brodelte die Gerüchteküche. Für viele Lästermäuler lag es auf der Hand, dass Hans von Höwen und Agnes sich schon vor der Heirat der Markgräfin besser gekannt hatten, als die Schicklichkeit es zuließ. Demnach wäre der Ritter aus dem Hegau der Erzeuger von Agnes’ angeblichen Siebenmonatskindern gewesen – und nicht der bedauernswerte Gerhard von Schleswig.

Markgraf Jakob war empört darüber, dass Agnes ihre eigenen Wünsche über die Interessen ihrer Familie stellte. Er ahndete ihr unwürdiges Verhalten, indem er seine unbotmäßige Schwester auf Burg Eberstein einsperren ließ. Dort starb Agnes von Baden nach nahezu 40-jähriger Gefangenschaft.

Fromme Frauen

Der himmlische Bräutigam

Die Alternative zu einem von der Familie ausgewählten Ehemann aus Fleisch und Blut war der himmlische Bräutigam. Sich ihm anzuvertrauen war für Frauen des Mittelalters eine durchaus attraktive Option: Das keusche Leben und die Askese aus religiöser Motivation standen in der gesellschaftlichen Wertschätzung höher als das Dasein einer Ehefrau. Im Einzelfall mag auch die Sehnsucht nach wirtschaftlich-sozialer Geborgenheit oder der Abscheu vor einem aufgezwungenen Ehemann eine Rolle gespielt haben, wenn eine Adelige den Schleier nahm – im Kern jedoch äußerte sich in der Armuts- und Frömmigkeitsbewegung des 12. und 13. Jahrhunderts ein tief empfundenes religiöses Bedürfnis. Dieses Phänomen zu verstehen fällt in der säkularen Gesellschaft des 21. Jahrhunderts schwer. Heute ist die Vorstellung verbreitet, dass Frauen, für die sich kein Mann fand oder die ihrer Familie aus anderen Gründen zur Last fielen, „ins Kloster abgeschoben“ wurden.

Tatsächlich war es für Frauen, die sich berufen fühlten, in der Nachfolge Christi zu leben, gar nicht so einfach, ein Plätzchen in einer anerkannten Gemeinschaft zu finden. Das größte Problem bestand seit den Zeiten des heiligen Benedikt (um 480–547) darin, dass „Frauen keine Männer sind“. Für Männer hatte Benedikt von Nursia, der mit „ora et labora et lege“ (Bete, arbeite und lies) die Grundlage des abendländischen Klosterwesens legte, seine Regel formuliert – und nur Männern war es nach damaligen Vorstellungen möglich, die Regel einzuhalten. Auch Benedikts Schwester Scholastika, die oft als die erste Benediktinerin bezeichnet wird, hat wohl nie einer klösterlichen Gemeinschaft angehört. Sie lebte zwar als „Gottgeweihte“, aber im Schutze ihrer Familie.

Obwohl die Damen auferlegten Verhaltensnormen der Entstehung von religiösen Frauengemeinschaften entgegenstanden, setzte sich die Idee durch. Die frühen Frauenklöster zeichneten sich durch eine erstaunliche Vielzahl der Lebensformen aus. Die zur Normierung neigende karolingische Gesetzgebung bereitete dieser Vielfalt jedoch ein Ende: Frauengemeinschaften sollten sich entweder an eine auf weibliche Belange angepasste Benediktregel halten oder eine stiftische Lebensform wählen.

Lioba von Tauberbischofsheim – die Heilige aus England

Zu den namhaften Klosterfrauen des frühen Mittelalters gehörte Lioba von Tauberbischofsheim († um 782/789). Die über ihre Mutter mit Bonifatius, dem „Apostel der Deutschen“, verwandte Dame stammte wohl aus adeligem angelsächsischen Geschlecht.

Lioba war, wie aus einem ihrer Briefe an Bonifatius hervorgeht, das einzige Kind ihrer Eltern und wurde offenbar schon in zarten Jahren zur Erziehung ins Doppelkloster Wimborne in Wessex gebracht. Dort wirkte sie später selbst als Lehrerin, ehe sie gemeinsam mit einigen Gefährtinnen um 735 dem Ruf des Bonifatius nach Germanien folgte.

Der Missionserzbischof übertrug Lioba die Leitung des neu gegründeten Frauenklosters Tauberbischofsheim, das sich an benediktinischen Idealen orientierte. Das Kloster, in dem vor allem Frauen und Töchter des örtlichen Adels unterrichtet wurden, entwickelte sich unter der tatkräftigen Äbtissin rasch zu einem bedeutenden Kulturzentrum im unteren Maintal. Im Umkreis entstanden zudem mehrere Tochtergründungen, auf die Lioba ein scharfes Auge warf.

Über die Äbtissin kursierten Wundergeschichten. So soll sie eine verheerende Feuersbrunst in Tauberbischofsheim in den Griff bekommen haben. Die Löschversuche der Bewohner schienen hoffnungslos, weil der Wind die Flammen immer aufs Neue entfachte. Lioba aber schüttete der Legende zufolge Salz, das der heilige Bonifatius einst geweiht hatte, in den nahe gelegenen Fluss. Mit dem derartig veredelten Löschwasser gelang es in kürzester Zeit, das Feuer zu besiegen.

 

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Abb. 3:
Sie soll eine verheerende Feuersbrunst in den Griff bekommen haben: Lioba von Tauberbischofsheim. – Bleiglasfenster in der katholischen Kirche Saint-Louis in Bordeaux (Lioba rechts).

 

Im hohen Alter zog sich die Äbtissin nach Schornsheim bei Mainz zurück. Dort hatte ihr Karl der Große auf Lebenszeit eine Kirche mit Gut überlassen. Nach Liobas Tod wurde ihr Leichnam einem Wunsch des längst verstorbenen Bonifatius ( 754) entsprechend nach Fulda überführt und in der Nähe seines Grabes bestattet. Dort stellten sich bald erste Pilger ein, und bereits 836 wurde Lioba heiliggesprochen. In Tauberbischofsheim wird sie als Stadtpatronin verehrt.

Säckingen – ein Staat der Damen. Auf der Rheininsel Säckingen war mit königlicher Unterstützung im 7. oder 8. Jahrhundert ein vornehmer Frauenkonvent entstanden. Seine Regel wurde als die eines „weltlichen Stifts“ bezeichnet. Es handelte sich um eine höchst exklusive Institution: Aufgenommen wurden im Chorfrauenstift St. Fridolin bis ins 15. Jahrhundert hinein nur freiadelige Töchter. Später bekamen auch Frauen aus dem Dienstadel Zugang.

In Damenstiften lebende Chorfrauen oder Kanonissen hatten religiöse Pflichten, doch lebten sie nach einer viel weniger strengen Regel als Benediktinerinnen. Mindestens ebenso wichtig wie das religiöse Leben war ihnen ein standesgemäßes Dasein. So verfügten die Säckinger Chorfrauen über Dienstboten und ihre Kleidung orientierte sich nicht am Nonnenhabit, sondern an der höfischen Mode.