Zum Buch

 

Maximilian Graf von Montgelas war der entscheidende Mann hinter König Max I. Joseph. Mit diplomatischem Geschick führte er Bayern durch die Wirren der Napoleonischen Zeit. Seine tiefgreifenden Reformen machten ihn zum „Architekten des modernen Bayern“.

Die fundierte Darstellung der Laufbahn Montgelas erfasst der Autor durch zahlreiche Einzelaspekte und durch Kurzbiografien wichtiger Zeitgenossen Montgelas’. Eine Fülle von Zitaten und mehrere – auch farbige – Abbildungen vermitteln Lebendigkeit und die Atmosphäre der Zeit. Eine ausführliche Zeittafel rundet die Darstellung ab.

 

 

 

Zum Autor

 

Marcus Junkelmann,
Dr. phil., geb. 1949, ist Militärhistoriker, freischaffender Experimentalarchäologe und (Landes-)historiker.

Biografien machen Vergangenheit lebendig: Keine andere literarische Gattung verbindet so anschaulich den Menschen mit seiner Zeit, das Besondere mit dem Allgemeinen, das Bedingte mit dem Bedingenden. So ist Lesen Lernen und Vergnügen zugleich.

Dafür sind gut 100 Seiten genug – also ein Wochenende, eine längere Bahnfahrt, zwei Nachmittage im Café. Wobei klein nicht leichtgewichtig heißt: Die Autoren sind Fachleute, die wissenschaftlich Fundiertes auch für den verständlich machen, der zwar allgemein interessiert, aber nicht speziell vorgebildet ist.

Bayern ist von nahezu einzigartiger Vielfalt: Seinen großen Geschichtslandschaften Altbayern, Franken und Schwaben eignen unverwechselbares Profil und historische Tiefenschärfe. Sie prägten ihre Menschen – und wurden geprägt durch die Männer und Frauen, um die es hier geht: Herrscher und Gelehrte, Politiker und Künstler, Geistliche und Unternehmer – und andere mehr.

Das wollen die KLEINEN BAYERISCHEN BIOGRAFIEN: Bekannte Personen neu beleuchten, die unbekannten (wieder) entdecken – und alle zur Diskussion um eine zeitgemäße regionale Identität im Jahrhundert fortschreitender Globalisierung stellen. Eine Aufgabe mit Zukunft.

 

Dr. Thomas Götz, Herausgeber der Buchreihe, geboren 1965, studierte Geschichte, Germanistik und Philosophie. Er lehrt Neuere und Neueste Geschichte an der Universität Regensburg und legte mehrere Veröffentlichungen, vor allem zu Stadt und Bürgertum in Bayern und Tirol im 18., 19. und 20. Jahrhundert, vor. Darüber hinaus arbeitet er im Museums- und Ausstellungsbereich.

MARCUS JUNKELMANN

 

 

 

Montgelas

 

 

»Der fähigste Staatsmann, der jemals die Geschicke Bayerns geleitet hat.«

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Verlag Friedrich Pustet
Regensburg

Impressum

 

 

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

 

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Angaben sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

 

eISBN 978-3-7917-6062-9 (epub)

© 2015 by Verlag Friedrich Pustet, Regensburg

eBook-Produktion: Friedrich Pustet, Regensburg

Umschlaggestaltung: Martin Veicht, Regensburg

 

Diese Publikation ist auch als Printprodukt erhältlich:

ISBN 978-3-7917-2687-8

 

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Informationen und Bestellungen unter verlag@pustet.de

 

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Abb. 1: Joseph Hauber, Portrait des Staatsministers Maximilian Joseph Freiherrn von Montgelas im Alter von 45 Jahren, München 1804. Er trägt die Tracht des 1800 verliehenen Hausritterordens vom Hl. Hubertus. Die hier noch zu sehende Zopffrisur hat Montgelas wenig später abgelegt. Das gräfliche Wappen rechts oben ist nachträglich hinzugefügt worden, da Montgelas erst Ende 1809 die Grafenwürde verliehen bekam. Der Minister zeigt das »Lächeln der Vernunft«, das die Portraits vieler Aufklärer des späten 18. und frühen 19. Jahrhunderts geradezu als Alleinstellungsmerkmal auszeichnet. Sonst gab es von der klassischen Antike bis in die 1. Hälfte des 20. Jahrhunderts so gut wie ausschließlich Bildnisse, die den Dargestellten ernst, würdevoll, andächtig, heroisch, ja grimmig präsentieren, aber kaum je lächelnd oder gar lachend. Mit der stereotypen »Zähnefletscherei« heutiger Politikerportraits hat das Lächeln der Aufklärer wenig zu tun. Die angestrebte Wirkung strahlt nicht kumpelhafte Anbiederei aus, sondern Weisheit, Überlegenheit und eine zwar prinzipiell menschenfreundliche, doch leicht ironische Distanz.

 

»Der fähigste Staatsmann, der jemals die Geschicke Bayerns geleitet hat.«
Michael Doeberl

 

Denkmalwürdig?

Wie nicht anders zu erwarten, gab es unter der Herrschaft Ludwigs I. keinerlei Ehrungen für einen Minister, dessen Sturz der König für eine seiner größten persönlichen Taten hielt. Montgelas’ »undeutsches« Renommé sorgte dafür, daß er im sonst so denkmalwütigen 19. Jahrhundert für nicht andenkenswürdig empfunden wurde. Die einzige und sehr späte Ausnahme war, daß die Straße, die in Bogenhausen von der Max-Joseph-Brücke nach Nordosten führt, vorbei an Montgelas‘ ehemaliger Bogenhausener Villa, auf Anregung des Münchner Stadtarchivars, Ernst von Destouches, 1897 den Namen Montgelas-Straße erhielt. Erst 1976 rang man sich wieder zu einer Ehrung des umstrittenen Staatsmannes durch, indem man seine Büste in der Ruhmeshalle hinter der Bavaria aufstellte. Nun wurde der Rhythmus schneller. In Vilsbiburg, nahe der Montgelasschen Schlösser Egglkofen, Aham und Gerzen, entschloß man sich nach längeren Querelen 1996 dazu, das Gymnasium nach dem Minister zu benennen. Im Zusammenhang mit der in Ansbach und München gezeigten Ausstellung, mit der das Haus der Bayerischen Geschichte im gleichen Jahr an das 200-jährige Jubiläum des »Ansbacher Mémoires« von 1796 erinnerte, wurde der bisherige Ansbacher »Obstmarkt« in »Montgelas-Platz« umbenannt. Auf Anregung der 1993 gegründeten Montgelas-Gesellschaft brachte man 2002 an der Parkmauer des Bundesfinanzhofes, der heute anstelle von Montgelas’ einstiger Bogenhausener Villa steht, eine von Peter Weidl geschaffene Bronzetafel an, die mit Profilportraits an den Minister und an den Gartenarchitekten Ludwig von Sckell, der den Park der Villa gestaltet hat, erinnert.

 

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Abb. 2

 

Eine noch vor wenigen Jahrzehnten kaum denkbare Ehrung wurde 2005 erreicht, als auf Initiative des damaligen Finanzministers Kurt Faltlhauser eine von Karin Sander entworfene silberglänzende gefräste, etwa 6 m hohe und 9,5 Tonnen schwere Aluminiumstatue des Grafen auf dem Münchner Promenadenplatz direkt vor der Fassade des »Montgelas-Palais« (heute Hotel »Bayerischer Hof«) errichtet wurde.

 

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Abb. 3

 

Einleitung

 

»Um einen politischen Entschluß unbefangen zu würdigen, muß man sich vor allem in die Zeitverhältnisse, unter denen er gefaßt wurde, zurück zu versetzen wissen.«

Montgelas, Denkwürdigkeiten I, 142

 

Die Bayern tun sich hart mit ihrem »fähigsten Staatsmann«, wie Michael Doeberl Graf Montgelas genannt hat. Für die Katholiken und Kunstfreunde ist er der Mann der Säkularisation und des kulturellen Raubbaus, für die Deutschnationalen der Vaterlandsverräter und Vasall Napoleons, für die Liberalen der Vertreter des autoritärsten Staatsabsolutismus, für die Freunde regionaler Tradition und Vielfalt ein zentralistischer, alles Gewachsene einebnender Bürokrat. Kaum jemand bestreitet, daß die Reformen Montgelas’ in vieler Hinsicht unvermeidbar waren, daß sie jedenfalls im Zug der Zeit lagen und daß sie Bayern bleibend geprägt haben. Sympathischer werden sie dadurch aber nicht unbedingt. Noch weniger wird jemand bestreiten, daß Montgelas mit bravourösem diplomatischem Geschick und sicherem politischem Instinkt das ihm anvertraute Staatswesen durch die Fährnisse der Revolutions- und napoleonischen Kriege manövriert, Katastrophen vermieden, Chancen wahrgenommen hat. Bis 1815 besaßen Außenpolitik und Kriegführung unbedingten Vorrang. Man muß diese Sachzwänge berücksichtigen, wenn man dem Minister bei seinen Reformen Fehler und Härten vorwirft, die theoretisch vermeidbar gewesen wären. Verschärfend trat hinzu die katastrophale finanzielle Lage des Staates mit einem sich in galoppierendem Tempo vergrößerndem Schuldenberg. Sie war, ähnlich dem Krieg, Hemmnis und Stimulanz der Reformtätigkeit zugleich. Selbstbehauptung, territoriale Expansion, Souveränität und Königskrone mußten mit schwersten finanziellen Opfern und menschlichen Verlusten erkauft werden, wollte man nicht in einer Epoche des Umbruches und Neubeginns, wie es sie seit Jahrhunderten nicht gegeben hatte, unwiederbringliche Gelegenheiten versäumen.

Erst die außergewöhnlichen Umstände der »Sattelzeit« um 1800 machten es Montgelas möglich, eine große und aktive Rolle zu spielen, so, als wäre er der politische Lenker einer Großmacht. Die politische Einbindung in das Heilige Römische Reich Deutscher Nation zerfiel unter den Schlägen der Französischen Revolution und Napoleons, das bisherige Kurfürstentum Bayern wurde ein eigenständiges souveränes Königreich und erlangte volle Handlungsfreiheit nach innen und außen. Es eröffnete sich ein Spielraum, wie ihn kein bayerischer Politiker vor ihm oder nach ihm je besessen hat, und Montgelas nutzte ihn. Er tat dies im beiderseits loyalen Zusammenwirken mit einem populären Monarchen, der an Begabung zwar weit hinter seinem Minister zurückstand, der aber klug genug war, seinen besten Staatsmann zwei Jahrzehnte lang die Außen- und Innenpolitik dominieren zu lassen. Montgelas tat dies mit verhaltener, diskreter Energie und in der eleganten, lässigen Selbstdisziplin des aufgeklärten Juristen, Historikers und Staatsmannes, der in seinem Auftreten und Wesen noch mehr der aristokratischen Welt des 18. als der bürgerlichen des 19. Jahrhunderts angehörte. Er verkörperte den »Typus des rationalistisch denkenden und argumentierenden, die Menschen skeptisch beurteilenden, Politik funktionalistisch und kalkulierend betreibenden, Emotionen und Meinungsdruck ebenso verachtenden wie fürchtenden Politikers.« Männer wie er »standen der Masse der Bevölkerung fern, betrachteten sie als Objekt von Erziehung und Wohlfahrt…« (Rudolf Vierhaus)

Die »Revolution von oben« in Bayern und einigen der anderen Rheinbundstaaten stand in der Forschung lange im Schatten der Stein-Hardenbergschen Umgestaltung des preußischen Staates nach seiner katastrophalen Niederlage gegen Napoleon 1806. Fixiert auf die geradezu heilsgeschichtliche Verklärung der preußischen Reformen, erblickte man in den parallelen Vorgängen in den Rheinbundstaaten nur eine »unorganische«, zukunftslose Nachäfferei des napoleonischen Systems. Mittlerweile wird das sehr viel differenzierter gesehen. Zwar leistete der preußische Staat mehr auf ökonomischem Gebiet und in der liberalen Freisetzung von wirtschaftlichen Initiativen, doch in sozialer und politischer Hinsicht blieben die Stein-Hardenbergschen Reformen Stückwerk im Vergleich zum napoleonisch-rheinbündischen Modell eines individualisierten, konstitutionell ausgerichteten, administrativ durchorganisierten Staatsbürgertums. In vieler Hinsicht wurde innerhalb von 20 Jahren aus dem Rückstand gegenüber dem Preußen Friedrichs des Großen ein Vorsprung.

Die Vorherrschaft der nationalistischen borussozentrischen Sichtweise und Geschichtsinterpretation und der daraus resultierende Minderwertigkeitskomplex der »Staaten von Napoleons Gnaden« hatten zur Folge, daß man sich weder in der Fachwelt noch in der Allgemeinheit viel um das rheinbündische Deutschland und seine Staatsmänner kümmerte. Nicht zuletzt galt das für den bedeutendsten unter diesen, den bayerischen Staatsminister Montgelas, der anderthalb Jahrhunderte lang keinen Biographen gefunden hat. Das änderte sich aber grundlegend mit den Forschungen von Eberhard Weis (1925–2013), der als Frucht eines Forscherlebens neben zahlreichen Aufsätzen mit den beiden Bänden seiner gewaltigen Montgelas-Biographie 1971 und 2005 ein bereits klassisch zu nennendes Standardwerk vorgelegt hat.

 

 

»… Montgelas … haßte das ›Schamanenthum‹ der römischen Kirche und die fromme Einfalt des altbairischen Volkes, dem er immer ein Fremder blieb … Und doch hat das gewaltthätige Regiment des Halbfranzosen Montgelas eine glücklichere Zeit für Altbaiern vorbereitet; dieser Verächter allen deutschen Wesens… führte ahnungslos den bairischen Stamm aus einem dreihundertjährigen Sonderleben wieder zu der Gemeinschaft der modernen deutschen Cultur zurück.«

Heinrich von Treitschke, Deutsche Geschichte des 19. Jahrhunderts, Bd. 1, Leipzig 1886 (1879), 358

Wer sich mit dem Bayern Montgelas’ beschäftigt, steht auf den Schultern von Eberhard Weis, wie das auch für diesen vorliegenden Versuch eines kurzen, zusammenfassenden Portraits vom »Architekten des modernen bayerischen Staates« gilt.

 

»… Und nur auf Montgelas’ neuen Grundlagen ließ sich die große Aufgabe der Zeit lösen, ließen sich die altbayerischen, schwäbischen und fränkischen Provinzen zur Einheit des neuen Königreichs verschweißen… Wir Heutigen könnten uns Bayern überhaupt nicht mehr denken ohne Montgelas und sein Werk. Es war, wenn auch nicht eine der ›glücklichsten‹, so doch eine der geglücktesten Revolutionen von oben, die es in der Geschichte gibt.«

Benno Hubensteiner, Bayerische Geschichte, München14 1994 (1950), 347 f.

 

»Maximilian Joseph Graf Montgelas gehört zu den eigenartigsten und erfolgreichsten Persönlichkeiten, die Deutschland aufzuweisen hat in einer Epoche des Umbruchs, in der es mehr außergewöhnliche, zur Wirkung gelangte Begabungen besaß als jemals früher oder später seit den Tagen der Renaissance und des Humanismus.«

Eberhard Weis: Montgelas, Bd. 2, 466

Das vorliegende Buch setzt sich zusammen aus einem möglichst knapp gehaltenen Erzähltext, zahlreichen Exkursen zu Einzelaspekten, Kurzbiographien von Mitarbeitern und Gegenspielern Montgelas’ und einer Fülle von Zitaten, die der Darstellung Lebendigkeit und die Atmosphäre der Zeit mitteilen sollen. Um die angesichts der kompakten Knappheit unvermeidlichen Lücken zu schließen und die Einzelheiten in den Zusammenhang einzuordnen, sei auf die ausführliche Zeittafel im Anhang verwiesen.

1   Anfänge und Ausgangslage

Der 1759 in München geborene Montgelas wurde mit einem Jahr schon Halbwaise, mit acht Jahren Vollwaise. So brachte er seine ersten Jahre vorwiegend bei seiner Großmutter im fürstbischöflichen Freising zu. Seine Schul- und Universitätsbildung erhielt er 1764–1776 im Kollegium von Nancy und an der Universität Straßburg. Er geriet so schon früh in den Bannkreis der französischen Kultur. Zeit seines Lebens bediente sich Montgelas – wie auch Max IV./I. Joseph – mündlich wie schriftlich mit Vorliebe der französischen Sprache. Nach Abschluß seines Studiums an der Landesuniversität Ingolstadt 1777 legte er in München vor einer Kommission eine Prüfung ab, die für die Aufnahme in den Staatsdienst erforderlich war. Diesen nahm er, wie in seinen Kreisen üblich, als Wirklicher Hofrat ohne Bezüge auf.

1778 erarbeitete Montgelas zusammen mit seinem späteren Schwiegervater Ignaz Graf von Arco und mit Franz Karl Freiherrn von Hompesch, später sein erster Finanzminister, ein geradezu revolutionäres Konzept zur Ablösung der bäuerlichen Grundverpflichtungen und deren Übernahme als nationale Hypothek. Vorerst war dies freilich reine Theorie. Ab 1780 fungierte Montgelas im kurfürstlichen Bücherzensurkollegium, in dem er bald zum führenden Kopf aufstieg. Ganz entgegen den Intentionen Karl Theodors, der in seinen bayerischen Jahren in ein immer reaktionäreres Fahrwasser geriet, ließ das Kollegium systematisch aufklärerische Schriften unzensiert erscheinen, während antiaufklärerische Publikationen unterdrückt wurden. In dieser Zeit trat Montgelas dem radikal-aufklärerischen Geheimbund der Illuminaten bei, dessen spätere Aufdeckung und Zerschlagung ihn in Mißkredit brachten. Da sich damit seine Karriereaussichten drastisch verschlechtert hatten, verließ Montgelas 1787 den kurpfalzbayerischen Dienst und trat auf Vermittlung des französischen Gesandten in München, Cachet comte de Montezan, als Legationsrat in den des Herzogs Karl II. August von Pfalz-Zweibrücken.

 

»Ich habe meine Meinung über die Geheimbünde geändert und zwar seit sehr langer Zeit. Ich betrachte dieselben als überflüssig und gefährlich, zwar nicht prinzipiell, aber wegen der ungewöhnlich großen Gefahr des Mißbrauchs.«

Montgelas an Maximilian Joseph Graf von Seinsheim, 12. Mai 1793

Der Vater: Janus Freiherr von Mon(t)gelas (1710–1767)

 

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Abb. 4: Portrait des Generals Janus de Garnerin Freiherr von Montgelas, Vater des Staatsministers, im Alter von etwa 50 Jahren, um 1760. Er trägt einen Hausrock. Unbek. Maler

 

Die Familie Montgelas hieß ursprünglich Garnerin und gehörte zum savoyardischen Amts- und Militäradel. Sie war im französischsprachigen Westteil des Herzogtums Savoyen beheimatet, der zusammen mit dem italienischsprachigen Piemont und der Insel Sardinien das Königreich Sardinien bildete (Hauptstadt Turin). Der Westteil mit Nizza und Chambéry sollte erst 1859 an Frankreich kommen. Der Großvater des Ministers erwarb durch Heirat die Seigneurie Mon(t)gelas bei Chambéry und nannte sich seitdem Garnerin de la Thuille baron de Mon(t)gelas (erst der Staatsminister schrieb sich ausschließlich mit »t«). Sein am 2. Januar 1710 getaufter Sohn Janus trat in den 1730er Jahren in österreichischen Militärdienst, wechselte aber 1742 während des Österreichischen Erbfolgekrieges zum Feind über und kämpfte nun in einem Eliteregiment (Grénadiers à cheval) der bayerischen Armee, die damals eine kaiserliche war. Er fiel in Gefangenschaft, konnte aber unter abenteuerlichen Umständen aus dem Gefängnis in Peterwardein fliehen. Am Siebenjährigen Krieg nahm er als Oberst im bayerischen Kontingent der Reichsarmee teil, wobei er sich immer wieder heftig über die Mißstände beschwerte. Kurfürst Max III. Joseph, der Montgelas sehr schätzte, setzte ihn auch in diplomatischen Missionen in Preußen und Spanien ein. 1760 wurde Janus zum Generalmajor befördert, ab 1764 bekleidete er außerdem die Stelle eines Kammerherrn. Er verfügte daher über erhebliche Bezüge, war jedoch ohne nennenswerten Grundbesitz. 1754 heiratete er die aus einer angesehenen bayerischen Adelsfamilie stammende Maria Ursula Gräfin Trauner (1720–1760), Tochter eines fürstbischöflich freisingischen Geheimen Rates und Kammerfräulein der Kurfürstin. Aus der Ehe ging außer Maximilian Joseph die Tochter Josepha (1757–1827) hervor, die unverheiratet blieb. Bis 1761 erhielten die Kinder ein Erziehungsstipendium des Freisinger Fürstbischofs Johann Theodor von Bayern, das ihnen aber dann auf Grund einer Intrige entzogen wurde. Erste Neigungen des Sohnes, eine geistliche Laufbahn einzuschlagen, erregten das Mißfallen des der Aufklärung nahestehenden Vaters. Eine zweite Ehe mit Freiin von Schönberg blieb kinderlos. Er starb am 25. April 1767.

 

»So viel weiß ich mich zu erinnern, daß er [Montgelas] bei meiner Anwesenheit in München unserem Hof nicht sehr ergeben zu sein geschienen, daselbst aber vollkommen die Rolle des Einäugigen im Reiche der Blinden spielte, indem man, wenn von jemand Einsichtigen die Rede war, jederzeit nur ihn nannte.«

Der österreichische Gesandte am bayerischen Hof, Ferdinand Graf von Trautmannsdorf, an Wenzel Anton Fürst von Kaunitz, 3. August 1787

 

»Der Freiherr von Montgelas, ein junger Mann, der von Natur aus sehr viel Scharfsinn, Gedächtnis und Kaltblütigkeit besitzt. Er hat sich ausgedehnte Kenntnisse erworben und sie gut verarbeitet… Es ist wahrhaft schade, daß er mit 27 Jahren ausgeschaltet ist mit ebensoviel Verdiensten wie Fähigkeiten. Ich glaube, daß er imstande wäre, gute Dienste zu leisten… Er kennt das Land [Bayern] und seine Bewohner, ist voll guten Willens und würde nur darauf bedacht sein, sich verdient zu machen, doch nicht zu verdienen. Das Bewußtsein, zu den Mitarbeitern des Erben zu gehören und vielleicht Erneuerer Bayerns zu werden, wäre für ihn der höchste Lohn… Das Bewußtsein, mit weniger als 30 Jahren verfolgt zu werden, erstaunt, aber erschreckt ihn nicht.«

Louis Cachet, comte de Montezan, französischer Gesandter in München, an den zweibrückischen Minister Freiherrn von Hofenfels, 9. August 1786

Montgelas’ unmittelbarer Vorgesetzter war der Minister Hofenfels, der eifrigst den Tauschplänen Karl Theodors entgegengewirkt hatte und in dieser Politik fortfuhr. Hofenfels starb wenige Monate nach Montgelas’ Ankunft. Sein Nachfolger, Ludwig Freiherr von Esebeck, vertrat die gleiche Linie wie sein Vorgänger und arbeitete gut mit dem jungen Legationsrat zusammen. Man begann bereits Pläne zu schmieden für die Regierungsübernahme in München. So arbeitete Montgelas 1789 eine Denkschrift über die kirchenrechtliche Stellung der bayerischen Herzöge aus, in der er die historische und juristische Grundlage für die Säkularisation lieferte (s. Kap. 6).

 

»Ich liebe unsere Landsleute sehr, so wie sie sind. Ich würde sie aber gern verändert sehen, zum Wohl der Allgemeinheit wie zu ihrem eigenen. Ich sehe seltsame Folgen voraus, wenn dies nicht eintritt. Sie wissen, daß meine Ansichten auf einem gewissen Überblick beruhen, der mich die Dinge in ein wenig größerem Abstand sehen und das Kommende manchmal richtig erraten läßt.«

Montgelas an Maximilian Joseph Graf von Seinsheim, 15. Januar 1789

 

»Bayern ist die fruchtbarste Provinz Deutschlands und diejenige, wo es am wenigsten Geist gibt. Es ist ein irdisches Paradies, das von Dummköpfen bewohnt wird. Der sicherste Beweis dafür, daß Bayern das irdische Paradies Deutschlands ist, liegt in der Tatsache, daß diese Provinz… bisher imstande gewesen ist, eine Regierung zu ertragen, die allgemein als die schlechteste aller schlechten Regierungen Europas anerkannt ist… Diese Wahrheit muß als Grundlage dienen für alle Überlegungen hinsichtlich Bayerns; nur dann kann man kalkulieren, was dieses Land heute ist und was leicht daraus gemacht werden könnte.«

Ein französischer Agent in München an die Pariser Regierung, 1796

 

»Unter den Deutschen ist der Bayer fast der einzige, der ein Vaterland besitzt, der es liebt und der seinem Herrscherhaus wirklich ergeben ist.«

Der französische Botschafter François-Guillaume Otto an Talleyrand, 1. Oktober 1805

 

Die Illuminaten

Um den Geheimbund der Illuminaten, dem Montgelas 1779 bis 1785 unter dem Ordensnamen »Musaeus« angehörte, ranken sich bis heute wilde Gerüchte. In dieser 1776 von dem Universitätsprofessor Adam Weishaupt (1748–1830) in Ingolstadt gegründeten, von Kurfürst Karl Theodor 1785 verbotenen Gesellschaft fand die bayerische Aufklärung ihre extremste Ausprägung. Weishaupt hatte erkannt, daß die Zeit reif war, die radikalen Vertreter der Aufklärung, deren aktivistische Impulse in der traditionellen Freimaurerei keine Entfaltungsmöglichkeit besaßen, in einem neuen Bund zusammenzufassen, der ihrem elitären Sendungsbewußtsein und dem modischen Hang zum Geheimnisvollen gleichermaßen entgegenkam. Indem der Kandidat die drei Grade des Novizen, des Minervalen und des Illuminatus (Erleuchteten) durchlief, sollte er alle unnatürlichen, von der Gesellschaft und ihren Traditionen aufgezwungenen Bindungen – besonders die religiösen – abstreifen und zu einer vernunftbeherrschten, ganz diesseitigen Sittlichkeit gelangen. Im Gegensatz zu den Freimaurern verfolgten die Illuminaten einen konkreten politischen Plan, der letztlich auf eine Art unblutige Weltrevolution hinauslief. Die straff organisierten Mitglieder sollten in gewaltloser Unterwanderung die einflußreichsten Stellen in Staat und Gesellschaft besetzen und so die Schaffung einer klassenlosen Weltrepublik betreiben. Um diese Endziele des Ordens wußte aber nur die diktatorisch agierende Führungsspitze.

Innerhalb weniger Jahre breitete sich der Geheimbund über weite Teile Deutschlands und Europas aus und gewann viele namhafte Persönlichkeiten als Mitglieder, darunter auch Geistliche. Die hieraus resultierende wenig homogene Zusammensetzung der Illuminaten führte schon bald zu inneren Zwistigkeiten und zu ihrem Untergang. Entscheidende Bedeutung erlangte der Streit zwischen der Spitze des Ordens, die den aufgeklärten Absolutismus bewunderte, den Kaiser Joseph II. in Österreich durchzusetzen versuchte, und die daher für die Tauschpläne Kurfürst Karl Theodors eintrat, und patriotisch gesonnenen Mitgliedern. Letztere begannen 1784 die umstürzlerischen Ziele der Geheimgesellschaft aufzudecken. Dies hatte das Verbot und die Zerschlagung des Ordens zur Folge. Als besonders wirkungsvoll erwies es sich, daß die kurfürstliche Regierung die gefundenen Dokumente veröffentlichte, was erst vielen Mitgliedern die Augen öffnete über den Charakter der Organisation, der sie sich angeschlossen hatten. Die meisten distanzierten sich vom Illuminatentum, unter ihnen auch Montgelas. Wie die große Mehrzahl der Exilluminaten wurde er nicht eigentlich verfolgt und durfte im Amt bleiben, doch konnte er sich schwerlich Hoffnung machen, eine besoldete Stelle zu erhalten, so lange Karl Theodor lebte, weshalb er 1787 Bayern verließ und sich in zweibrückische Dienste begab. Obwohl der Orden 1785/1786 wirksam unterdrückt wurde und von da an keine Rolle mehr spielte, blieb eine geradezu panische Illuminatenangst, die durch die Ereignisse der Französischen Revolution neue Nahrung erhielt. Tatsächlich hatten Freimaurerei und Illuminatentum mit Revolution und jakobinischem Radikalismus nichts zu tun, obwohl dies allzu gern in ganz unzulässiger Weise gleichgestellt wurde und wird. So verdächtigte man Montgelas an dem nach Mannheim geflüchteten Zweibrücker Hof, ein unverbesserlicher Illuminat zu sein und mit den »Jakobinern« zusammenzuarbeiten. Dies führte dazu, daß er in den Jahren 1793–1795 völlig kaltgestellt wurde. Als während der französischen Besetzung des Kurfürstentums im Feldzug von 1800 republikanisch gesonnene Bayern an die Franzosen herantraten, um ihre Mitarbeit bei einer Revolutionierung des Landes anzubieten, ging man wieder davon aus, es handle sich um ehemalige Illuminaten, was sich in den Fällen, in denen sich ihre Identität feststellen ließ, nicht bewahrheitet hat. Desgleichen hält sich bis heute hartnäckig die Annahme, die meisten Mitarbeiter der Regierung Montgelas und insbesondere die eifrigen Klosterstürmer, seien Exilluminaten gewesen. Die Untersuchungen von Eberhard Weis haben ergeben, daß dies nur auf eine kleine Minderheit zutrifft. Montgelas selbst hat in seinen späteren Jahren zwar an den humanistischen Idealismus seiner illuminatischen Jugendjahre mit einer gewissen Nostalgie zurückgedacht, doch lehnte er die ihm seinerzeit nicht bekannten Fernziele der Ordensführung strikt ab und kam schon bald zu einer grundsätzlichen Verurteilung jeglicher Geheimbünde, die er dann als Minister verboten hat.

 

 

 

Der bayerische Erbfolgekonflikt und die Tauschprojekte