Inhaltsverzeichnis

Zum Buch

 

 

 

Eine „große erhabene Sünderin“, die „aufgeklärteste Fürstin des Jahrhunderts“, „Minerva Deutschlands“ – diese kritischen und lobenden Beinamen wurden Luise Dorothea von Sachsen-Gotha- Altenburg (1710–1767) von einflussreichen Männern ihrer Zeit verliehen. Und gewiss werfen sie Schlaglichter auf wichtige Facetten ihres Lebens.

Vor allem aber war die Herzogin an der Seite ihres Gemahls Friedrich III. eine mitregierende Fürstin: Geschickt nutzte sie ihr dicht gewebtes Korrespondentennetz und das gesellige Leben auf Schloss Friedenstein, um das ernestinische Fürstentum während der drei Kaiserwahlen, der europäischen und der Kolonialkriege als Macht im Hintergrund zu positionieren. Sie stand mit dem Preußenkönig Friedrich II. ebenso in Kontakt wie mit den Aufklärern Voltaire und Grimm. Gleichzeitig verstand sie es, ihrer Residenz als Hort der Wissenschaften und Künste repräsentativen Glanz zu verleihen.

 

Zu den Autoren

 

 

 

Günter Berger,

Dr. phil., war bis 2012 Professor für Romanische Literaturwissenschaft an der Universität Bayreuth; zahlreiche Publikationen zur französischen Kultur und Literatur der Aufklärung, darunter der Briefwechsel zwischen der Herzogin Luise Dorothea und König Friedrich II. in deutscher Übersetzung.

 

Bärbel Raschke,

Dr. phil., lehrte an Universitäten in Leipzig, Bielefeld, Paris, Rabat und Kairo; zahlreiche Publikationen zu deutschen Fürstinnen im europäischen Kulturtransfer des 18. Jahrhunderts, zuletzt Quelleneditionen von Korrespondenzen Luise Dorotheas von Sachsen-Gotha-Altenburg.

Günter Berger / Bärbel Raschke

 

 

 

Luise Dorothea von Sachsen-Gotha-Altenburg

Ernestinerin und Europäerin im Zeitalter der Aufklärung

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Verlag Friedrich Pustet
Regensburg

Impressum

 

 

 

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Angaben sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

 

eISBN 978-3-7917-6106-0 (epub)
© 2017 by Verlag Friedrich Pustet, Regensburg
eBook-Produktion: Friedrich Pustet, Regensburg
Umschlaggestaltung: Martin Veicht, Regensburg

 

Diese Publikation ist auch als Printprodukt erhältlich:
ISBN 978-3-7917-2852-0

 

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Informationen und Bestellungen unter verlag@pustet.de

Einleitung

Luise Dorothea von Sachsen-Gotha-Altenburg gehört zu den bekanntesten Fürstinnen des ernestinischen Zweigs der Wettiner. Ihre Lebenszeit (1710–1767) fiel in das politisch und geistig bewegte Europa des 18. Jhs. Auf den ersten Blick erscheint ihr Lebenslauf sehr überschaubar, viele Daten im Sinne gesicherter Fakten kommen nicht zusammen. Geboren wurde sie am 10. August 1710 als Prinzessin von Sachsen-Meiningen, heiratete 1729 innerhalb des ernestinischen Hauses ihren Cousin Erbprinz Friedrich von Sachsen-Gotha-Altenburg. Zwischen 1735 und 1747 gebar sie elf Kinder, von denen drei sie überlebten. Außerhalb des Herzogtums unternahm sie, bis auf einen kurzen Aufenthalt in Leipzig als 32-Jährige, vermutlich nur eine einzige ausgedehnte Reise im Juni/Juli 1749 zusammen mit ihrem Gatten nach Wiesbaden. Sie starb am Morgen des 22. Oktober 1767 auf Schloss Friedenstein in Gotha. Doch dieser geradlinig anmutende Lebenslauf in einem der scheinbar beschaulichen, kleinen Herzogtümer Thüringens täuscht. Er war durchaus von den europäischen Zeitläuften betroffen, von den Vormachtkämpfen zwischen Großbritannien und Frankreich auf dem Kontinent sowie von den Großmachtbestrebungen Österreichs und Preußens, vom acht Jahre andauernden Österreichischen Erbfolgekrieg, vom Siebenjährigen Krieg, von den drei Kaiserwahlen 1742, 1745 und 1764. In diesen Konflikten brach auch die alte, seit 1547 bestehende Rivalität zwischen dem albertinischen Kursachsen und dem ernestinischen Zweig der Wettiner erneut auf. Sie wurde zudem von heftigen Auseinandersetzungen um Führungsansprüche innerhalb des ernestinischen Hauses, zwischen Gotha, Meiningen, Weimar-Eisenach und Coburg-Hildburghausen, flankiert.

Zugleich stand das Leben der Gothaer Herzogin im Spannungsfeld von Religion und europäischer Aufklärung. Die Ernestiner und insbesondere Sachsen-Gotha betrachteten sich seit der Reformation als Hort der protestantischen Lehre Luthers. Nicht nur der allgegenwärtige Katholizismus, sondern auch die verschiedenen Strömungen innerhalb des Protestantismus wurden argwöhnisch beobachtet. Daneben ging modernes, an exakten Wissenschaften orientiertes, naturwissenschaftliches Denken, gingen neue, die europäische Aufklärung prägende Ansätze in Philosophie, Morallehre und Staatsrecht, Diskurse zur Geschlechterfrage, zu Geselligkeitsformen, zur Rolle von Kunst und Literatur an der höfischen Gesellschaft auf Schloss Friedenstein nicht vorbei.

Die bisher einzige umfangreiche Biografie zur Gothaer Herzogin stammt aus dem Jahr 1893. Sie würdigt sie als eine Frau, die ihrem Gatten geistig überlegen gewesen sei, wegen ihrer Intelligenz, Belesenheit und Aufgeschlossenheit von der männlichen geistigen Elite ihrer Zeit – egal ob Philosoph, Militär oder König – geschätzt und bewundert wurde und zugleich als treu sorgende Mutter eine tadellose Erzieherin ihrer Kinder war. Die nachfolgenden, in großen zeitlichen Abständen erschienenen Arbeiten zu ihr reduzierten dieses Bild. Sie wurde zur „Freundin Friedrichs des Großen und Voltaires“.

Die Erkenntnisse der Hof- und der Geschlechterforschung der letzten Jahrzehnte, ein unvoreingenommener Blick auf ihren Nachlass und bisher unbekannte Quellen aus ihrem Umfeld ermutigen, sich ihrem Leben und Handeln erneut anzunähern. Persönliche Aufzeichnungen, ein Diarium, Memoiren, ein Tagebuch oder bekenntnishafte Briefe, die eine Art Leitlinie bilden könnten, hinterließ die Herzogin allerdings nicht, und das schriftlich Hinterlassene weist beträchtliche Lücken auf. Ob sie selbst zu Lebzeiten Papiere vernichtete oder nach ihrem Tod Bereinigungen stattfanden, ist nicht überliefert. Zahlreiche schriftliche Zeugnisse gingen – ebenso wie andere Teile ihrer Verlassenschaft – nach ihrem Tod an die Kinder oder andere Personen ihrer engsten Umgebung über.

So wird in dieser Biografie das Überlieferte in thematischen Schwerpunkten, nach Handlungsfeldern geordnet. Wo entsprach sie den kontrovers diskutierten Normen ihrer Zeit, worin glich sie Fürstinnen ähnlichen Ranges, mit ähnlichen Qualitäten und Durchsetzungsfähigkeiten sowie mit zum Teil übereinstimmenden Netzwerken? Worin unterschied sie sich von ihnen? Der Verzicht auf streng chronologisches Erzählen soll nicht zuletzt Anregungen geben, sich dem hier entworfenen Lebensbild einer Fürstin des Alten Reichs kritisch zu nähern.

Damit reiht sich die Biografie in die aktuellen Würdigungen der Herzogin an ihrer Lebens- und Wirkungsstätte Gotha ein. In den Museen und Spezialausstellungen der Stiftung Schloss Friedenstein erinnern zahlreiche Exponate an sie. Unter kompetenter Führung kann ein Teil ihrer Wohnräume besichtigt werden, heute Domizil der Universitäts- und Forschungsbibliothek Erfurt und Gotha. Hier wird ein Teil ihres Nachlasses aufbewahrt und der internationalen Forschung zur Verfügung gestellt. Öffentliche Vortragsreihen des Freundeskreises der Forschungsbibliothek beleuchten Aspekte ihres Lebens und Wirkens vor einem breiten Publikum. Wissenschaftliche Editionsarbeiten von Nachlassteilen erschließen die Archivbestände des Thüringischen Landesarchivs Gotha im Perthes-Forum. Im 250. Todesjahr der Herzogin bündeln sich die Würdigungen im August zu einem Höhepunkt: Beim alljährlichen Barockfest auf Schloss Friedenstein werden Friedrich III. und Luise Dorothea natürlich wieder unter den Feiernden erscheinen, und am Schlossberg wird auf Initiative der Kulturstiftung Gotha die Erinnerung an Luise Dorothea mit einem modernen, vom Hallenser Bildhauer Bernd Göbel erschaffenen Denkmal, zu dem im September 2016 der Grundstein gelegt wurde, beständig erstrahlen.

Bei unserer Arbeit in Archiven und Bibliotheken haben wir immer wieder große Ermutigung und Unterstützung erfahren. Hierfür danken wir herzlich Rosemarie Barthel (Gotha), Cornelia Hopf (Gotha), Otmar Fehn (Bayreuth), Daniel Gehrt (Gotha) und Wolfgang Steguweit (Gotha). Einen ebenso herzlichen Dank sagen wir Elena Meyer auf Seiten des Verlags Pustet für ihre wertvolle Hilfe bei der Auswahl und Beschaffung der Abbildungen und natürlich Christiane Abspacher, unserer Verlagslektorin, die das Projekt von Anfang an gefördert, kritisch begleitet und mit hilfreichen Ratschlägen vorangebracht hat.

Stationen eines fürstlichen Frauenlebens

Die Lebenszeit Luise Dorotheas wurde von einer der zentralen Debatten der Neuzeit begleitet, der sogenannten Querelle des femmes. Europaweit wurde die Geschlechterordnung in zahlreichen Schriften kontrovers diskutiert. Historiker erweiterten die auf Männer fixierte Geschichtsschreibung durch die Geschichte großer Frauen. In der Galerie des femmes fortes (Galerie starker Frauen) oder verschiedenen Histoires des femmes illustres (Geschichten berühmter Frauen) entwarfen sie eine Linie starker, bekannter Frauengestalten von der Antike bis zu den berühmten Regentinnen der Neuzeit wie Anna von Österreich und Maria von Medici, Maria Stuart und Elisabeth I. von England oder Königin Christine von Schweden. Diese ersten Entwürfe zu einer Frauengeschichtsschreibung wurden von theoretischen Debatten begleitet: Es ging um die Rangordnung der Geschlechter im öffentlichen und privaten Leben, um Staatsführung und Politik, Ehe, Liebe und Sexualität, Erziehung und Bildung. Weniger bekannt sind Diskurse zu Schwangerschaft und Geburtenkontrolle.

Die Position der Gothaer Herzogin Luise Dorothea im breiten Meinungsspektrum der kontroversen Diskussion wurde bisher noch nicht aufgearbeitet und eingeordnet. Dabei gibt es zahlreiche Belege dafür, dass sie mit den Debatten vertraut war, wenngleich sie sich nicht systematisch dazu äußerte. Am deutlichsten treten ihre Meinung zur Geschlechterfrage und ihr Frauenbild wohl im Briefwechsel mit ihrer ehemaligen Hofdame Friederike von Montmartin, dem Entwurf eines Ehespiegels sowie in Erziehungsschriften für ihre Tochter Friederike Luise hervor. Sie bilden die zentralen Quellen für dieses Kapitel. Soviel vorab: Auch wenn es in ihrer Privatbibliothek Werke der radikalsten Verfechter einer Gleichstellung der Geschlechter gab, wie François Poullain de la Barres Abhandlung De l’égalité des deux sexes (Von der Gleichheit der Geschlechter, 1673), Madeleine de Puisieux’ französische Version der 1739 in London erschienenen Schrift La femme n’est pas inférieure à l’homme (Die Frau ist dem Mann nicht unterlegen) oder auch Louis de Boussanelles Essais sur les femmes (Abhandlungen über die Frauen, 1765), so war die Herzogin doch in fest gefügte höfische Geschlechterstrukturen hineingeboren und wurde in den verschiedenen Phasen eines Frauenlebens darin sozialisiert. Diese Normen, die in neuzeitlichen Hoftheorien wie dem Teutschen Fürsten-Stat Veit Ludwigs von Seckendorff 1656/57 standardisiert worden waren, mussten für ein sozial anerkanntes Frauenleben respektiert werden. Wie gestalteten sich die verschiedenen Lebensstationen Luise Dorotheas als hochadlige Frau in diesem Spannungsfeld und wie kommentierte sie selbst diese Lebensphasen?

„Sollte dieses ganze Land nicht als Erbteil an Gotha zurückfallen?“ –

Kindheit als Prinzessin von Sachsen-Meiningen

Luise Dorothea wurde am 10. August 1710 als einzige Tochter des Herzogs Ernst Ludwig I. von Sachsen-Meiningen in Coburg geboren (s. Abb. 2). Ihre Mutter war Dorothea Maria von Sachsen-Gotha, die sie allerdings schon im Alter von drei Jahren verlor (s. Abb. 1). Der Vater heiratete 1714, ein Jahr nach dem Tod seiner Frau, Elisabeth Sophie von Brandenburg, mit der er keine Kinder hatte. Ernst Ludwig starb 1724. Regierender Herzog und Vormund der drei lebenden Kinder aus erster Ehe, der Prinzen Ernst Ludwig und Karl Friedrich sowie der Prinzessin Luise Dorothea, wurde ihr Onkel Friedrich Wilhelm, der von Zeitgenossen als „schwachsinnig“ bezeichnet wurde. Er teilte sich die Vormundschaft mit Friedrich II. von Sachsen-Gotha-Altenburg, der deshalb auf die Regierung des Herzogtums starken Einfluss hatte. Ansprüche auf die Regierung erhob jedoch auch ein Halbbruder von Luise Dorotheas Vater, Anton Ulrich von Sachsen-Meiningen, der eine Bürgerliche geheiratet hatte. Die Geschwister wuchsen so mit den außerordentlichen Spannungen unter den männlichen Nachkommen des Hauses Meiningen auf, die in anhaltende juristische Streitigkeiten verwickelt waren.

In dieser politisch und familiär komplizierten Situation war die junge Luise Dorothea dem Lebensraum ihrer Stiefmutter zugeteilt worden. Es existiert nur ein einziges Urteil der Prinzessin zu dieser offenbar lebenserfahrenen, resoluten und auch lebenslustigen Frau, die mit Ernst Ludwig bereits ihre dritte Ehe führte. So schrieb Luise Dorothea, als sie Meiningen als junge Braut verlassen durfte, dass sie von „Ihro Hoheit“, der „Frau Mutter […] jederzeit so vielle proben […] Müterl. Tendresse (Zuneigung) und Gnade erhalten“ habe.

Die ersten Dokumente zu den frühen Lebensumständen der Prinzessin stammen aus den Jahren nach dem Tod des Vaters. Aus ihnen geht hervor, dass sie in Meiningen in der Elisabethenburg vier Zimmer der untersten Etage bewohnte, die mit den Möbeln ihrer Stiefmutter ausgestattet waren. Für den Unterhalt der 14-Jährigen wurden jährlich 400 Reichstaler (Rthl.) Hand- und Kleidungsgeld sowie 100 Rthl. Zinsen aus einem für sie angelegten Kapital in Höhe von 2000 Rthl. gezahlt. Den quartalsweisen Erhalt quittierte eine Christina Sophia Augusta Metzsch, die vermutlich als Hofmeisterin für die junge Prinzessin verantwortlich war. Ein Erziehungsplan ist nicht überliefert, man geht aber sicher nicht fehl, dass sie weitgehend nach dem Modell erzogen wurde, das Seckendorff in seinem Standardwerk Teutscher Fürsten-Stat fürstlichen Eltern für ihre Töchter als unentbehrlich und höchstnotwendig anriet. Grundlage war die Unterweisung im christlichen Glauben und das Erlernen der Zehn Gebote. Den ernestinischen Hausgesetzen entsprechend wurden die Kinder im Glauben des Vaters erzogen. Ernst Ludwig I. war ein sehr frommer Lutheraner; die reformierte Stiefmutter wird in Glaubensfragen kaum Einfluss gehabt haben.

Zum weiblichen Erziehungsprogramm gehörte auch die Vermittlung von Tugend- und Moralgrundsätzen – Bescheidenheit, Freundlichkeit, Demut, Wahrheitsliebe, Mäßigkeit, Entgegenkommen, Höflichkeit. Der unbedingt notwendige Bildungskanon einer Prinzessin umfasste laut Seckendorff die Fächer Lesen, Schreiben und Rechnen. Im Anschluss daran, ab dem siebten Lebensjahr, sei die weitere Erziehung der Tochter ins Belieben der Eltern gestellt. Dann könne sie zu mündlicher und schriftlicher Konversation in mehreren Sprachen befähigt werden, Unterricht in Naturkunde sowie in Genealogie, Geografie, Geschichte und Staatsaufbau des eigenen Landes und des Reiches sowie ökonomisches Grundwissen vermittelt bekommen. Da am Meininger Hof für die Prinzen Informatoren für Musik und Instrumentalunterricht, Tanz- und Sprachmeister angestellt waren, kann davon ausgegangen werden, dass auch Luise Dorothea, wie damals durchaus üblich, von deren Unterricht profitierte. Einen Großteil ihrer Bildung verdankt sie mit Sicherheit einer der Hofdamen ihrer Stiefmutter, Juliane Franziska von Neuenstein. Die drei Jahre Ältere wurde lebenslang zu ihrer innigsten Vertrauten.

Juliane Franziska war die älteste Tochter des aus dem Elsass stammenden Freiherrn Philipp Jakob von Neuenstein und dessen Frau Jeanne Marguerite de Moysen de la Rochelogerie. Als sie 1707 in Paris geboren wurde, stand ihr Vater im Dienst des Herzogs von Bouillon, ihre Mutter war Hofdame bei Elisabeth Charlotte von der Pfalz, der Herzogin von Orléans. Vier Jahre später, ab 1711, lebte die Familie am Hof Herzog Eberhard Ludwigs von Württemberg, wo Jeanne Marguerite 1729 Oberhofmeisterin Friederike Luises, der Enkelin des Herzogs, wurde. Ihre eigenen Töchter, Juliane Franziska und Eberhardine Wilhelmina, erzog sie in Abstimmung mit ausgewählten Lehrern für die Fächer Religion, Moral, Geschichte, Geografie, Sprachen, Zeichnen, Tanz und Musik selbst. Solchermaßen gebildet und mit dem Leben am Hofe vertraut, konnten die Schwestern in die Fußstapfen ihrer Mutter treten. Eberhardine Wilhelmina wurde Hofdame in Sachsen-Eisenach, Juliane Franziska in Sachsen-Meiningen.

Von der außerordentlich hohen Bildung, der sorgfältigen Erziehung und den geselligen Talenten Juliane Franziskas, die von allen Zeitgenossen gerühmt worden war, hat Luise Dorothea nicht nur in Meiningen profitiert. Die Neuenstein durfte ihr 1735 nach Gotha folgen, nachdem endlich der erste Erbprinz, Friedrich Ludwig genannt, geboren wurde. Sie wurde als Hofdame in Luise Dorotheas Hofstaat aufgenommen und heiratete 1739 Hermann Schack von Buchwald. Trotz der Eheschließung blieb die Beziehung zwischen beiden Frauen außerordentlich eng – über keine ihrer Hofdamen schrieb Luise Dorothea mehr als über sie. Ihrem Briefpartner Voltaire gegenüber bekundete sie, wie sehr sie emotional mit ihr verschmolzen sei, ohne sie nicht leben könne und wolle: „Was nutzt es mir zu leben, wenn ich ohne sie lebe? Oder wenn sie nicht gut lebt?“ Das fast symbiotische Verhältnis beider Frauen verglich der Gothaer Prinzenerzieher Ulrich von Thun mit dem bedeutendsten der antiken Freundschaftssymbole, mit Castor und Pollux, einem Bild, das eigentlich Männerfreundschaften vorbehalten war. Keiner der späteren Korrespondenten Luise Dorotheas vergaß, ihre Oberhofmeisterin, die „grande maîtresse des cœurs“, die Groß- bzw. Oberhofmeisterin der Herzen, wie Voltaire sie bezeichnete, zu grüßen und zu würdigen.

Belege dafür, dass diese enge Freundschaft zu Spannungen mit der Umgebung führte, gibt es allerdings einige. Der jüngste Sohn Luise Dorotheas warf seiner Mutter mehrmals vor, die Oberhofdame mehr als die eigenen Kinder zu lieben, und von Thun spöttelte einmal, dass es von der Buchwald mehrere Exemplare geben solle, damit auch deren Gatte eins haben könne. Juliane Franziska überlebte nicht nur ihren Gemahl und ihre einzige Tochter Friederike Luise, die 1761 bzw. 1764 starben, sondern auch Luise Dorothea. Bis dahin waren beide Frauen der Kern eines weiblichen Paralleluniversums am Gothaer Hof, das aufs engste mit den politischen und geselligen Institutionen auf Schloss Friedenstein verzahnt war. Ernst Christoph von Manteuffel bezeichnete es in seinen Briefen an die Herzogin anspielungsreich als „Gynäzeum“ und als „Geheimes Damen-Ratskollegium“.

Ein „Christfürstliches Eheverbindniß“ –

Luise Dorothea als Braut und Erbprinzessin

Die Verhandlungen zur Eheschließung mit Erbprinz Friedrich von Sachsen-Gotha-Altenburg begannen 1726. Luise Dorothea war 16, Friedrich, seit zwei Jahren von seiner Kavalierstour in die Niederlande, nach Frankreich, England und Italien zurückgekehrt, war 27 Jahre alt. Die von Juristen beider Höfe geführten, mehrere Akten füllenden Vorverhandlungen dauerten fast drei Jahre, bevor der Ehevertrag aufgesetzt werden konnte. Die junge Prinzessin band an die Eheschließung ganz offensichtlich große Hoffnungen, konnte sie dadurch doch den anhaltenden schweren Zerwürfnissen im Meininger Haus entkommen. Auf den Witwensitz der Stiefmutter Elisabeth Sophie, die Römburg bei Coburg, wollte sie definitiv nicht umziehen. In diesem Wunsch wurde sie von ihrer Stiefmutter unterstützt. Schon im Dezember 1727 bat sie ihre Vormünder, sich „in ihrem alten logement patientiren und in den vier Zimmern in der untersten Etage des Meininger Schlosses wohnen bleiben“ zu dürfen, da sich der beschwerliche Umzug nach Coburg nicht lohne. Ob der Bitte stattgegeben wurde, muss offen bleiben. Die ersten sechs überlieferten Briefe an den zukünftigen Gemahl schrieb Luise Dorothea jedenfalls aus Coburg.

Am 12. Juli 1729, reichlich zwei Wochen vor dem öffentlichen Verlöbnis, dankte Luise Dorothea in einem ersten überlieferten Brief dem Gothaer Erbprinzen und Cousin „vor die gütige intention so Ew. Lbd. vor mich hegen wollen“. Die bevorstehende Eheschließung war für sie ganz im Sinne der lutherischen Konfession Ausdruck göttlicher Vorsehung. Sie betrachtete „diese gantze Sache als eine schickung der Göttl. Providense“. In der Abschlussformel grüßte sie ihren Versprochenen völlig konventionell entsprechend der Geschlechterhierarchie als „Durchlauchtigster Princ Hochgeehrtester Cousin Ew. Lbd. gantz ergebene Base und Dienerin Louise Dorothée“. Der Inhalt ihrer sechs Brautbriefe betrifft scheinbar Kleinigkeiten. So berichtete sie am 3. September 1729 aus Coburg über „das Vergnügen die beyden Princessinen von Rudelstadt hier zu haben, der jüngste Princ welcher mit seinen Schwestern gekomen, ist heute wieder nach Italien abgereyset.“ Nie vergaß sie, die Familie des zukünftigen Gatten zu grüßen. So unerheblich diese kleinen Berichte aus heutiger Sicht erscheinen – sie belegen, dass die zukünftige Gothaer Erbprinzessin es für ihre Pflicht hielt, den Bräutigam und späteren Landesfürsten minutiös über die Geschehnisse um sie herum auf dem Laufenden zu halten und so ihre Loyalität unter Beweis zu stellen.

Die frühen Briefe zeigen sie als gewandte Schreiberin. In der Sprachwahl kam sie Friedrich entgegen, der zeit seines Lebens die deutsche der französischen Sprache vorzog. Ihre Briefe sind knapp, gut strukturiert und aufs Wesentliche konzentriert. Dies und eine versierte Handschrift zeugen von ausgeprägter Schreiberfahrung. Überschwängliche emotionale Passagen, wie man sie heute vielleicht in Brautbriefen erwarten würde, sind an keiner Stelle zu finden. Luise Dorothea war dazu erzogen worden, die eigenen Gefühle zu kontrollieren, dem Verstand und der Selbstbeherrschung, der Affektkontrolle im Sinne neostoischer Philosophie den Vorrang zu geben.

Am 14. September 1729 war dann die Eheberedung abgeschlossen. Eine Urkunde mit 22 Klauseln wurde aufgesetzt und in zwei prächtigen, gesiegelten Pergamentexemplaren, geschrieben mit goldener, blauer und roter Tinte, in Meiningen und Gotha hinterlegt. Der Ehevertrag wurde des „Fürstlichen Hauses Sachsen Gewohnheit und der Fürst-Großväterlichen Ernestinischen und Väterlich Ernst Ludwigischen Testamentarischen Verordnung nach“ geschlossen und sicherte die finanziellen sowie rechtlichen Lebensgrundlagen Luise Dorotheas. Auch wenn aus ihren Brautbriefen ein freundliches, eifriges Bemühen um die Anerkennung durch ihren Bräutigam und Gatten hervorgeht und in der urkundlichen Vereinbarung betont wird, dass die Eheschließung „mit dem guten und ungezwungenen Belieben und freyen Willen“ des zukünftigen Paares zustande gekommen sei, war die Verbindung keine Liebesheirat. Es war eine Zweckehe, ein Vertrag zwischen zwei fürstlichen Häusern. In der Präambel wurden die Ziele der Eheschließung entsprechend eindeutig benannt: An erster Stelle standen der Erhalt und die Fortsetzung der „guten Freundschafft und Vertraulichkeit der beiden Fürstenhäuser und deren noch stärkere(n) Vereinigung“, also eindeutig die dynastische Stärkung des ernestinischen Zweigs der Wettiner. Die Eheschließung wurde als Akt des Gotteslobes bezeichnet, und da Braut und Bräutigam gleichermaßen Lutheraner waren, mussten keine zusätzlichen Klauseln eingefügt werden, in denen die jeweilige Religionsausübung bzw. -zugehörigkeit künftiger Nachkommen festgelegt wurden. Und nicht zuletzt wurde die Ehe des Gothaer Erbprinzen mit seiner Cousine geschlossen, um durch beider männliche Nachkommen eine kontinuierliche Herrschaftsabfolge „als eine Garantie für die Stabilität und Entwicklung von Land und Leuthen“ zu gewährleisten.

In weiteren Punkten des Ehevertrages wurden die Grundlagen der finanziellen Sicherstellung Luise Dorotheas, eine Art Kostenausgleich zwischen beiden Familien, sowie die Altersvorsorge für den Fall der Witwenschaft geregelt. So hatte die Herkunftsfamilie 20 000 Meißner Gulden als Ehegeld und 6000 Meißner Gulden als Ausstattungs- und Schmuckgeld inklusive Kutsche und Pferden sowie die Präsente aus Anlass des Beilagers zu zahlen. Damit war Luise Dorothea in ihrem neuen Status als Gattin finanziell weitaus besser gestellt als in den Jahren zuvor, als sie noch unverheiratet am Hof zu Meiningen lebte. Da allerdings schon während der Eheberedung absehbar war, dass die Gelder von Meiningen nicht innerhalb eines Jahres vollständig gezahlt werden konnten, wurden Zahlungsvarianten zulasten des Bruders Karl Friedrich von Sachsen-Meiningen und des gemeinsamen Onkels Anton Ulrich festgelegt, die bis über den Tod Luise Dorotheas hinaus den Streit zwischen Gotha und Meiningen anheizen sollten.

Der Zwist begann als Auseinandersetzung um die Teilung des mütterlichen Erbes. Die Gothaer Räte klagten gegen den Bruder und forderten, dass Luise Dorothea „ein mehrers gebühre, weil ihr aus dem Vergleich einig Nachtheil erwachsen dörfte“. Es ging um Gold- und Silbergeschirr, Porzellan, Ringe, Porträts, Möbel, Kleidung, Matratzen, Uhren, ein Clavichord, vor allem aber um Juwelen. Seine Fortsetzung fand der Streit in mehreren Prozessen um die ausstehenden Ehegelder bis hin zur ausdrücklichen testamentarischen Aufforderung Luise Dorotheas an ihren ältesten Sohn, ihre Ansprüche gegenüber Sachsen-Meiningen nicht aus dem Auge zu verlieren.

Herzog Friedrich II. von Sachsen-Gotha-Altenburg seinerseits sicherte seiner Schwiegertochter in spe jährlich 2000 Rthl. zu, die mit fünf Prozent verzinst wurden. Damit könne sie „nach ihrem Willen […] schalten und […] walten“. Zugesichert wurden von Gothaer Seite außerdem ein standesgemäßer Unterhalt, die Versorgung ihres Hofstaats und ihrer Bediensteten sowie ein jährliches Handgeld in Höhe von 1200 Rthl. zur freien Verfügung. Die jährlichen Zinsen aus dem Ehegeld wurden von Gotha durch 500 Rthl. aufgestockt, so dass Luise Dorothea für den Fall der Witwenschaft jährlich 4500 Rthl. Witwengeld und das Amt Eisenberg als Witwensitz bekommen sollte. Festgelegt wurde für diesen Fall auch die Versorgung mit Naturalien: zwei Hirsche, zehn Bachen und 20 Rehe, 50 Hasen, 50 Rebhühner, 20 Krammetsvögel, zwölf Zentner Karpfen, sechs Zentner Hecht, sechs Schock Forellen, Holz zum Brauen, Brennen, Backen, Waschen.

Aus der Vormundschaft ihrer eigenen Familie ging die junge Prinzessin mit der Eheschließung juristisch in die Familie ihres Gatten über. Deutlich wird dieser Akt an den Unterschriften unter den Vertrag: Es sind die ihres Obervormundes und Onkels, Herzog Friedrich Wilhelm, sowie die des Schwiegervaters und zweiten Vormundes Friedrich II. Beide Fürsten sprachen auch im Namen der Stiefmutter bzw. der Gattin. Der Austritt aus der Ursprungsfamilie manifestierte sich zugleich in einem zweiten juristischen Akt: Luise Dorothea musste den sogenannten Verzicht leisten. Diese kleinere Urkunde unterschrieb sie im Gegensatz zum Ehevertrag als nunmehr Gothaer Erbprinzessin persönlich. Die eigene Stimme wurde allerdings eng an die ihres Gatten gebunden. Sie zeichnete mit „Rath, Wissen und Willen Unsers freundlichgeliebten Herrn und Gemahls Liebden sowie im Einklang mit den Gesetzen, Gewohnheiten und dem Herkommen im sächsischen Kur- und Fürstenhaus“. Damit verzichtete sie – wie alle weiblichen Angehörigen des Hauses – zugunsten des fürstlichen männlichen Stammes auf sämtliche Herrschafts- und Territorialansprüche im sächsischen Haus. Ausgenommen von diesem Verzicht waren allerdings die Güter Ludwigsburg bei Rudolstadt und Dreißigacker bei Meiningen, die laut Familienpakt ihr gehörten. Zu diesem Eigentum kam im Laufe ihres Lebens noch das Gut Effelder in der Nähe Meiningens. Es war in der Eheberedung mit einer Hypothek belastet worden, da Meiningen die 6000 Gulden Ehegeld nicht bar zahlen konnte.

Aus der Zeit nach der Eheschließung und dem Einzug auf Schloss Friedenstein (s. Abb. 3) sind nochmals sechs Briefe Luise Dorotheas erhalten, die sie Erbprinz Friedrich schrieb, als er auf Reisen war. Der erste Brief stammt vom 7. Juli 1730, der letzte vom 18. Oktober 1731. Auffallend ist, dass Luise Dorothea in fast fehlerfreies Französisch wechselte. Den Briefen ist zu entnehmen, dass sie eng an den Hofstaat der regierenden Gothaer Herzogin Magdalena Auguste aus dem Hause Anhalt-Zerbst und deren Töchter angebunden war. Sie berichtete gewissenhaft über Spaziergänge, Assembleen und Besuche. Pflichtbewusst leitete sie auch einen Brief des regierenden Herzogs an Erbprinz Friedrich weiter, obwohl sie wusste, dass das Schreiben erst nach dem Treffen der beiden Männer in Altenburg ankommen würde.

Bemerkenswert an den Briefen aus der Erbprinzessinnenzeit ist Folgendes: Schon in dieser Zeit verstand sie es, sich ihrem Gatten gegenüber bei der Beurteilung der übersandten Nachrichten als Partnerin zu positionieren. Mit ihrer Meinung hielt sie dabei nicht hinter dem Berg. So schrieb sie am 10. Juli 1730, die zu berichtenden Neuigkeiten gefielen ihr nicht, besonders die aus Sachsen-Weißenfels und die vom preußischen König. Vermutlich spielte sie auf die bevorstehende Hochzeit der Weißenfelser Prinzessin Johanna Magdalena mit dem 75-jährigen Herzog von Kurland an, die den Wettstreit europäischer Mächte um den Einfluss in Osteuropa kurze Zeit stoppte. Die zweite Nachricht könnte sich auf das Zerwürfnis zwischen König Friedrich Wilhelm I. von Preußen und Kronprinz Friedrich beziehen, der schon seit dem Frühjahr 1730 Fluchtpläne nach Frankreich schmiedete. Sie endeten für den Kronprinzen mit Festungshaft in Küstrin und der Hinrichtung seines Freundes Hans Heinrich von Katte.

Luise Dorotheas Bedürfnis, als politisch Interessierte und Urteilende in die Angelegenheiten am Gothaer Hof eingeweiht zu sein, spiegelt sich auch im Brief vom 12. Oktober 1731. Sie leitete dem in Tambach-Dietharz weilenden Erbprinzen ein wichtiges Schreiben mit dem Wunsch nach: „Darf ich die Bitte wagen, mir den Inhalt des Briefes mitzuteilen?“ Ihren frühen Briefen lässt sich der dringende Wunsch nach bedeutsamer Aktivität entnehmen, wenn sie gegenüber Friedrich bedauernd feststellte: „Ich habe Ihnen nichts weiter zu berichten, denn in unserer Einsamkeit passiert nichts, was Ihre Aufmerksamkeit verdient.“ Eine Klage, die zehn Jahre später gegenstandslos werden sollte, wie die großen Briefschaften der Herzogin zeigen werden.

Das minutiöse, regelmäßige Berichterstatten über den Tagesablauf, Kontakte und Ereignisse gegenüber abwesenden männlichen Familienmitgliedern war in fürstlichen Familien nicht ungewöhnlich. Es war, blickt man zum Beispiel auf die Kinderbriefe Wilhelmines von Bayreuth an ihren Vater, Teil weiblicher Gehorsamspflicht, eine Übung in Beobachtungsgabe und wesentlicher Bestandteil des permanent geforderten Informationsflusses Richtung Herrscher. Und so stand natürlich auch Luise Dorothea ihrerseits unter ständiger Beobachtung. Die Schwiegermutter Magdalena Auguste berichtete dem Sohn, ihrem „Engels-Fritzgen“, bei dessen Abwesenheiten über seine junge Gattin. Im Sommer 1732 wusste sie beispielsweise zu vermelden, dass diese noch nicht in den Garten zum Teetrinken kommen könne und dass sie auf den Erfolg einer Kur hoffe, der sich die Schwiegertochter unterziehe. Hatte die junge Herzogin eine Fehlgeburt erlitten?

Seit dem Tod Friedrichs II. am 23. März 1732 war Luise Dorothea an der Seite Friedrichs III. regierende Herzogin. Über die zehn folgenden Jahre ist aus ihrer Hand nichts Schriftliches überliefert. Ihre Urteile über das Erlebte zwischen 1732 und 1742 können nur aus späteren Briefen rekonstruiert werden. Sie erlebte in jenen Jahren die politisch und dynastisch brisanten und folgenreichen Hochzeiten ihrer beiden Schwägerinnen Friederike und Augusta. Erstere heiratete 1734 Herzog Johann Adolf II. von Sachsen-Weißenfels aus der Seitenlinie der albertinischen Wettiner. Luise Dorothea empfand die Schwägerin als sehr schwatzhaft, zu selbstbewusst und in ihren kulturellen Aktivitäten – sie war später Beschützerin der Sociéte des Aléthophiles (Gesellschaft der Wahrheitsfreunde) Ernst Christoph von Manteuffels in Weißenfels – als Konkurrentin. Diese Spannung lockerte sich mit dem Tod des Weißenfelser Herzogs 1746, der als Militär in kursächsischem Dienst gestanden hatte. Das Herzogtum fiel an Kursachsen zurück und Friederike, deren fünf Kinder alle zuvor verstorben waren, zog sich auf ihren Witwensitz nach Langensalza zurück. Besuche und Gegenbesuche zwischen Gotha und Langensalza gab es viele.

Die politisch bedeutendere Hochzeit war die der Schwägerin Augusta. Sie heiratete 1736 Friedrich Ludwig von Hannover, Prince of Wales, den Sohn König Georgs II. von Großbritannien, der zugleich Kurfürst von Hannover war. Ihr Sohn wurde als Georg III. 1760 König von Großbritannien und Irland sowie Kurfürst von Hannover. Diese Verwandtschaft stellte sich in den Bündniskonstellationen des Österreichischen Erbfolgekriegs und des Siebenjährigen Krieges als sehr problematisch heraus: Der englische König unterstützte im ersten Krieg Österreich, dann Preußen. Von der schwierigen Rolle Luise Dorotheas in den außenpolitischen Bündniskonstellationen zeugen ihre Briefentwürfe an die Schwägerin aus den 1750er-Jahren.

Nachdem sich Magdalena Auguste, die Mutter Friedrichs III., nach dem Tod ihres Gemahls sukzessive auf den Witwensitz nach Altenburg zurückgezogen hatte und 1740 starb, stieg Luise Dorothea zur unumstritten ersten Dame am Gothaer Hof auf.

„Spazieren Sie mit mir durch meine Zimmer“ –

Wohnräume und Hofstaat Luise Dorotheas

Dank eines Briefs der Herzogin aus dem Jahr 1751 ist eine genaue Beschreibung ihrer Wohnräume auf Schloss Friedensstein überliefert. Im Sommer des Jahres hatten umfangreiche Renovierungsarbeiten der fürstlichen Gemächer stattgefunden, bevor die Familie Anfang November wieder in die gewohnten Räume einziehen konnte. Luise Dorothea beschrieb sie ihrer ehemaligen Hofdame Friederike von Montmartin am 8. November 1751 voller Freude und Stolz. Der ausführliche Brief zeigt ein gewisses erzählerisches Talent der Herzogin, lädt sie die Adressatin doch zu einem Spaziergang durch ihr Reich ein: „Treten Sie zunächst ins erste Vorzimmer, dessen Wände mit goldgeblümter Ledertapete bespannt sind. Die Lambris, die Fensterrahmen, der Kamin und der Kaminschirm sind weiß und golden gestrichen. Über jeder Tür hängt ein Gemälde. Das zweite Vorzimmer, in dem sich die feine Gesellschaft versammelt, hat anstelle von Tapisserie eine braune Holztäfelung. Darin sind die Gemälde des Herzogs und meines Bruders eingelassen, die früher über den Kanapees in meinem zweiten Zimmer hingen. Neben der Tür zum Empfangszimmer hängen die Porträts des verstorbenen Herzogs und das seines Bruders in Großformat, über den Türen noch weitere Gemälde. Die Tür ist zweiflüglig. Anstelle der Spiegel gibt es zwei Trimeaux, mehrarmige Leuchter und einen großen Lüster aus Böhmischem Kristall. In den Ecken, neben den Porträts des verstorbenen Herzogs und seines Bruders, sind zwei Nischen. Eine verdeckt den Kaminabzug zum Audienzzimmer, in der anderen befindet sich der Ofen. Gehen wir nun ins Empfangszimmer. Es hat die gleiche Tapisserie wie früher, jedoch eine andere Holzverkleidung, braun wie die alte, aber mit Goldblättern verziert, die auch auf den Lambris, auf den Türen und an der Decke wiederzufinden sind. Die Decke ist völlig anders, aber mit dem alten Gemälde. Über den Türen hängen Gemälde. Vor den Fenstern gibt es innen und außen grüne Damastvorhänge mit Goldborte. Stühle, Sessel, Hocker, der kleine Wandschirm und die Fensterschirme sind von gleichem Stoff und aufeinander abgestimmt. Anstelle der Spiegel gibt es zwei Trimeaux mit Goldrahmen und zwei kleine Tische aus sehr schönem Marmor. […] Wie Sie wissen, Madame, liegt das Empfangszimmer zwischen dem Schlafzimmer und zwei anderen kleinen Zimmern.[…] Das Schlafzimmer ist so wie früher, nur gibt es anstelle des großen Betts die zwei kleinen, die Sie im vergangenen Sommer bei unserem Umzug gesehen haben. Die zwei kleinen Zimmer sind beide mit karmesinrotem Damast ausgestattet. Meine zwei Silbertische, Spiegel und alles Zubehör sind auf die zwei Zimmer verteilt. Die Lambris sind braun wie im Empfangszimmer, nur alles, was im ersten Gold ist, ist im zweiten Silber, dazu Gemälde, Stickerei, Wandteppiche. Nur die Stühle und Kanapees sind schlicht und die Decken ganz weiß.“

Was ist dieser ausführlichen Schilderung zu entnehmen, was macht diesen Brief so wertvoll? Luise Dorothea besaß innerhalb des Schlosses eine eigene repräsentative Wohnung mit sechs Zimmern. Die Anlage entsprach dem europäischen Modell aristokratischer Wohnarchitektur. Dementsprechend lebte das Ehepaar in zwei separaten, eigenständigen Bereichen, die einander spiegelbildlich zugeordnet und jeweils noch einmal nach ihrer Funktion gestaffelt waren. Die Räume Luise Dorotheas waren in drei Bereiche unterteilt, einen offiziellen mit zwei Vorzimmern und dem Empfangszimmer, von wo aus zur einen Seite der private Bereich der Herzogin mit zwei kleinen Räumen und zur anderen der intime mit dem Schlafzimmer abging. Ihre Privatbibliothek befand sich neben den Privatgemächern, wie das auch bei anderen Fürstinnen ihrer Zeit der Fall war. Das Schlafzimmer bildete zugleich den Übergang zum Wohn- und Repräsentationsbereich des Herzogs.

Die Ausstattung zeigt, dass die offiziellen Räume symbolträchtiger Repräsentation dienten. Es gab Goldverzierungen, kostbaren Damast, wertvolles Kristall, Deckengemälde, die Porträts der aktuellen Herrscher von Sachsen-Gotha-Altenburg und Sachsen-Meiningen sowie von deren Vätern. Etwas persönlicher waren die privaten Zimmer ausgestattet. Auch hier sind die Wände mit Damast überspannt. Die Herzogin betont jedoch deren schlichteren Charakter mit Silberverzierungen, nichtoffiziellen Gemälden, einfachen Möbeln. Interessant ist die Bemerkung zu den Veränderungen ihres Schlafzimmers: Dass dort nun anstelle eines großen Bettes zwei kleine standen, war eine dezente Anspielung darauf, dass das Herzogspaar im Alter von 41 bzw. 52 Jahren wohl auf ein gemeinsames Bett verzichtete. Obwohl der Herzog entsprechend der spiegelbildlichen Anlage der Wohnräume über ein eigenes Schlafzimmer verfügte, mutet es fast bürgerlich-familiär an, was Luise Dorothea ihrem Sohn Friedrich 1753 zur elterlichen Nachtruhe in einer kleinen Briefszene mitteilte: „Ihr Vater kommt in mein Schlafzimmer, um sich hinzulegen und lässt Sie tausendmal grüßen. Ich umarme Sie schnell ganz herzlich als Ihre gute und zärtliche Mutter Luise Dorothea. […] Ich wollte unserem guten Wangenheim noch eine Zeile schreiben, aber Ihr Vater gähnt schon zum dritten Mal und bedeutet mir, dass es fast Mitternacht ist.“

In ihren Herzogingemächern war sie von ihrem persönlichen Hofstaat umgeben. Er wurde in den Jahren 1739 bis 1761 vom Oberhofmeister Herrmann Schack von Buchwald geleitet. Dazu gehörten zunächst zwei, später vier Hofdamen. Hinzu kamen jeweils zwei Kammerfrauen, -mädchen, -diener und -lakaien, ein Frisör und drei Pagen. Das kleine Corps der Hofdamen setzte sich aus Angehörigen alter protestantischer Adelsfamilien zusammen, die in einem langwierigen, komplizierten Empfehlungs- und Auswahlverfahren im gesamten Alten Reich rekrutiert wurden. Sie kamen aus thüringischem, kursächsischem, hessischem, pommerschem oder elsässischem Uradel. Neben zahlreichen Wechseln durch Todesfall oder Hochzeit behielt Luise Dorothea zwei Damen bis zu ihrem Tode: die schon erwähnten Schwestern von Neuenstein, nach der Eheschließung Frau von Buchwald bzw. Frau von Nepita. Ein höchst beachtenswerter Bruch mit den strengen Auswahlkriterien für die Damen des Hofstaats war das Engagement der jungen, im April 1729 geborenen Friederike von Wangenheim.

Friederikes Mutter, Johanna Dorothea Gotter, stammte aus einer bürgerlichen Familie in Gotha, die erst 1721 in den Adelsstand erhoben worden war. Sie war die Schwester des Diplomaten Gustav Adolf von Gotter. Mit ihrer ersten Tochter war sie vorehelich schwanger und mit Karl Heinrich von Wangenheim aus dem verzweigten thüringischen Adelsgeschlecht verheiratet worden. Auch Friederikes Abkunft väterlicherseits gibt Raum zu Spekulation, zumal Luise Dorothea auf gemeinsame Blutsbande anspielt und sich später ungewöhnlich stark bei Friedrich III. für die Versorgung der verwitweten Mutter mit dem Rittergut Guthmannshausen einsetzte. Die frühreife Schönheit und Intelligenz der jungen Friederike brachten ihr den Beinamen La Singulière, die Einzigartige, aber auch, von Manteuffeil kreiert, den zweifelhafteren La Belle Punaise (die schöne Bettwanze) ein. Ihr Onkel Graf von Gotter schmückte sich gern mit ihrer Begleitung. Er arrangierte 1751, sekundiert vom Gothaer Herzogspaar, ihre Hochzeit mit seinem etwa 20 Jahre älteren, verwitweten Kollegen Friedrich Samuel von Montmartin. Wie Gotter war auch dieser Diplomat und eines der ersten Mitglieder der Berliner Freimaurerloge Aux trois Globes. Friedrich III. hatte ihn 1749 zu seinem Gesandten beim Immerwährenden Reichstag in Regensburg ernannt. Für die junge Frau war diese arrangierte Eheschließung rundum ein sozialer Aufstieg.