Inhaltsverzeichnis

ZUM BUCH

 

Das Buch enthält spirituelle und praktische Hilfen für die Gestaltung von Gebetszeiten und Gottesdiensten bei Trauerfällen: Gebete im Trauerhaus und bei der Aussegnung, alternative Gesätze und meditative Einfügungen beim Sterberosenkranz, Trauerfeier und Beerdigung, Trauerfeier für ein verstorbenes Kind, biblische Lesungen und Meditationstexte, Fürbitten, Segensgebete, Traueransprachen für verschiedenste Situationen u. v. a. Außerdem hat der Autor auf der Basis der Enzyklika Laudato si' und anderer lehramtlicher Dokumente Gestaltungselemente für Tierbestattungen erarbeitet.

Die sensibel formulierten Gebete und Gedanken spiegeln die große seelsorgliche und familientherapeutische Erfahrung des Autors im Umgang mit trauernden Menschen.

 

 

ZUM AUTOR

 

Manfred Hanglberger, geb. 1952, ist Priester und Familientherapeut. Zahlreiche Publikationen zur Lebenshilfe aus familientherapeutischer und seelsorglicher Sicht.

MANFRED HANGLBERGER

 

 

Trauergebete, Traueransprachen

 

Texte am Sterbebett, für Trauerandachten und Beerdigungen

 

 

 

 

 

 

 

 

VERLAG FRIEDRICH PUSTET
REGENSBURG

IMPRESSUM

 

 

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

 

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

 

 

4., neu bearbeitete und ergänzte Auflage 2017

eISBN 978-3-7917-6107-7 (epub)

© 2017 Verlag Friedrich Pustet, Regensburg

Umschlaggestaltung: Martin Veicht, Regensburg

eBook-Produktion: Friedrich Pustet, Regensburg

 

Diese Publikationen ist auch als Printprodukt erhältlich:

ISBN 978-3-7917-2886-5

 

Weitere Publikationen aus unserem Verlagsprogramm finden Sie unter:

www.verlag-pustet.de

 

Einleitung

Bei Grenzerfahrungen wird das Leben oft in dramatischer Weise „frag-würdig“. Wenn menschliche Vertrauensbeziehungen oder grundlegende materielle Sicherheiten durch den Tod eines Menschen wegbrechen, wird das tastende Suchen nach dem, was den Gefühlen und Gedanken Halt verleihen könnte, in einer intensiven Weise lebendig. Religionen und Weltanschauungen sind in ihren Denk- und Glaubenssystemen vor allem von Grenzerfahrungen her zu verstehen.

Es gehört zum Wesen der Religion, für die Bewältigung von Grenzsituationen nicht nur Glaubenssätze anzubieten, sondern den betroffenen Menschen durch Gebet, Meditation und Riten in eine lebendige Beziehung zur transzendenten Wirklichkeit zu bringen, die wir Christen Gott nennen, eine Wirklichkeit, aus der einem Kraft und Trost zufließen. Die Beziehung zu Gott ist zu verstehen als eine Beziehung zu einem personalen Gegenüber, das gleichzeitig hineinreicht bis in das Innerste des Wesens eines jeden Menschen, als eine Wirklichkeit, die ihn gleichzeitig verbindet mit dem großen Lebenszusammenhang der Natur und ihm entgegenkommt in der Vielfalt der Geschöpfe und besonders in liebevollen Beziehungen zu anderen Menschen. Wie wir uns sein Wirken in der Welt und in den darin stattfindenden Ereignissen vorstellen und auch sein Wirken im Menschen selbst und in seinen Beziehungen zu anderen, prägt entscheidend die Art und Weise, wie wir beten.

Gerade in den Lebenserfahrungen mit Krankheit, Sterben, Tod und Trauer werden gewisse Unterschiede in den Glaubensvorstellungen sichtbar. Meine Gebete wollen auch kirchenfernen oder nichtgläubigen Menschen Hilfe in Grenzsituationen ihres Lebens sein. Auch wenn jede soziologische Großgruppe, wie die Kirche, verständlicherweise eine gewisse Insidersprache entwickelt, ist es trotzdem notwendig, die „Katholizität“, die allumfassende Gültigkeit christlichen Glaubens immer wieder in einer Sprache zu formulieren, die die Chance hat, auch Menschen zu erreichen, die dieser soziologischen Großgruppe nicht angehören.

Die offiziellen Texte in den kirchlichen Trauergottesdiensten sind nicht unproblematisch, denn in ihnen wird die Beziehung des Menschen und auch des Verstorbenen zu Gott in erster Linie vom Schuldthema her formuliert: Der Mensch wird dort vor allem als Sünder gesehen und deshalb wird Gott vor allem darum angefleht, dass er dem Verstorbenen seine Schuld verzeihe, ihm sein Erbarmen schenke, dem Sünder gnädig sei, ihm seine Vergehen nicht anrechne, ihm trotz seiner Sündhaftigkeit das ewige Heil schenke und ihm den Himmel öffne. Es ist wichtig und seelisch notwendig, gegen die Schuldverdrängung der modernen Gesellschaft anzugehen; denn diese meint, belastende Emotionen, ob Trauer oder Schuldgefühle, mit Medikamenten, mit Ablenkung und Verdrängung aus der Welt schaffen zu können. Ebenso problematisch ist aber das andere Extrem: den Menschen vorrangig als Sünder und damit von seiner negativen Seite her zu betrachten.

Der Mensch hat nicht nur das Problem, schuldig zu werden, er hat viele seelische Probleme, z. B. unsicher zu sein und Angst zu haben, Minderwertigkeitsgefühle zu haben und sich selbst nicht zu verstehen, starke Zorn- und Trauergefühle zu haben, mit anderen Menschen belastende Konflikte zu erleben, nicht verstanden zu werden und nicht verstehen zu können usw. Einen Menschen auf das Problem seines Schuldigwerdens zu reduzieren, und dies bei so fundamental wichtigen Handlungen wie beim Abschiednehmen von ihm im Rahmen eines Gottesdienstes, ist aus theologischer wie auch aus psychologischer Sicht fragwürdig. Die trauernden Angehörigen werden dann alleingelassen mit ihrem Hauptproblem, nämlich den rechten Weg der Trauer zu finden und zu gehen.

Es geht im Zusammenhang von Abschied und Trauer um einen oft schmerzhaften, aber wesentlichen menschlichen Reifungsprozess und um einen Prozess der Verwandlung der Beziehung zwischen Lebenden und Verstorbenen. Für diesen schwierigen Weg erbitten wir Gottes Beistand, um offen zu werden für die tröstende, versöhnende und heilende Kraft seiner Gnade. Zu dieser Verwandlung unserer Beziehung zu einem Verstorbenen gehört auch, ihn um seinen Segen zu bitten und damit zum Ausdruck zu bringen, dass wir sein Leben und seinen Tod achten und uns von ihm seelisch „nähren“ lassen. Nicht nur bei Menschen, die wir als Heilige verehren, können wir darum bitten, dass ihr Geist der Liebe, des Glaubens und der Hoffnung uns erfülle, wir können in ähnlicher Weise uns auch von den wertvollen seelischen Kräften unserer Verstorbenen beschenken lassen. Wenn wir bereit sind, von den Schattenseiten der Lebensgeschichte eines verstorbenen Menschen zu lernen, kann nicht nur das Positive und das Lichtvolle eines Menschen uns zum Segen werden, sondern auch das Bedrückende und Dunkle. Entsprechend müssen sich unsere Gebetsformulierungen ändern, damit sie seelisch heilsam und stärkend werden.

Komplementär zur primären Sicht des Menschen als Sünder steht die Vorstellung von einem strafenden Gott, der, so wie es nicht wenige Christen in der Kindheit gelernt haben, erst durch das grausame Opfer Jesu am Kreuz bereit gewesen sei, seinen Himmel für uns Menschen wieder zu öffnen. Unsere vielen Gebete sollen und können diesen Gott doch gnädig stimmen auch zugunsten unserer verstorbenen Angehörigen! In diesem alten Gottesbild, das bei vielen Gläubigen noch seine Wirkungen zeigt, erscheinen wir Menschen barmherziger als Gott. Denn wenn wir Gott anflehen um Barmherzigkeit für unsere Verstorbenen, erscheint dies so, als hätten wir unsere Probleme mit diesen schon gelöst; es besteht nur noch das Problem, wie wir Gott dazu bringen, dass er ihnen gnädig ist. Stellen wir uns damit nicht gewissermaßen moralisch über Gott?

Es gibt gläubige Christen, die wegen ihres Glaubens an eine Auferstehung meinen, nicht trauern zu müssen. Heftige und lang anhaltende Trauer ist für manche dieser Menschen ein Zeichen von zu wenig Glauben. Tatsächlich erlebte Trauerschmerzen sind für sie dann sehr verwirrend und manche wollen sie deshalb einfach nicht wahrhaben und versuchen sie zu verdrängen. So kann auch der religiöse Glaube an die Auferstehung der Toten dazu verleiten, sich das rechte Abschiednehmen zu ersparen und in einer Sehnsuchtshaltung mit der Hoffnung auf das Wiedersehen nach dem Tod zu verharren. Aber diese Form der Hoffnung verwandelt sich leicht in eine problematische Todessehnsucht, die die Verwandlung der Beziehung und das Zurückfinden zur eigenen Lebensenergie blockieren kann. Man verharrt in einer kindlichen Liebe, durch die man nicht erwachsen werden kann.

Nicht jeder Glaube an Auferstehung ist segensreich, hilfreich und wahr. Dies mag das folgende Beispiel verdeutlichen: Ein Mann kam zu mir und erzählte, dass er große Probleme habe, seine verstorbene Mutter loszulassen. Ich empfahl ihm, einen Abschiedsbrief für sie zu schreiben und diesen vor einem Bild der Mutter und einer brennenden Kerze vorzulesen; zuvor aber sollte er mir den Brief zu lesen geben. In einer sehr intensiven Weise hat er darin beschrieben, was er alles von seiner Mutter erhalten hat, was alles wichtig und wertvoll für ihn war, aber auch, wo er verletzt oder alleingelassen oder enttäuscht wurde. Am Ende des Briefes an seine Mutter schrieb er: „Ich weiß, dass wir uns wiedersehen und uns dann ganz fest in die Arme schließen werden. Darauf freue ich mich heute schon sehr und kann es kaum erwarten, dich in die Arme zu nehmen.“

Als ich das gelesen hatte, bin ich ein wenig erschrocken und spürte, dass diese Form von Glauben an die Auferstehung problematisch ist. Da wird die Auferstehung und die Verbundenheit mit dem verstorbenen Menschen nur in die Zukunft verlegt. Wenn das Wiedersehen in unserer Vorstellung das Wichtigste ist, dann werden wir blind für die Gegenwärtigkeit der Verstorbenen in unserem Leben.

Das war schon vor 2000 Jahren in der Beziehung zwischen den Aposteln und Jesus nach dessen Tod problematisch. Die nur in die Zukunft verlegte Wiederkunft Jesu beinhaltet die Gefahr, dass man das Leben, das man jetzt noch lebt auf dieser Welt, nur als eine Art Wartestellung, als Wartezimmersituation versteht oder als eine Verpflichtung, in der Zwischenzeit hier gute Werke zu vollbringen, für die man später im Himmel belohnt wird. Doch das Entscheidende ist, dass wir durch die Beziehung zu den Verstorbenen und durch die Beziehung zur Realität des Todes und damit zu unserer eigenen Vergänglichkeit ein Gespür für die Bedeutung unseres gegenwärtigen Lebens entwickeln, dafür, was heute das Wertvolle, das Notwendige, das menschlich Sinnvolle ist.

Dafür feiert die Kirche die Sakramente, in denen es um eine Vergegenwärtigung des Geistes Jesu geht. Der Verstorbene (Jesus Christus) wird im sakramentalen Brot gegenwärtig als der, der die jetzt Lebenden seelisch nährt. Ähnliches ist grundsätzlich auch für unsere Beziehung zu unseren persönlichen Verstorbenen möglich, wenn wir sie in rechter Weise verabschieden, ehren und sie um ihren Segen bitten. Dafür müssen diese keine Heiligen sein, denn wir können sie auch dadurch ehren und Segen von ihnen erfahren, dass wir bereit sind, auch von ihren Fehlern und von ihrem vielleicht schweren Schicksal zu lernen.

Ich sagte zu dem Mann im oben genannten Beispiel: „Es ist wichtig, dass Sie entdecken: Ihre Mutter ist gegenwärtig. Einerseits ist sie gegenwärtig in Ihnen selber, andererseits schaut sie mit Wohlwollen von außen auf Sie und auf Ihr Leben.“ Ich empfahl ihm, am Schluss seines Briefes sinngemäß zu schreiben: „Mutter, segne mich, hilf, dass ich alles Liebe und Gute, das ich in meinem Leben von dir bekommen habe, heute umsetze in ein Leben, das wertvoll, sinnvoll und liebenswert ist.“ Die Toten helfen den Lebenden, dass diese hier eigenständig, empfindsam und verantwortungsvoll ihre Aufgaben in dieser Welt erkennen und bewältigen, nicht, dass sie eine Todessehnsucht entwickeln und möglichst schnell von der Welt Abschied nehmen wollen. Wenn man die Eltern loslassen kann, dann sind sie in einer anderen Weise da, segnend und seelisch nährend, sodass man dadurch eigenverantwortlich, mündig und selbstständig wird.

Um diesen Unterschied noch einmal zu verdeutlichen: In einer Sehnsuchtsbeziehung habe ich in einer kindlichen Rolle die Eltern vor mir, ich möchte auf sie zugehen. Die Eltern sind das Ziel. Aber in einem solchen Zugehen auf sie kehre ich zurück in meine Kindheitssituation und drücke ein Nachholbedürfnis aus.

Im anderen Fall habe ich die Eltern hinter mir. Sie segnen mich und ermutigen mich, meinen Weg nach vorne zu gehen, sie loszulassen, aber ihnen in meinem Herzen einen guten und bleibenden Platz zu geben auf meinem Weg, meine Aufgaben in der Welt zu finden, zur größeren Welt dazuzugehören, ein umfassendes Dazugehörigkeitsgefühl, eine umfassende Liebe und Lebensbejahung gegenüber dem Ganzen der Welt zu entwickeln. Der Glaube an die Auferstehung ist der Glaube an die Gegenwärtigkeit der Toten, an das segnende Wirken unserer Verstorbenen für uns Lebende und an den Beginn der Auferstehung schon vor dem Tod.

Der Glaube allein, dass die Verstorbenen bei Gott sind und das ewige Heil erlangt haben, kann den eigenen Schmerz um den Verlust dieser Menschen nicht auflösen. Deshalb ist die in unserer Zeit manchmal vorkommende Praxis auch problematisch: im Trauergottesdienst vor allem Auferstehungslieder zu singen und auf Trauerkleidung und liturgische Trauerfarbe zu verzichten, weil doch der Verstorbene in die Herrlichkeit Gottes eingegangen ist und dies kein Grund für Trauer sei.

Aber wir betrauern ja nicht nur den Schmerz des Verstorbenen wegen der Beendigung seines Lebens und der damit eventuell verbundenen Beraubung weiterer Lebensmöglichkeiten, sondern wir betrauern vor allem auch unseren eigenen Schmerz, weil wir diesen Menschen verloren haben, und dieser Schmerz braucht auch eine Würdigung und eine Ausdruckshilfe in den Liedern, Gebeten und in der äußeren Gestaltung des Trauergottesdienstes.