Inhaltsverzeichnis

Zum Buch

 

Wie kommt es eigentlich, dass das orthodoxe Osterfest nur selten gleichzeitig mit dem der westlichen Christenheit gefeiert wird? Der Grund dafür sind verschiedene christliche Kalendersysteme, die der Autor historisch erschließt und mit dem jüdischen und islamischen Kalender abgleicht. Ein weiteres Kapitel widmet sich dem zentralen christlichen Fest, Ostern, und dem Osterfestkreis in seiner römisch-katholischen Gestalt, darauf folgen Gehalt und Gestalt der übrigen Feste im Jahreskreis. Den Abschluss bildet ein Überblick über die Festkultur in anderen christlichen Kirchen.

Wie im „Crashkurs Liturgie“ und in „Liturgie im Rhythmus des Tages“ verbindet der Autor eine Fülle von Informationen mit einer gut lesbaren Darstellung, die durch zahlreiche schematische Übersichten unterstützt wird.

 

 

 

Zum Autor

 

Liborius Olaf Lumma,
Dr. theol., Privatdozent, geb. 1973, ist Universitätsassistent an der Universität Innsbruck und vertritt z. Zt. den Lehrstuhl für Liturgiewissenschaft der Universität Münster.

Liborius Olaf Lumma

 

 

 

Feiern im Rhythmus des Jahres

 

Eine kurze Einführung in christliche Zeitrechnung und Feste

 

 

 

 

 

 

 

Verlag Friedrich Pustet
Regensburg

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

 

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Angaben sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

 

 

eISBN 978-3-7917-6083-4 (epub)
© 2016 by Verlag Friedrich Pustet, Regensburg
eBook-Produktion: Friedrich Pustet, Regensburg
Umschlaggestaltung: Martin Veicht, Regensburg

 

Diese Publikation ist auch als Printprodukt erhältlich:
ISBN 978-3-7917-2771-4

 

Weitere Publikationen aus unserem Programm finden Sie auf www.verlag-pustet.de

Informationen und Bestellungen unter verlag@pustet.de

Vorwort

Nach dem „Crashkurs Liturgie“ (erstmals 2010, mittlerweile in 3. Auflage 2015 erschienen) und der Einführung in die Tagzeitenliturgie „Liturgie im Rhythmus des Tages“ (2011) darf ich ein drittes, an eine breitere Öffentlichkeit gerichtetes Sachbuch im Verlag Friedrich Pustet veröffentlichen. Dieses Buch soll in Kalendersysteme und christliche Feste einführen. Den Schwerpunkt bildet die römisch-katholische Kirche, doch soll sich bei der Lektüre der Horizont auch auf andere christliche Traditionen und in kleinen Ansätzen auf Judentum und Islam weiten.

Anders als meine bisherigen Sachbücher beruht dieses nicht auf einer universitären Lehrveranstaltung. Ich habe auf kein fertiges Manuskript zurückgegriffen, sondern für dieses Buch ein eigenes Konzept erarbeitet und mich dabei für eine Gliederung in vier Teile entschieden.

Im ersten Teil (Kapitel 1–10) sollen die wichtigsten christlichen Kalendersysteme, die heute in Gebrauch sind, erschlossen und mit dem jüdischen und islamischen Kalender verglichen werden.

Der zweite Teil (Kapitel 11–20) widmet sich dem Osterfest in seiner heutigen römisch-katholischen Gestalt.

Der dritte Teil (Kapitel 21–30) ist all dem gewidmet, was das römisch-katholische Kirchenjahr außerhalb von Ostern an hohen und weniger hohen Festen zu bieten hat, wobei auch ein Ausflug in die recht bürokratische, aber doch unverzichtbare Kunst des sicheren Umgangs mit den kirchlichen Normen für die Zusammenstellung des Kirchenjahres und seiner Feiern enthalten ist.

Der vierte Teil (Kapitel 31–40) schließlich stellt andere christliche Festkulturen vor. Dafür gibt es anderswo ohne Zweifel ausführlichere Informationen als hier, diese Kapitel sollen nur einen bescheidenen Beitrag leisten, für die gewachsene Fülle und bereichernde Vielfalt christlicher Feierkulturen zu sensibilisieren.

Für das Buch ist vorausgesetzt, dass die Leserinnen und Leser zumindest mit zentralen Fachbegriffen aus der römisch-katholischen Eucharistiefeier und der Tagzeitenliturgie vertraut sind. Sicherheitshalber ist dem Buch ein kleines Glossar angefügt, das häufiger auftauchende Fachbegriffe möglichst knapp zu erläutern versucht.

Ich gebe zu, etliche Informationen um des leichteren Verstehens willen vereinfacht zu haben. Das Buch soll „eine kurze Einführung“ sein, wie der Untertitel es auch sagt. Eine vertiefte Beschäftigung mit den dargestellten Themenfeldern soll durch dieses Buch nicht ersetzt, sondern ermöglicht werden.

 

 

 

Teil I

DER KALENDER

Kapitel 1
Die astronomischen Gegebenheiten

 

 

 

Mondmonat und Sonnenjahr

Bestimmte Tageszeiten konnten Menschen schon immer und ohne besondere technische Hilfsmittel leicht ermitteln: Tagesanbruch (wenn die Dämmerung die Nacht beendet), Sonnenaufgang (wenn die ersten Strahlen der Sonne im Osten sichtbar werden), Sonnenuntergang (wenn die letzten Strahlen der Sonne im Westen verschwinden) und Mittag (wenn die Sonne am höchsten Punkt steht) sind recht eindeutige Angaben. „Wir treffen uns bei Sonnenuntergang“, „Am Mittag dürft ihr eine Arbeitspause machen“, „Euer Fest soll die ganze Nacht dauern, zum Sonnenaufgang aber soll es beendet sein“ – das genügte über viele Generationen, um den Alltag von Menschen zu ordnen. Dass im Sommer die Zeit von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang länger dauert als im Winter, war nicht zu übersehen – aber das ändert nichts daran, dass man derartige Zeitangaben verwenden kann, um verlässliche Vereinbarungen, Arbeitszeiten, Essenszeiten, Zeiten für religiöse Zeremonien usw. zu ermöglichen.

Schwieriger wird es hingegen, längere Zeiträume eindeutig festzulegen. Woran erkenne ich, dass ein Jahr vergangen ist? Wie erkenne ich den kürzesten Tag des Jahres, den längsten Tag des Jahres, das Frühjahrs- oder das Herbstäquinoktium (also die beiden Tage, an denen Tag und Nacht gleich lang sind)? In menschlichen Kulturen hat das Jahr schon immer eine große Rolle gespielt: Wir zählen das Alter eines Menschen in Jahren, wir gedenken wichtiger Ereignisse im jährlichen Abstand, Religionen feiern jährliche Feste, Soldaten werden für ein oder zwei Jahre in den Dienst ihres Herrschers genommen, Geld wird für ein Jahr verliehen und dann zurückgefordert. Vor allem aber ist die Jahresbestimmung für die Landwirtschaft überlebenswichtig: Aussaat und Ernte müssen zur richtigen Zeit erfolgen, weil sie dem Rhythmus der Jahreszeiten unterliegen.

Um solche Abläufe genau bestimmen zu können, stand den Menschen lange Zeit nur der Blick in den Himmel zur Verfügung: Der Winkel, aus dem die Sonne auf die Erde scheint, die Bewegungen der Sterne und die Mondphasen lassen sich beobachten und vorausberechnen. Die Mondphasen bieten außerdem eine gute Gelegenheit, zwischen dem Tag (als einer sehr kurzen Zeiteinheit) und dem Jahr (als einer sehr langen Zeiteinheit) noch eine weitere Größe festzulegen: den Monat.

All dies möglichst genau erfassen zu wollen, war eine der größten Triebfedern in der Entwicklung menschlicher Wissenschaft. Wie sich zeigt, war erheblicher Aufwand nötig, um alle erforderlichen Naturbeobachtungen in mathematische Verhältnisse zueinander zu setzen und dann Ereignisse vorausberechnen zu können.

Für den (Mond-)Monat gilt etwa: Wer an einem Neumond-Tag mit der Zählung der Tage beginnt, der beobachtet den nächsten Neumond mal am 30., mal am 31. Tag. Im Schnitt sind es ungefähr 29 Tage, 12 Stunden und 44 Minuten von Neumond zu Neumond (der synodische Monat).

Wer das (Sonnen-)Jahr beobachtet (z. B. von Frühjahrsäquinoktium zu Frühjahrsäquinoktium), der erreicht mal 365, mal 366 Tage – im Schnitt ungefähr 365 Tage, 5 Stunden und 49 Minuten (das tropische Jahr).

Wer einen Jahreskalender erstellen möchte, der sowohl den Mondmonat als auch das Sonnenjahr berücksichtigt, wird feststellen, dass es mathematisch nicht möglich ist, beides zusammenzubringen. Mondmonate und Sonnenjahr laufen nicht parallel zueinander: Ein Sonnenjahr besteht aus etwa 12,4 Mondmonaten.

Die Kalendermacher der Menschheit mussten sich entscheiden, ob sie ihre Berechnungen in erster Linie auf den Mondmonat oder auf das Sonnenjahr stützen wollten. Kalender, die den Mondmonat als Ausgangsgröße verwenden, bezeichnet man als lunar (lateinisch luna = Mond), solche, die am Sonnenjahr orientiert sind, als solar (sol = Sonne). Darüber hinaus lassen sich Kompromisslösungen entwickeln, indem man zunächst von Mondmonaten ausgeht, aber die Zahl der Mondmonate pro Jahr schwanken lässt, um eine ungefähre Übereinstimmung mit dem Sonnenjahr zu erreichen. Diese Gruppe von Kalendersystemen heißt lunisolar.

 

 

 

Woche

Tritt zwischen den Tag und den Monat noch eine weitere Größe, so entsteht die Woche. Leider zeigt sich hier eine ähnliche Komplexität wie beim Zusammenhang von Monat und Jahr:

Geht man von 30 Tagen pro Mondmonat aus, kann man den Monat in 6 Wochen mit jeweils 5 Tagen, in 5 Wochen à 6 Tage, in 3 Wochen à 10 Tage oder in 2 Wochen à 15 Tage untergliedern. Aber: Nicht jeder Mondmonat hat 30 Tage, ungefähr jeder zweite kommt auf 29 Tage. 29 ist aber eine Primzahl, sie lässt sich also überhaupt nicht mehr gleichmäßig unterteilen.

Leichter wäre es, von 28 Tagen auszugehen: Das ergäbe 4 Wochen – in ungefährer Entsprechung der 4 Mondphasen – mit jeweils 7 Tagen. Um dies mit der realen Dauer des Mondmonats von 29 oder 30 Tagen abzugleichen, müsste man jedem 28-Tage-Monat noch einen oder zwei zusätzliche Schalttage hinzufügen. Dann muss entschieden werden, ob man während dieser überzähligen Tage die Sieben-Tage-Woche weiterzählen oder sie außer Kraft setzen soll. Im ersten Fall könnte man nicht mehr jeden Monat mit einem „ersten Tag der Woche“ beginnen lassen, im zweiten Fall hätte man Tage, die zu keiner Woche gehören, also aus dem Wochenschema ganz herausfallen (sie werden manchmal als weiße Tage bezeichnet).

 

 

 

Komplexität der Kalender

Kurzum: Der Lauf der sichtbaren Gestirne kommt dem menschlichen Bedürfnis nach präziser Jahresmessung und sinnvollen Untergliederungen des Jahres nur wenig entgegen. Jeder Versuch, daraus einen einfachen, eleganten Kalender zu entwickeln, wird zu einem komplizierten mathematisch-astronomischen Verwirrspiel. Wenn – so ist es jedenfalls die Überzeugung der biblischen Überlieferung – hinter all diesen Gesetzmäßigkeiten ein bewusst handelnder Schöpfergott steckt, dann wird man diesem Gott eine gewisse Verschmitztheit kaum absprechen können: Auf kaum eine andere Weise hat er menschliches Bemühen um wissenschaftliche Entwicklung so sehr befeuert wie durch die bizarre Anordnung der astronomischen Gegebenheiten, die dem menschlichen Forschergeist alles abverlangten, um den Lauf der Zeit gliedern und vorausberechnen zu können.

Dieses Buch wird etliche in der Menschheitsgeschichte entstandene Kalendersysteme außer Acht lassen und sich auf einen europäischen und gegenwartsbezogenen Blickwinkel beschränken. Fernöstliche Kulturen kommen ebenso wenig vor wie afrikanische oder solche der Urbevölkerungen aus Nord-, Mittel- und Südamerika. Doch bereits in den wenigen Großkulturen, die in der europäischen Wahrnehmung von Bedeutung sind, finden sich sowohl lunare als auch solare als auch lunisolare Kalender.

Paradebeispiel eines lunaren Kalenders ist der islamische (siehe Kapitel 10).

Lunisolar ist der in der Bibel grundgelegte jüdische Kalender, der im folgenden Kapitel 2 erläutert werden soll.

Sämtliche christliche Kalendersysteme – sie bestimmen heute nicht nur den kirchlichen, sondern auch den staatlichen Alltag und sind seit ihrer Verbreitung in der Epoche des Kolonialismus und in der internationalen Politik des 20. Jahrhunderts überall auf der Welt zu finden – sind solar: Sie stellen das Sonnenjahr ins Zentrum der Berechnung, ohne Abgleich mit den Mondphasen.

Kapitel 2
Jüdischer Kalender

 

 

 

Lunisolarer Kalender

Als einziger der hier vorgestellten Kalender ist der jüdische lunisolar. Seine grundlegende Berechnungsgröße ist also der Mondmonat, zugleich wird der Kalender aber möglichst genau an das Sonnenjahr angepasst, so dass Jahresanfang und jährliche Festtage nur innerhalb eines geringen Spielraums schwanken und jedenfalls immer in die gleiche Jahreszeit fallen.

 

 

 

Sieben-Tage-Woche und Schabbat

Noch grundlegender für den biblisch-jüdischen Kalender ist allerdings die Sieben-Tage-Woche. Das Judentum ist nicht die erste Gesellschaft in der Geschichte, die ein siebentägiges Wochenschema verwendet, es hat aber der Sieben-Tage-Woche in zweierlei Hinsicht eine theologische und praktische Bedeutung gegeben, die bis heute die Weltgeschichte beeinflusst:

Erstens wird die Erschaffung der Welt als ein Geschehen erzählt, das einem siebentägigen Schema folgt (Gen 1,1–2,4a). Die Sieben-Tage-Woche ist demnach ein Grundprinzip der Schöpfungsordnung. Dies hat Konsequenzen für den Kalender: Es darf keine „weißen Tage“ geben, die keiner Woche zugehörig sind, sondern auf den siebten Tag einer Woche muss immer der erste Tag der nächsten Woche folgen.

Zweitens ist der siebte Tag der Woche ein Feiertag, ein Ruhetag nach dem Vorbild der Ruhe Gottes, der die Schöpfung in sechstägigem Wirken vollendete. In welcher Form diese Ruhe genau ausgeübt wird, kann sich innerhalb des Judentums deutlich unterscheiden, doch der Sinn des Ruhetags ist in den biblischen Texten recht klar definiert:

Zum einen geht die Ruhe auf Gott selbst zurück, der die Welt in sechs Tagen erschaffen hat, den siebten Tag aber der Ruhe über das gelungene Werk gewidmet hat: Es ist ein durch Ruhe gesegneter Tag der Vollendung (Gen 2,3; Ex 20,8–11).

Zum anderen erinnern der siebte Tag der Woche und die an ihm gelebte Ruhe an die Befreiung des Volkes Israel aus der ägyptischen Sklaverei (Dtn 5,12–15), das grundlegende Ereignis für das Selbstverständnis Israels und sein Verhältnis zu Gott. Das an diesem Tag bestehende Arbeitsverbot ist demnach in erster Linie als Freiheitsvergegenwärtigung zu verstehen: Durch die Arbeitsruhe werden soziale und ökonomische Machtmechanismen außer Kraft gesetzt. Kein Armer darf gezwungen werden, für einen Hungerlohn zu schuften, kein Schuldner kann von seinem Gläubiger verpflichtet werden, sich abzurackern. Dieses Ruhegebot geht so weit, dass auch Ausländer, Sklaven und sogar landwirtschaftliche Arbeitstiere daran gebunden sind (Dtn 5,14). Die jüdische Ur-Erfahrung der Freiheit von Sklaverei und von ungerechten Herren wird zu einer sichtbaren, erlebbaren Eigenschaft der ganzen Schöpfung: Gott hat alle und alles zur Freiheit berufen, und diese Freiheit wird am siebten Tag der Woche, dem Schabbat (Sabbat), durch eine konkrete Praxis gegenwärtig gesetzt.

Aus heutiger Sicht mag das biblische Ruhegebot als soziale Gängelung erscheinen: Dürfen Menschen nicht selbst entscheiden, wie sie mit ihrer Freizeit umgehen? Darf man nicht einmal dann arbeiten, wenn man es aus freier Entscheidung möchte? Doch „Frei-Zeit“ (und zwar unverdiente, allgemeine Freizeit für alle) kann es nur geben, wenn in einer Gesellschaft bedingungslose Schutzräume auch für die ökonomisch Schwachen bestehen. Einen solchen Schutzraum aber bietet das Ruhegebot am Schabbat. Der wiederkehrende siebte Tag der Woche ist ein Zeichen der Würde der Schöpfung, die von Gott nicht zur Sklaverei, sondern zur Freiheit bestimmt ist.

Der biblisch-jüdische Schabbat entspricht kalendarisch dem Samstag, dessen deutscher Name (ähnlich auch im Englischen saturday und im Französischen samedi) vom Planeten Saturn stammt, während romanische Sprachen die jüdische Bezeichnung übernommen haben, z. B. sabato im Italienischen, sábado im Spanischen. Auch das christliche Latein nennt diesen Tag sabbatum. Der Schabbat beginnt gemäß biblischer Stundenzählung mit dem Sonnenuntergang am Freitagabend und endet mit dem Sonnenuntergang am Samstagabend.

Dass sich jüdische Gemeinden am Schabbat (besonders am Freitagabend zur Eröffnung des Tages) auch zu einem gemeinsamen Gottesdienst treffen, ist zwar seit vielen Jahrhunderten verbreitet, aber theologisch nachrangig. Bis heute wird der Schabbat in erster Linie in der Familie begangen, im häuslichen Mahl und in der biblisch grundgelegten Ruhe.

 

 

 

Monate im jüdischen Kalender

Name

Verminderte Jahre

Reguläre Jahre

Übermäßige Jahre

Beginn im

bürgerlichen Jahr

2016/2017

Beginn im

bürgerlichen Jahr

2017/2018

Beginn im

bürgerlichen Jahr

2018/2019

Nisan

30 Tage

9. April 2016

28. März 2017

17. März 2018

Ijjar

29 Tage

9. Mai 2016

27. April 2017

16. April 2018

Siwan

30 Tage

7. Juni 2016

26. Mai 2017

15. Mai 2018

Tammus

29 Tage

7. Juli 2016

25. Juni 2017

14. Juni 2018

Aw

30 Tage

5. August 2016

24. Juli 2017

13. Juli 2018

Elui

29 Tage

4. September 2016

23. August 2017

12. August 2018

Tischri

30 Tage

3. Oktober 2016

21. September 2017

10. September 2018

Cheschwan

29 Tage

30 Tage

2. November 2016

21. Oktober 2017

10. Oktober 2018

Kislew

29 Tage

30 Tage

1. Dezember 2016

19. November 2017

9. November 2018

Tevet

29 Tage

30. Dezember 2016

19. Dezember 2017

9. Dezember 2018

Schevat

30 Tage

28. Januar 2017

17. Januar 2018

7. Januar 2019

Nur in Gemeinjahren:

Adar

29 Tage

27. Februar 2017

16. Februar 2018

Nur in Schaltjahren:

Adar I (Schaltmonat)

Adar II

30 Tage

29 Tage

6. Februar 2019

8. März 2019

Gesamtzahl der Tage

353 (Gemeinjahr)

383 (Schaltjahr)

354 (Gemeinjahr)

384 (Schaltjahr)

355 (Gemeinjahr)

385 (Schaltjahr)

 

 

 

Mondmonat

Der Monat im jüdischen Kalender ist ein Mondmonat, er ist also entweder 29 oder 30 Tage lang. Er umfasst demnach 4 Wochen mit jeweils 7 Tagen plus einen oder zwei weitere Tage. Wegen der ununterbrochenen Sieben-Tage-Woche fällt der Monatsanfang somit nicht immer auf den gleichen Wochentag. Der Monatsanfang ist definiert durch das erste Erscheinen der Mondsichel nach dem Neumond. Die genaue Bestimmung des Monatsanfangs wurde im biblischen Jerusalem durch Priester übernommen, die den neuen Monat öffentlich ausriefen, mittlerweile erfolgt die Berechnung nach genauen mathematischen Methoden und einem festen Schema, das spontane Beobachtungen unnötig macht.

 

 

 

Gemeinjahr und Schaltjahr

Das Jahr besteht im Regelfall (Gemeinjahr) aus 12 Monaten, die entweder 29 oder 30 Tage lang sind. Insgesamt ergibt sich meistens eine Jahreslänge von 354 Tagen (reguläres Gemeinjahr), manche Jahre haben nur 353 Tage (vermindertes Gemeinjahr), andere 355 Tage (übermäßiges Gemeinjahr).

Gegenüber dem Sonnenjahr ist das jüdische Gemeinjahr demnach etwa 10 bis 12 Tage zu kurz. Um dennoch eine weitestmögliche Anpassung an das Sonnenjahr vorzunehmen, wird siebenmal innerhalb von 19 Jahren (dem metonischen Zyklus, siehe Kapitel 4), und zwar jeweils im 3., 6., 8., 11., 14., 17. und 19. Jahr, ein 30-tägiger Monat eingeschaltet. Dieser Schaltmonat macht aus dem Gemeinjahr ein Schaltjahr, das dann 383 (vermindertes Schaltjahr), 384 (reguläres Schaltjahr) oder 385 (übermäßiges Schaltjahr) Tage hat.

Die Namen der 12 Monate und ihre Länge zeigt die Übersicht in dieser Tabelle. Wie schon gesagt, ist der Tagesanfang immer am (vorausgehenden) Sonnenuntergang anzusetzen. Die beigefügten Daten aus den bürgerlichen Jahren 2016/2017 bis 2018/2019 lassen gut verfolgen, wie die Monatsanfänge zunächst rückwärts durch das bürgerliche Jahr wandern, dann aber durch die Hinzufügung des Schaltmonats Adar I wieder ausgeglichen werden.

 

 

 

Jahreszählung

In der Jahreszählung folgt der jüdische Kalender einer Rückberechnung biblischer Daten bis zur Erschaffung der Welt. Nur sehr wenige bibelfundamentalistische Juden und Christen verstehen solche Berechnungen als exakte Datierungen im naturwissenschaftlichen Sinne. Biblische Zeugnisse sind als Glaubenserzählungen über das Verhältnis Gottes (als Schöpfer) zur Welt (als zeitgebundener Schöpfung) zu verstehen, nicht als Abfolge exakt datierter historischer Ereignisse. Gleichwohl bestimmt die hypothetische Rückberechnung der erzählten Geschichte die Jahreszählung des jüdischen Kalenders.

Der Jahresanfang und somit der biblisch bestimmte Schöpfungsbeginn wird auf den 1. Tischri datiert und durch ein Neujahrsfest (Rosch ha-Schana) am 1./2. Tischri begangen. Das in der Tabelle angegebene bürgerliche Jahr 2016/2017 entspricht dabei dem jüdischen Jahr 5776 und (ab dem 1. Tischri) 5777. In den Spalten daneben folgen somit die jüdischen Jahre 5777/5778 und 5778/5779.

Dass in der Tabelle der Monat Nisan als erster angegeben ist, liegt in dessen biblischer Qualifizierung als „erster Monat“, nämlich als der theologisch wichtigste. Ab dem 15. Nisan, beginnend am vorausgehenden Abend des 14. Nisan, wird eine ganze Woche lang das Pessachfest begangen, das der Vergegenwärtigung der Befreiung aus Ägypten gewidmet ist (Ex 12,1–15,21).

Bisweilen bezeichnet man den Tischri als den Beginn des „bürgerlichen jüdischen Jahres“ und den Nisan als Beginn des „religiösen jüdischen Jahres“.

 

 

 

Jüdische Feste

Mit Pessach ist bereits das zentrale Fest für das Selbstverständnis des israelitischen Gottesglaubens benannt. Unter den jüdischen Festen ist es auch dasjenige, das die Entwicklung christlicher Feierkultur am nachdrücklichsten beeinflusst hat (siehe besonders Kapitel 4, 11 und 12). Aufgrund der Gegebenheiten des Kalenders fällt der Beginn des Pessachfestes frühestens auf den 21. März und spätestens auf den 20. April.

Die wichtigsten jüdischen Feiertage neben dem Pessachfest sind die folgenden:

Schawuot wird sieben Wochen nach Pessach gefeiert; es begegnet manchmal in der deutschen Bezeichnung „Wochenfest“. Das Fest war in seiner ältesten Entwicklungsstufe ein Erntefest, erhielt aber später eine neue Deutung als Dankfest für die Thora, also die von Gott gegebene Lebensweisung Israels. – Die Doppelung von Pessach und Schawuot im Abstand von sieben Wochen wird sich im christlichen Doppelfest Ostern – Pfingsten wiederfinden (siehe Kapitel 20).

In den Monat Tischri, also in die Zeit September/Oktober fallen gleich mehrere bedeutende Feste: Rosch ha-Schana ist das schon genannte Neujahrsfest am 1. und 2. Tischri, Jom Kippur das theologisch höchstbedeutsame und im Neuen Testament umfangreich behandelte „Versöhnungsfest“ am 10. Tischri, die Zeit zwischen Rosch ha-Schana und Jom Kippur bildet eine Art Buß- und Besinnungszeit. Am 15. Tischri ist Sukkot, das „Laubhüttenfest“, dessen Ursprung wohl ebenfalls ein Erntedank bildet, das im Laufe der Zeit aber zu einem Gedenken der Wüstenwanderung Israels auf dem Weg aus der Sklaverei Ägyptens in das Gelobte Land wurde. Sukkot wird eine Woche lang gefeiert und dann, je nach Tradition am 22. oder 23. Tischri, durch Simchat Tora abgelöst, das im Mittelalter entstandene Dankfest für die Gabe der Thora.

Purim am 14. oder 15. Adar gedenkt der Befreiung Israels aus der angedrohten Vernichtung im babylonischen Exil, die das biblische Buch Esther überliefert.

Chanukka ist das Gedenken der Wiedereinweihung des Jerusalemer Tempels im Jahre 164 v. Chr., es dauert eine Woche und beginnt am 25. Kislev. Der Termin fällt in die Nähe des christlichen Weihnachtsfestes, was in der öffentlichen Wahrnehmung zu einer gewissen Parallelisierung führt.

Kapitel 3
Römischer und julianischer Kalender

 

 

 

Römischer Kalender im 2. Jahrhundert v. Chr.

Es würde für dieses Buch zu weit führen, die komplizierten astronomischen Berechnungen und die ägyptischen und etruskischen Kalendersysteme nachzuzeichnen, auf deren Grundlage sich im frühen 2. Jahrhundert v. Chr. ein lunisolarer Kalender mit festen Monatslängen für das Römische Reich etablierte. Da dieser römische Kalender aber bereits viel von dem erkennen lässt, was uns bis heute vertraut ist, sei er hier näher vorgestellt (siehe dazu die Übersicht).

Das Jahr besteht aus zwölf Monaten, deren Namen größtenteils bereits den bis heute gebräuchlichen entsprechen. Vier Monate haben 31 Tage, sieben Monate haben 29 Tage, der letzte Monat namens Februarius hat 28 Tage. Daraus ergibt sich eine Gesamtjahreslänge von 355 Tagen. Nach Bedarf – etwa jedes dritte Jahr – werden 22 oder 23 Tage hinzugefügt, es ergibt sich dann eine Gesamtlänge von 377 oder 378 Tagen.

Das klingt zunächst recht einfach, wird aber durch die genaue Anwendung der Schaltregel etwas komplizierter. Es wird nämlich nicht einfach ein dreizehnter Monat von 22 oder 23 Tagen eingefügt. Stattdessen wird der Februar um 5 Tage verkürzt, er hat dann also nur noch 23 Tage. Der angehängte Schaltmonat bekommt diese 5 Tage zugeteilt, hat somit insgesamt 27 oder 28 Tage.

Als erster Monat war der Martius („März“) festgelegt. Die Namen des fünften bis zehnten Monats ergeben sich daraus als einfache Nummerierung: Quintilius bedeutet „der fünfte“, Sextilis „der sechste“, Septembris „der siebte“ und so weiter. Der bei Bedarf hinzugefügte dreizehnte Monat heißt mensis intercalaris, also „eingeschalteter Monat“.

Die Zählung der Tage innerhalb der Monate folgt einem System, das sich aus heutiger Sicht als außerordentlich mühsam darstellt: In jedem Monat ragen nämlich drei Tage heraus, die als Überrest alter Mondkalender erhalten geblieben sind. Diese Tage werden als Bezugspunkte für Datumsangaben verwendet.

 

 

 

Römischer Kalender (2. Jh. v. Chr.)

Name

Zahl der Tage

Martius

31

Aprilis

29

Maius

31

Iunius

29

Quintilius

31

Sextilis

29

Septembris

29

Octobris

31

Novembris

29

Decembris

29

Ianuarius

29

Februarius

28 (Schaltjahre: 23)

Nur in Schaltjahren:

Mensisintercalaris

27 oder 28

 

Jeder Monat hat Kalendae („Kalenden“), Nonae („Nonen“) und Idae („Iden“): Bei den Kalenden handelt es sich um den ersten Tag des Monats, die Nonen sind entweder der fünfte (in den Monaten mit weniger als 31 Tagen) oder der siebte Tag des Monats (in den Monaten mit 31 Tagen), die Iden sind acht Tage nach den Nonen, also am 13. oder am 15. Tag.

Für das Verzeichnis der Tage entstand, abgeleitet von den Kalendae, die Bezeichnung calendarium und daraus schließlich das Wort Kalender.

Die Bestimmung eines Tages erfolgte nun rückwärts vom nächsten bevorstehenden Stichtag her, wobei der Zieltag mitzuzählen war. Wenn etwas am 2. März datiert ist, so wird es angegeben als „am sechsten Tag vor den Nonen des März“, auf Lateinisch die sexto ante Nonas Martii oder einfach sexto Nonas Martii. Der 28. September ist „am dritten Tag vor den Kalenden des Oktobers“, also tertio Kalendas Octobris oder abgekürzt (a. d.) III kal. oct. (a. d. steht für ad diem, also „zu diesem Tag“).

Eine eher technische, aber folgenreiche Änderung erfuhr der Kalender im Jahr 153 v. Chr.: Der Amtsantritt der römischen Konsuln wurde auf die Kalenden des Ianuarius festgelegt – damit war der 1. Januar zum Jahresanfang geworden. Kurioser und bis heute nachwirkender Nebeneffekt war, dass jetzt Monatsnamen wie Octobris („der achte“) oder Decembris („der zehnte“) nicht mehr der kalendarischen Realität entsprachen, aber dennoch weiterverwendet wurden. Der verkürzte Monat Februar stand nicht mehr am Jahresende, sondern als zweiter in der Reihe der Monate – somit griff auch die Schaltregelung nicht mehr am Ende des Jahres (wo sie sich wohl am leichtesten erklären ließ), sondern am Ende des zweiten Monats.

 

 

 

Julianischer Kalender

In der Mitte des 1. Jahrhunderts v. Chr. trat die wichtigste Gestalt für die Reform des römischen Kalenders in Erscheinung: Gaius Iulius Caesar (100–44 v. Chr.), dem der unter seiner Verantwortung neu eingerichtete julianische Kalender den Namen verdankt. Die vorausgehende Kalenderpraxis hatte zu einer immer stärkeren Abweichung zwischen Kalender und Naturphänomenen geführt, denn es ergab sich in der Anwendung eine durchschnittliche Jahreslänge von etwa 366,25 Tagen. Cäsar wollte für die Zukunft weitere Abweichungen vermeiden und außerdem durch einen großen Einschnitt in den Kalender dafür sorgen, dass – von unvermeidlichen geringfügigen Schwankungen abgesehen – immer der 25. Dezember (der achte Tag vor den Kalenden des Januar) kürzester Tag des Jahres und der 25. März das Datum des Frühjahrsäquinoktiums sein sollte.

Cäsar fügte in das Jahr 46 v. Chr. zwei zusätzliche und noch dazu verlängerte Schaltmonate ein, so dass sich einmalig eine Jahreslänge von 445 Tagen ergab – unter dem Namen annus confusionis („Jahr der Verwirrung“) ging dieses Jahr in die römische Geschichte ein. Anschließend sollte durch Festlegung neuer Monatslängen eine Jahreslänge von 365 Tagen gelten, in die alle vier Jahre ein einzelner Schalttag eingefügt werden sollte. Der Schaltmonat war damit abgeschafft. Der Februar blieb der kürzeste Monat und sollte zur Korrektur der Jahreslängen nur noch um einen einzigen Tag verlängert werden können. – Das Ergebnis zeigt die Übersicht in dieser Tabelle.

Cäsar konnte sich an dem von ihm durchgesetzten Kalender jedoch nur kurze Zeit erfreuen. An den sprichwörtlich gewordenen „Iden des März“ im Jahr 44 v. Chr. wurde er ermordet. Ihm zu Ehren wurde der Quintilius in Iulius umbenannt – die Geburtsstunde des „Juli“.

Aufgrund einer missverständlichen Formulierung der Schaltregel wurde in der Folge nicht jedes vierte, sondern jedes dritte Jahr um einen Tag verlängert. Diese Ungenauigkeit fiel schnell auf und machte eine neuerliche Korrektur unabdingbar. Es lag an Kaiser Augustus (63 v. Chr.–14 n. Chr.), den Kalender erneut zu reformieren: 15 Jahre lang wurden alle Schaltjahre ausgelassen (um die überzähligen Tage wieder abzubauen), anschließend sollte nur noch jedes vierte Jahr einen Schalttag erhalten. Damit betrug die durchschnittliche Jahreslänge 365,25 Tage. Augustus nutzte die Reform, um gleich noch den Monat Sextilis umzubenennen, und zwar nach sich selbst: Augustus. Und wie es sich für einen „Kaisermonat“ gehört, musste der August 31 Tage bekommen – so wie der andere „Kaisermonat“ Juli sie schon hatte. Die Längen der Monate August bis Dezember wurden umgestellt, so dass die gewünschte Gesamtjahreslänge von 365 bzw. 366 Tagen erreicht war und zugleich eine Aufeinanderfolge von drei Monaten mit jeweils 31 Tagen vermieden werden konnte (siehe unten).

 

 

 

Julianischer Kalender (ursprüngliche Fassung)

Name

Zahl der Tage

Ianuarius

31

Februarius

28 (Schaltjahre: 29)

Martius

31

Aprilis

30

Maius

31

Iunius

30

Quintilius

31

Sextilis

30

Septembris

31

Octobris

30

Novembris

31

Decembris

30

 

 

 

 

Julianischer Kalender (durch Augustus geänderte Fassung)

Name

Zahl der Tage

Ianuarius

31

Februarius

28 (Schaltjahre: 29)

Martius

31

Aprilis

30

Maius

31

Iunius

30

Iulius

31

Augustus

31

Septembris

30

Octobris

31

Novembris

30

Decembris

31

 

In dieser durch Augustus umgestalteten Fassung wurde der julianische Kalender zur bestimmenden Größe für die nächsten eineinhalb Jahrtausende. Im kirchlichen Bereich ist er es – wie die folgenden Kapitel zeigen werden – sogar zum Teil bis heute geblieben.

 

 

 

Jahreszählung „vor/nach Christus“

Eines war bei dieser Darstellung stillschweigend vorausgesetzt, nämlich die heute übliche Jahreszählung „vor“ und „nach Christus“. Selbstverständlich konnte Cäsar nicht wissen, dass er sich im Jahr „45 vor Christus“ befand. In Rom zählte man nach der Amtszeit der jeweils amtierenden Herrscher oder aber ab urbe condita (a. u. c.), also „seit der Gründung der Stadt (Rom)“, die im Jahr 753 vor Christus angesetzt wurde. Das oben erwähnte annus confusionis der julianischen Kalenderreform war demnach das Jahr 708 a. u. c.

Die heute übliche Zählung der Jahre „vor Christus“ und „nach Christus“ beruht auf einer Berechnung des Mönchs Dionysius Exiguus (ca. 470–540), die sich erst etliche Jahrzehnte nach ihrer Entwicklung allgemein durchsetzte. Dionysius versuchte auf der Grundlage der biblischen Angaben das Geburtsjahr Jesu zu bestimmen. Bei dieser Zählung gibt es übrigens kein „Jahr null“, sondern auf das Jahr „1 vor Christus“ folgt sofort das Jahr „1 nach Christus“ (was die Gruppierung von Jahren in Jahrzehnten und Jahrhunderten vereinfacht). Mittlerweile hat sich die Berechnung des Dionysius als falsch herausgestellt – vermutlich wurde Jesus im Jahr „7 vor Christus“ oder „6 vor Christus“ geboren. In unserer gewachsenen Geschichtsschreibung und unserem Archivwesen würde es aber pure Verwirrung stiften, wollte man rückwirkend alle Jahreszahlen um 6 oder 7 erhöhen. Aus diesem Grund gibt es heute keine wirklich ernsthaften Versuche, die Jahreszählung neu zu fassen – ausgenommen das ein oder andere totalitäre Regime wie dasjenige Nordkoreas, das die Jahre von der Geburt des Staatsgründers Kim Il Sung her zählt. In Wissenschaft und Medien wird jedoch bisweilen auf den Christusbezug verzichtet: Man spricht dann etwa von „vor unserer Zeitrechnung“ (v. u. Z.) und „nach unserer Zeitrechnung“ (n. u. Z.) oder auf Englisch „before common era“ (BCE) und „common era“ (CE). Dagegen stellen betont christliche Gruppen lieber der Jahreszahl noch ein traditionelles „AD“ voran: anno domini („im Jahr des Herrn“).

Kapitel 4
Christliches Osterdatum

 

 

 

Der Beschluss des I. Konzils von Nikaia

Warum das Osterfest und seine genaue Terminierung für die Christenheit so wichtig sind, ist hier noch nicht das Thema – die Leserinnen und Leser seien besonders auf Kapitel 11 verwiesen. Entscheidendes Ereignis für die Kalenderthematik war jedenfalls eine vom römischen Kaiser Konstantin I. (Amtszeit 306–337) einberufene Bischofsversammlung, die in der späteren Kirchengeschichte als I. Ökumenisches Konzil oder I. Konzil von Nikaia (Nizäa/Nicaea) anerkannt wurde (Nikaia heißt heute türkisch İznik und befindet sich etwa 90 km südöstlich von Istanbul).