Inhaltsverzeichnis

Zum Buch

 

Mit Kiel, der Stadt an der Förde, verbinden sich Begriffe wie Meer, Schiffe und Segeln, aber auch frische Luft, Wind und Kieler Sprotte. Die Stadt lebt am, vom und mit dem Meer und hat sich als Standort für Schiffbau, für Wissenschaft und Forschung, als Kreuzfahrt- und Fährhafen, als Mekka für Wassersportler auch international einen Namen gemacht. Während ihrer mehr als 770-jährigen wechselvollen Geschichte hat sich die Stadt immer wieder neu erfinden müssen.

Dieses Buch vermittelt einen fundierten, kurzweiligen Überblick zur Geschichte der Ostseestadt, angereichert mit Anekdoten, Biografien und Hintergrundinformationen, die es in dieser Zusammenstellung noch nicht gibt. Manuela Junghölter lädt den Leser ein, selbst auf Spurensuche zu gehen und sich in ihrer Heimatstadt Kiel den Wind um die Nase wehen zu lassen.

 

 

Zur Autorin

 

Manuela Junghölter,
geb. 1960. Die freiberufliche Kunsthistorikerin und Stadtführerin in Kiel wirkte an verschiedenen kulturhistorischen Publikationen mit.

Manuela Junghölter

Kiel
Kleine Stadtgeschichte

VERLAG FRIEDRICH PUSTET

REGENSBURG

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

 

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Angaben sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

 

 

eISBN 978-3-7917-6072-8 (epub)

© 2016 by Verlag Friedrich Pustet, Regensburg

eBook-Produktion: Friedrich Pustet, Regensburg

Umschlaggestaltung: Martin Veicht, Regensburg

 

Diese Publikation ist auch als Printprodukt erhältlich:

ISBN 978-3-7917-2745-5

 

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Informationen und Bestellungen unter verlag@pustet.de

Vorwort

Mit Kiel, der Stadt an der Förde, verbinden sich Begriffe wie Meer, Schiffe und Segeln, aber auch frische Luft, Wind und Kieler Sprotte. Und in der Tat, Kiels größtes Pfund ist sein direkter Zugang zur Ostsee. Die Stadt lebt am, vom und mit dem Meer. Sie hat sich als Standort für Schiffbau, für Wissenschaft und Forschung, als Kreuzfahrt- und Fährhafen sowie als Mekka für Wassersportler ihren Platz im Reigen der deutschen Städte erkämpft. Auf der aktuellen Größenrangliste der Groß- und Mittelstädte in Deutschland belegt Kiel derzeit den 30. Platz. Die Stadt gehört nicht zu den ältesten, vielleicht auch nicht zu den historisch bedeutsamen und schon gar nicht zu den glamourösesten Städten in Deutschland, sie hat sich aber solide, ehrlich und schnörkellos durch die Höhen und Tiefen ihrer mehr als 770-jährigen Geschichte gearbeitet und sich dabei immer wieder neu erfinden müssen.

Die frühe Ansiedlung auf der Halbinsel in der Kieler Förde war strategisch günstig und für Feinde kaum einsehbar und ermöglichte der Stadt eine langsame, aber kontinuierliche Entwicklung. Der Ostseehafen spielte während seiner Hansezugehörigkeit durchaus eine Rolle im mittelalterlichen Wirtschaftsverbund, wenn auch immer im Schatten Lübecks. Mit der Universität erhielt Kiel 1665 einen Entwicklungsschub als Wissenschafts- und Forschungsstandort. Die Universität stand zwar in ihrer Geschichte mehrfach vor dem Aus, konnte aber immer wieder gerettet werden und feierte im Jahr 2015 ihr 350. Jubiläum. Fünf Nobelpreisträger kann die Hochschule vorweisen. Vor allem die Meeresforschung erlangt weltweit Anerkennung mit ihren Forschungsschiffen und Expeditionen.

Kiel stand mehrfach im Zentrum der Geschichte. Ein späterer Zar erblickte im Kieler Schloss das Licht der Welt, der Kieler Frieden wurde hier geschlossen und der Kieler Matrosenaufstand fegte die Monarchie hinweg.

In Kiel sind Erfindungen gemacht worden, ohne die die Schifffahrt heute nicht so sicher, ohne die das Autofahren nicht so komfortabel, ohne die das Sehen nicht so angenehm und ohne die die moderne Kommunikation heute nicht denkbar wären.

Der Status als Reichskriegshafen war sowohl ein Segen, ermöglichte er doch eine rasante Entwicklung zur Großstadt, sicherte Arbeitsplätze und brachte den Schiffbau voran, als auch Fluch, denn Kiel war in den beiden Weltkriegen schwer von Zerstörung und Leid getroffen und lag am Boden. Dabei ging viel von seinem historischen Erbe verloren, mehr als in manch anderer Stadt. Zweimal hatte Kiel das Glück, dass seine Oberbürgermeister die Weichen für den Wiederaufbau mit Weitblick und Geduld gestellt haben.

Auch mit dem Segeln ist Kiel eng verbunden. Das nach wie vor größte Segelereignis der Welt, die Kieler Woche, findet hier statt, im Jahre 2015 zum 121. Mal in ihrer insgesamt 133-jährigen Geschichte. Zurückgreifend auf diese Erfahrungen konnte die Stadt bereits zweimal die Segelolympiade ausrichten und ihr Organisationstalent unter Beweis stellen. Beste Voraussetzungen also, um einen dritten Anlauf zur Ausrichtung der Segelolympiade 2024 zu starten.

Kiel hat in seiner Geschichte eine durchaus wechselvolle, ja sogar stürmische Entwicklung genommen und sich immer mit Mut und Tatkraft den Herausforderungen gestellt. Im Hinblick auf die vielen angestoßenen Projekte wird das auch in Zukunft so sein.

Das vorliegende Buch ist ein Versuch, dem geneigten Leser einen Überblick über die Kieler Stadtgeschichte zu vermitteln, angereichert mit Anekdoten, Biografien und Hintergrundinformationen, die es in dieser Zusammenstellung und Kompaktheit noch nicht gibt. Die Erfahrungen aus langjähriger Stadtführerschaft waren dabei sehr hilfreich und sind an mancher Stelle mit eingeflossen. Allerdings konnte nicht jeder Aspekt berücksichtigt und nicht jedes Detail hervorgehoben werden – das hätte den vorgegebenen Rahmen gesprengt. Das »Wissen für die Tasche« kann und soll aber dazu animieren, sich selbst auf einen Rundgang zu begeben und die Orte der Kieler Geschichte zu besuchen. Bisweilen erschließt sich der Reiz der Stadt erst auf den zweiten Blick; den hat sie aber ganz sicher verdient. Und vielleicht kann dieses Bändchen auch dazu beitragen, dass sich der eine oder andere Leser von der Stadt an der Förde begeistern lässt – zusammen mit der Autorin, die sich nicht nur darüber freut, hier geboren zu sein, sondern auch darüber, dort zu wohnen, wo andere Urlaub machen.

An dieser Stelle noch ein herzlicher Dank an meine geschätzten Kollegen Birte Gaethke und Uwe Trautsch für ihre Korrekturarbeit und ihre zahlreichen Anregungen.

 

Kiel, im Herbst 2015, Manuela Junghölter

Aller Anfang ist schwer

Eiszeit und erste Besiedelung

Während der letzten Eiszeit, vor etwa 20 000 Jahren, bedeckte ein 200 bis 400 m dicker Eispanzer die Region des heutigen Schleswig-Holstein, der nach dem Abschmelzen die Küstenlandschaft so geformt hat, wie wir sie heute vorfinden. Die Förden und Buchten der Küsten zeichnen die Schmelzwasserrinnen nach. Die aufgeworfenen Fels- und Gesteinsformationen, die die Gletscher zurückgelassen haben, sind heute als liebliche Hügellandschaft zu erleben. Um Kiel herum gab es ausgedehnte Waldgebiete, den »Isarnho«, den eisernen Wald. Auch der 17 km tiefe Landeinschnitt der Kieler Förde ist Relikt aus dieser Zeit. Durch seine Wassertiefe zwischen acht und 20 m konnten die Schiffe bis weit hinein in das südliche Ende der Förde vordringen und dort Schutz vor Feinden und Wetter finden.

Bereits ab 6500 v. Chr. sind ur- und frühgeschichtliche Besiedelungsspuren nachweisbar, aber erst nach den Völkerwanderungen ordnete sich das Gebiet nördlich der Elbe neu. Während Teile der Angeln und Sachsen ihre angestammten Siedlungsgebiete verließen und nach Britannien übersetzten, ließen sich die Wenden in Wagrien, dem Landstrich zwischen Lübecker Bucht und Kieler Förde, nieder. Trotz aller Wanderungsbewegungen blieb Nordelbien allerdings dünn besiedelt. Nachdem Kaiser Karl der Große (747–814) unter anderem die Sachsen zum Christentum bekehrt hatte, weiteten diese ihr Herrschaftsgebiet auch auf Stormarn, Holstein und Dithmarschen aus. Die weitere Missionierung wurde im 9. Jahrhundert n. Chr. vom Benediktinermönch Ansgar, dem Apostel des Nordens, vorangetrieben. Die Trennlinie zwischen heidnischen Wenden im Osten und christlichen Sachsen im Westen bildete der Limes Saxoniae, den Erzbischof Adam von Bremen (vor 1050–81) 1070 erstmals erwähnt. Der Limes Saxoniae ist allerdings nicht mit dem römischen Limes zu vergleichen, der heute noch teilweise als Bauwerk mit Wallanlagen, Gräben und Gebäuderesten erhalten ist; vielmehr ist er eher als unwegsamer Grenzwaldstreifen zu verstehen. Und auch der immer wieder nach Süden ausgreifende Einflussbereich der Dänen im Norden war nicht zu unterschätzen. Diese territorialen Gegebenheiten bildeten die Ausgangslage für die Herrschaft der Grafen von Schauenburg, die 350 Jahre andauern und der Region nördlich der Elbe ihren Stempel aufdrücken sollte.

Edle Herren von Schauenburg

Im Jahr 1111 n. Chr. belehnte der Sachsenherzog Lothar von Supplinburg, der zwischen 1125 und 1137 auch deutscher Kaiser war, Graf Adolf I. von Schauenburg (1106–30) mit den Grafschaften Holstein und Stormarn. Als Statthalter Lothars kam ihm die Aufgabe zu, die Gebiete nördlich der Elbe zu kolonisieren und zu entwickeln. Dafür verließ Adolf I. seine Heimat, das Schauenburger Land zwischen Rinteln und Hameln; ihm folgten auswanderungswillige Kolonisten aus den Niederlanden, Flamen, Westfalen und aus dem Kehdinger Land südlich der Elbe, die in der Neuansiedlung für sich und ihre Familien eine Chance sahen.

Diese große Aufgabe brauchte allerdings länger als ein Menschenleben, und so setzte Graf Adolf II. (1128–64), der frühzeitig die Nachfolge seines Vaters antreten musste, die Kolonisationspolitik seines Vaters fort. In seine Regierungszeit fiel vor allem die Gründung der großen Fernhandelszentren Hamburg und Lübeck. In der Zwischenzeit folgte auf Lothar der Welfenherzog Heinrich der Löwe (1129–95) als Lehnsherr der Schauenburger Grafen, der einen Kreuzzug gegen die heidnischen Wenden plante. Er ließ sich durch Adolf II. von diesem Vorhaben auch nicht abbringen, und so folgte der treue Graf seinem Lehnsherrn eher unwillig in diesen Kreuzzug. 1164 verlor er in der Schlacht am Kummerower See sein Leben. Heinrich und Adolf verband wohl eine tiefere Freundschaft, denn die Trauer Heinrichs des Löwen über den Tod seines Weggefährten war so groß, dass er ihn neben dessen Vater Graf Adolf I. im Mindener Dom beisetzen ließ.

Auch mit dem Nachfolger Graf Adolf III. (1160–1225) hatte Heinrich der Löwe zunächst einen getreuen Gefolgsmann, der sich aber 1180 dem Stauferkaiser Friedrich I. Barbarossa (1122–90) anschloss. Die Streitigkeiten zwischen Staufern und Welfen endeten mit dem Sturz Heinrichs des Löwen. In das so entstandene Machtvakuum hinein wagten der Dänenkönig Knut VI. und kurze Zeit später sein Bruder und Nachfolger Waldemar II. eine Ausdehnung des dänischen Einflussgebietes über die Eider bis zur Elbe nach Süden. Dem musste aus Sicht der Schauenburger Einhalt geboten werden, aber Graf Adolf III. verlor 1201 nicht nur die Schlacht gegen den Dänenkönig bei Stellau (Kellinghusen), sondern musste auch auf seine Grafschaften Holstein und Stormarn verzichten und zog sich auf den Familiensitz im Schauenburger Land zurück. Waldemar II. schaffte es Jahre später sogar, dass der Stauferkönig Friedrich II. offiziell die Abtretung der eroberten Gebiete anerkannte. Dieser Umstand ging Ende des 19. Jahrhunderts unter Historikern als »Schande von 1214« in die Geschichtsbücher ein.

Bevor Graf Adolf IV. (1205–61) die legitime Nachfolge seines Vaters als Herr über Holstein, Stormarn und Dithmarschen antreten und den Landausbau nördlich der Elbe voranbringen konnte, musste er zunächst die verloren gegangenen Gebiete zurückgewinnen. Dies sollte ohne kriegerische Auseinandersetzung geschehen, jedoch nicht ohne eine gewisse Raffinesse: 1223 wurde sein Widersacher, Dänenkönig Waldemar II., auf der dänischen Insel Lyö bei einer Nacht- und Nebelaktion gefangengenommen und zwei Jahre in Geiselhaft gehalten. Im Austausch für seine Freiheit sollte er seinerseits auf Holstein und zusätzlich auch auf Schleswig verzichten. Graf Adolf wollte sich aber nicht nur auf den Ausgang der Verhandlungen verlassen, sondern seiner Position mehr Nachdruck verleihen und Tatsachen schaffen. Er suchte eine erste Entscheidung, als er den Lehnsmann und Neffen des dänischen Königs, Albrecht von Orlamünde, 1225 bei Mölln schlug. Trotz der Freilassung Waldemars 1226 kehrte aber keine Ruhe ein, und so kam es am 22. Juli 1227 bei Bornhöved zur alles entscheidenden Schlacht, einer Schlacht, die das Schicksal Holsteins endgültig klärte und den Gründungsmythos Kiels hervorbrachte.

Schlacht bei Bornhöved 1227

An jenem Tag wogte das Kriegsgeschehen hin und her. In den verschiedenen Überlieferungen heißt es, dass Adolfs Truppen ins Hintertreffen geraten waren und zudem noch von der Sonne geblendet wurden. Der Graf kniete nieder zum Gebet und erbat Beistand von der heiligen Maria Magdalena, deren Ehrentag am 22. Juli war. Er gelobte sinngemäß: Wenn er diese Schlacht gewinne, werde er eine Stadt gründen, dazu ein Kloster, und er werde allem Weltlichen entsagen und als Mönch in dieses Kloster einziehen. Seine Gebete wurden erhört, denn die Heilige legte ihren Schleier in Form von Wolken vor die blendende Sonne. Der Dänenkönig Waldemar II. wurde vernichtend geschlagen, und es geschah, wie Adolf IV. es gelobt hatte. Mit dem Ausgang der Schlacht konnte er seine Grafschaft Holstein zurückgewinnen und den von seinen Vorvätern begonnenen Landesausbau zur Sicherung seiner Macht fortsetzen.

Planmäßige Anlage der Altstadthalbinsel und Verwaltung

Graf Adolf IV. agierte bei der Kolonisation der Gebiete Nordelbiens politisch geschickt. Für den Landesausbau, die Anbindung an das Fernhandelsnetz und die erforderlichen Stadtgründungen als Markt-und Handelszentren band er sowohl die Ritterschaft vor Ort als auch die ihm treuen Heerführer ein, um die Besiedelung voranzubringen. Bevor überhaupt neue Kolonisten angeworben werden konnten, mussten das Land gerodet, Sümpfe trocken gelegt, Wege angelegt und Grundstücke ausgewiesen werden. Während im 12. Jahrhundert nur zwei Städte, nämlich Hamburg und Lübeck, gegründet wurden, kamen unter Adolf IV. sechs weitere dazu: Oldenburg, Plön, Itzehoe, Oldesloe, Kiel und Neustadt.

 

BIOGRAFIE

 

Graf Adolf IV. – Vorbild der Tugend und grauer Mönch

Adolf IV. (1205–61) war verheiratet mit Heilwig zur Lippe (1200–48), mit der er drei Kinder hatte: die beiden Söhne Johann I. und Gerhard I. sowie die Tochter Mechthild, die er zur Befriedung des Verhältnisses mit Dänemark, mit dem Sohn seines einstigen Gegners, Abel von Schleswig, verheiratete. Adolfs Dankbarkeit über den Ausgang der Schlacht von Bornhöved war so groß, dass er seinem Gelübde entsprechend die Macht 1239 an seine noch minderjährigen Söhne abgab, ihnen jedoch aus der weltlichen Abgeschiedenheit des Klosters heraus mit Rat und Tat zur Seite stand. Nach einer Wallfahrt nach Rom wurde er als Bettelmönch des Franziskanerordens geweiht, lebte vorübergehend im Hamburger Konvent, bis er 1244 in das von ihm gestiftete Kloster der heiligen Maria-Magdalena in Kiel einzog. Als Bruder Adolf musste er sich zukünftig alles Nötige für das Leben erbetteln. Als er einmal in der Stadt unterwegs war, sah er seine Söhne mit Gefolge herannahen. Damit sie ihn in diesem armseligen Zustand nicht erkennen konnten, goss er sich die gerade erbettelte Milch über den Kopf. Auch Heilwig nahm den Schleier und verbrachte ihre letzten Tage in dem von ihr gegründeten Zisterzienserinnenkloster in Hamburg-Harvestehude.

Eine weitere Begebenheit auf dem Schlachtfeld trug zur Legendenbildung über Adolfs Edelmut bei: Der geschlagene Dänenkönig irrte über das Schlachtfeld, als ein schwarzer Ritter ihn ohne Worte mit auf sein Pferd nahm und ihn in Sicherheit brachte. Waldemar verlangte zu wissen, wem er die Rettung zu verdanken habe. Als der Ritter das Visier öffnete, erkannte er seinen Gegner Graf Adolf IV. Mit einem Denkmal vor dem Kloster ehrt die Stadt seit 2005 ihren Gründer. Der Künstler Karl-Henning Seemann hat auf sehr anschauliche Weise die Metamorphose Adolfs vom Ritter zum Mönch dargestellt. Während er Kettenhemd, Brustpanzer, Beinschienen, Helm und das zerbrochene Schwert verliert, ist bereits die typische Mönchsfrisur, die Tonsur, zu erkennen und er streift sich die graue Kutte des Bettelmönchs über. Der ehemalige Ritter Adolf IV. entsagt der weltlichen Macht und gibt sich ganz der Führung des Glaubens hin.

Am 8. Juli 1261 starb Bruder Adolf im Kieler Kloster; seine Grabplatte ist heute noch erhalten und trägt folgende Inschrift: »Vater unseres Landes und Vorbild der Herrscher, Stolz der Holsten, Graf Adolf, Vorbild der Tugend, duftende Blume der Blumen, Licht von Schauenburg, Perle der Guten. Dir gab der Orden der Minoriten den Ruhmeskranz der Lehrer. Lass nicht den Trug der niederen Teufel uns verführen! Führe uns durch die Bitte der Gerechten in den Glanz des Himmels.«

 

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Abb. 1: Denkmal des Kieler Stadtgründers Graf Adolf IV. von Schauenburg, seit 2005 vor dem Kieler Kloster aufgestellt

Wir dürfen davon ausgehen, dass die Idee zur Gründung einer Stadt an der Kieler Förde nicht erst mit dem Gelübde Adolfs begann; sie wurde aber durch die Ereignisse in der Schlacht von Bornhöved sicherlich befördert. Die zur Besiedelung vorgesehene Halbinsel lag strategisch günstig am Westufer der Förde, kaum einsehbar für Feinde und an drei Seiten von Wasser umgeben. Zwar konnte schon früh ein Handelsplatz auf der Altstadtinsel nachgewiesen werden und ab 1233 waren auch einige Siedlungen auf dem späteren Stadtgebiet entstanden, aber ansonsten gab es keine Einschränkungen für eine planmäßige Stadtanlage.

Auf der etwa 17 ha großen Halbinsel ist das mittelalterliche Straßengefüge noch heute ablesbar, das als Musterbeispiel von Stadtneugründungen jener Zeit gelten kann. Zwei parallele Straßenzüge verlaufen in Nord-Süd-, zwei in Ost-West-Richtung, in deren Schnittpunkt sich der Alte Markt als Zentrum mit dem Rathaus (Verwaltung) und der Kirche (geistlicher Mittelpunkt) befindet, ergänzt durch Kloster und Spital. Die Burg dokumentiert die Anwesenheit des Stadtherrn und sichert die Festlandsverbindung bei feindlichen Angriffen, wie auch eine Palisaden-Wallanlage die restliche Halbinsel einfriedet. Die Einwohnerzahl auf der Halbinsel blieb überschaubar, es erhielten nur die das Bürgerrecht, die Eigentum besaßen. Trotz einiger Zuwanderer aus anderen Gebieten – die Flämische und die Kehdenstraße zeugen noch heute davon – hatte Kiel nie die angestrebte enge Anbindung zu den Fernhandelsstraßen bekommen, wie es etwa Lübeck oder Hamburg gelungen war.

Mit der Verleihung der Stadtrechte an die civitas Holsatiae oder Holsatorum (der Stadt Holsteins oder der Holsten) durch Graf Johann I. 1242 erhielt Kiel auch das Lübsche Recht, wonach Lübeck bei allen strittigen Fragen zu Rate zu ziehen war. Die Selbstverwaltung manifestierte sich durch eine Ratsverfassung und die Wahl eines Stadtrates, bestehend aus zwölf Ratsherren, die auf Lebenszeit gewählt wurden und zweimal im Jahr auf dem Marktplatz zur öffentlichen Versammlung zusammenkamen. Der Stadtvogt war oberster Repräsentant und Stellvertreter des Stadtherrn. Alle wichtigen Entscheidungen zu den Themen Immobilien, Finanzen, Erbschaft und Verbrechen aller Art wurden von den Stadtschreibern in den Stadtbüchern festgehalten. Das älteste stammt aus dem Jahr 1264 und gibt Auskunft über 230 Familien, die in der Stadt lebten.

 

HINTERGRUND

 

Wie Kiel zu seinem Namen kam

Mit der Gründung Kiels verfolgte Graf Adolf IV. die Idee, einen wirtschaftlichen, herrschaftlichen und geistlichen Mittelpunkt für seine Grafschaft Holstein zu schaffen. Folglich erhielt die Neugründung einfach den Namen »Holstenstat«. Der vielfach nachgestellte Zusatz »to deme kyle« wurde häufig von Kaufleuten und Handelsreisenden zur näheren Ortsbeschreibung verwendet und bedeutet so viel wie »an der Förde«. Der Begriff »kil«, »kyl« oder auch »kyle« bezeichnet im skandinavischen, niederländischen und friesischen Sprachgebrauch sowohl ein Gewässer, eine Meeresbucht bzw. einen Meeresarm oder einen Fjord, als auch eine Quelle – nicht ganz unwichtig, denn ohne Frischwasser gibt es keine Ansiedlung. Das Geschlechtswort wurde meist vorangestellt, so dass die Stadt »zum Kiel« und die Bewohner »vom Kiel« genannt wurden. Auch die Bezeichnung »Kleiner Kiel« für die Wasserfläche, die als Nebenarm der Förde auch heute noch die Altstadtinsel teilweise umschließt, erklärt sich auf diese Weise. Die Ortsbezeichnung »Holstenstat to deme kyle« (Holstenstadt am Kiel) war allerdings so sperrig, dass sich »Kiel« im Laufe der Jahrhunderte durchgesetzt hatte. Auch die Herleitung des Namens von dem keilförmigen Landeinschnitt der Förde hat ihren Charme.

 

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Abb. 2: Stadtansicht von Kiel mit dem Alten Markt im Zentrum, vor 1600

Kiel als Mitglied der Hanse

Von Heringen, Koggen und Piraten

Graf Adolf IV. hinterließ seinen Söhnen Johann I. und Gerhard I. ein »gut bestelltes Haus«. Seine Holstenstadt Kiel war gegründet, seine Vision vom Landesausbau und die Anbindung an das Fernhandelsnetz waren auf den Weg gebracht. Einzig seine Heiratspolitik mit Dänemark führte nicht dauerhaft zum Erfolg: Immer wieder gab es in der Folgezeit kriegerische Auseinandersetzungen mit Dänemark um die Vorherrschaft im Herzogtum Schleswig (Süder-Jütland), die für die Schauenburger Grafen auch finanziell ein Desaster wurden, dem sie mit städtischen Anleihen und Verpfändungen entgegenzuwirken versuchten.

Mit der Gewährung der Zollfreiheit 1261 und der Verleihung einer »Vitte«, eines Privilegs für die Schauenburger Städte Hamburg und Kiel, in den Häfen der südschwedischen Küste von Schonen Grundstücke zu erwerben und zu bebauen, um am Fang und der Verarbeitung von Heringen teilzuhaben, gelang es den Kieler Kaufleuten, Zugang zu den Handelswegen auf der Ostsee zu bekommen. Kiels Beitritt zu einem Solidarpakt mit bereits ausgewiesenen Hansestädten 1284 berechtigte die Stadt, sich ebenfalls als Hansestadt bezeichnen zu dürfen.

Kiels Solidarität wird gefordert