Inhaltsverzeichnis

Zum Buch

 

Von den Angriffen der Wikinger auf die Hammaburg im 9. Jahrhundert bis zur Hinrichtung des legendären Piraten Störtebeker im Jahr 1401, von einem gefälschten Dokument, mit dem sich die Stadt Mitte des 13. Jahrhunderts enorme wirtschaftliche Vorteile verschaffte, bis zu Katastrophen wie der „Franzosenzeit“ Anfang des 19. Jahrhunderts, dem „Großen Brand“ von 1842, dem „Feuersturm“ im Juli 1943 und der „Großen Flut“ 1962: Historisch fundiert, zugleich aber unterhaltsam und verbunden mit spannenden Episoden erzählt die „Kleine Hamburger Stadtgeschichte“ vom wechselvollen Schicksal der zweitgrößten deutschen Stadt.

 

 

Zum Autor

 

Matthias Gretzschel,
Dr. phil., geb. 1957, Kulturredakteur beim „Hamburger Abendblatt“. Publikation zahlreicher kulturgeschichtlicher Sachbücher, Bildbände und Reiseführer, u. a. auch über Hamburg. 1996 Helmut-Sontag-Preis (Publizistenpreis des Deutschen Bibliotheksverbandes).

Matthias Gretzschel

Hamburg
Kleine Stadtgeschichte

VERLAG FRIEDRICH PUSTET

REGENSBURG

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

 

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Angaben sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

 

 

eISBN 978-3-7917-6080-3 (epub)

© 2015 by Verlag Friedrich Pustet, Regensburg

eBook-Produktion: Friedrich Pustet, Regensburg

Umschlaggestaltung: Martin Veicht, Regensburg

 

Diese Publikation ist auch als Printprodukt erhältlich:

ISBN 978-3-7917-2763-9

 

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Informationen und Bestellungen unter verlag@pustet.de

Vorwort

Es war ein unwirtlicher Ort hoch im kalten Norden, in den der Benediktinermönch Ansgar im Jahr 832 als Missionsbischof kam. Die Hammaburg, die der Stadt den Namen gab, bot kaum Schutz vor den Angriffen heidnischer Völker. Im Sommer 845, als die Wikinger Burg, Kirche und Siedlung einäscherten, wurde die Lage so ernst, dass Ansgar Hals über Kopf nach Bremen fliehen musste. Auch im 11. Jahrhundert litt Hamburg noch unter den Angriffen der Wikinger, die die Kirche 1066 wiederum zerstörten. Er wurde zwar prächtiger als zuvor wieder aufgebaut, doch angesichts der unsicheren Lage zogen es die Bischöfe vor, endgültig in Bremen zu residieren. Nur das Domkapitel blieb weiterhin an der Alster. Es sollte noch Jahrhunderte dauern, bevor sich Hamburgs Entwicklung endlich in sichereren Bahnen vollziehen konnte. Von der Lage an den Flüssen Alster und Elbe begünstigt, wurde Hamburg als Mitglied der Hanse eine reiche Handelsstadt. Die Bevölkerung wuchs und die Bürger bauten sich mit St. Petri, St. Nikolai, St. Katharinen, St. Jacobi und später auch mit St. Michaelis, dem als Michel bekannten Wahrzeichen, fünf stattliche Hauptkirchen.

Mit einer Politik, die stets auf Unabhängigkeit und die Wahrung der eigenen wirtschaftlichen Interessen bedacht war, machten die Handels- und Ratsherren ihre Stadt zum wichtigsten Hafen auf deutschem Gebiet. Die »Kleine Hamburger Stadtgeschichte« erzählt vom erstaunlichen Aufstieg der Freien und Hansestadt, berichtet aber auch von den Umbrüchen, Schicksalsschlägen und Katastrophen, die die Hansestadt im Laufe ihrer Geschichte immer wieder heimsuchten. So ging beim Großen Brand im Mai 1842 die in Jahrhunderten entstandene mittelalterliche Bausubstanz buchstäblich über Nacht im Flammen auf und im Juli 1943 entfachten die Bomber der Royal Air Force einen Feuersturm, dem große Teile der Stadt und mindestens 34 000 Menschen zum Opfer fielen.

Doch der Stadt ist es stets gelungen, die tragischen Folgen von Krisen auch als Chancen für einen Neubeginn zu nutzen. Wer heute die Silhouette mit den Türmen der Hauptkirchen und des Anfang des 20. Jahrhunderts erbauten Rathauses betrachtet, wird feststellen, dass Hamburg trotz aller Veränderungen die Erinnerung an seine lange Geschichte bewahrt hat – an eine manchmal widersprüchliche und tragische, oft aber auch glanzvolle und großartige Geschichte, von der dieses Buch erzählt.

Für die Durchsicht des Manuskripts und wertvolle Hinweise dankt der Autor Dr. Orwin Pelc, Oberkustos im Hamburgmuseum, und Prof. Rainer-Maria Weiss, Direktor des Helms-Museums und Hamburger Landesarchäologe.

 

Hamburg, im Herbst 2007

Matthias Gretzschel

 

 

Zur 3., komplett überarbeiteten und ergänzten Auflage

Nachdem die im Herbst 2007 erstmals erschienene »Kleine Hamburger Stadtgeschichte« bereits für die zweite Auflage 2011 überarbeitet wurde, erwies sich das vier Jahre später erneut als notwendig. Dabei ging es nicht nur um die Fortschreibung der politischen Verhältnisse, die sich bei der Bürgerschaftswahl im Februar 2015 verändert hatten. Verändert hatte sich auch der Blick auf die früheste Geschichte der Hansestadt, denn nach Auswertung der letzten Domgrabung durch das Archäologische Museum Hamburg gibt es nun Klarheit über den Ursprung der Stadt und die genaue Lokalisierung der Hammaburg. Ein großer Erfolg für Hamburg – und Anlass für ein eigenes Kapitel – ist auch die Aufnahme der Speicherstadt und des Kontorhausviertels mit dem Chilehaus in die Liste des UNESCO-Weltkulturerbes im Juli 2015. Damit ist das kleine Buch über Hamburgs große Geschichte, das in den letzten acht Jahren auch viele junge Leser gefunden hat, wieder auf dem neuesten Stand.

 

Hamburg, im Herbst 2015

Matthias Gretzschel

Es begann mit Ansgar: Die Hammaburg und die Gründung der Stadt

Am 13. Juni 1909 lädt der Hamburger Senat die Honoratioren der Stadt zu einer Geschichtsstunde besonderer Art in das zwölf Jahre zuvor eingeweihte Rathaus ein. Die Festversammlung, darunter die Senatoren und Abgeordneten, vielfach in Ehren ergraute Kaufleute, deren Familien schon seit Jahrhunderten die Geschicke der Stadt bestimmten, versammeln sich im großen Festsaal und betrachten erwartungsvoll die Wände. Drei der vier riesigen Wandflächen sind im oberen Bereich mit dunkelgrünen Vorhängen verhüllt. Dahinter verbergen sich die Wandbilder, an denen der Berliner Maler Hugo Vogel (1855–1934) seit Jahren gearbeitet hatte, die aber bisher nur einem kleinen Kreis von Eingeweihten bekannt sind. Nun fallen die Vorhänge und geben den Blick auf ein Geschichtspanorama frei, das die gewaltige Fläche von 354 Quadratmetern einnimmt. Während die Anwesenden den monumentalen Zyklus bestaunen, der an der westlichen Schmalseite die Alstermündung vor der Zeit der ersten Besiedlung zeigt und als zeitgenössisches Pendant auf der Ostseite eine moderne Werft- und Hafenszene mit Schwimmdock, Helling und Überseedampfer, erklärt Bürgermeister Johann H. Burchard, dass das Gemälde keine historischen Episoden zum Inhalt habe, sondern vielmehr »große Entwicklungsphasen, wie sie das hamburgische Elbgelände im Laufe der Jahrtausende erfahren« habe.

Ein Bischof, der ins Leere segnet

Auf den beiden Schmalseiten sind keine Menschen zu sehen, dagegen zeigt die Nordseite des größten und repräsentativsten Rathaussaals drei figurenreiche Darstellungen: Links sind es Bauern und Fischer in frühgeschichtlicher Ära, rechts Menschen, die während der Hansezeit im Hafen ein Schiff beladen. Doch den Höhepunkt des ganzen Zyklus bildet der große Mittelteil, denn er führt zurück an den Anfang der Hamburger Geschichte. Am rechten Bildrand ist eine Gruppe heidnischer Sachsen zu erkennen, die bis zu den Knöcheln im Wasser der Elbe steht und gerade dabei ist, die Taufe zu empfangen. Am Ufer steht ein Bischof, der die Bekehrten mit ausgebreiteten Armen segnet, hinter ihm eine Gruppe von Klerikern, die ein vergoldetes Reliquiar trägt. Dass die Christianisierung nicht freiwillig geschah, legt der linke Teil des Bildes dar: Effektvoll von zwei Bäumen gerahmt, ist die ebenso herrische wie heroische Gestalt eines berittenen Gaugrafen zu sehen, der von einer Gruppe bewaffneter Reiter begleitet wird. »Durch sumpfige Ebenen sind die Eroberer vorgedrungen, dem Christentum die Bahn ebnend«, schrieb Vogel zu dieser Szene. Und er formulierte sogar einen Text, den die Rathausdiener bei Führungen dem Publikum vortragen sollten: »Das große Gemälde in der Mitte stellt das Eindringen der kaiserlichen Macht und des Christentums dar. Im Beisein der Vertreter der weltlichen Macht führt die Geistlichkeit in feierlicher Handlung das Volk zum Christentum und zur Taufe.«

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Abb. 1: Auf diesem Wandbild (Detail) im großen Festsaal des Hamburger Rathauses, das 1909 enthüllt wurde, hat der Maler Hugo Vogel die Christianisierung des Nordens und damit den Beginn der Hamburger Stadtgeschichte dargestellt.

Vogel hat, so kann man bei den Rathausführungen erfahren, drei Versionen dieser Szene gemalt: Auf den ersten beiden, die vom auftraggebenden Senat abgelehnt worden waren, habe ein Sachse vor dem Bischof gekniet. Da aber dieser Sachse ein früher Hamburger sei, ein Hamburger aber weder vor Bischöfen noch vor Kaisern zu knien pflege, könne sich diese Szene so nicht ereignet haben. Daraufhin habe Vogel den knienden Sachsen übermalt, so dass der Bischof heute ins Leere segnet.

Mit der historischen Wahrheit hat dieser interessante Vorgang nichts zu tun, mit dem Selbstbewusstsein des hanseatischen Bürgertums dagegen viel. Doch davon kann Anfang des 8. Jahrhunderts noch keine Rede sein, als sich da, wo sich die Flüsschen Alster und Bille vereinigen, die ersten Siedler niederlassen und ein Dorf errichten. Es sind Sachsen vom Stamm der Nordalbingier, die hier einige bescheidene Höfe bewohnen und Ackerbau auf dem Geestrücken betreiben, ihr Vieh aber in den Marschwiesen weiden lassen.

Die Zeiten sind unruhig, denn die Sachsen, die Karl der Große zwischen 772 und 804 in sein Reich eingegliedert hatte, wehren sich immer wieder mit blutigen Aufständen gegen die neuen fränkischen Herren. Im 9. Jahrhundert entsteht daher eine erste Burganlage, doch ausgerechnet über die Hammaburg, die der Stadt den Namen gab, wissen wir zurzeit nur wenig. Bis vor wenigen Jahrzehnten glaubte man, dass es sich um eine Ringwallanlage auf dem Areal des Domplatzes handelte. Das ist inzwischen widerlegt, doch was immer auch die Archäologen in den nächsten Jahren herausfinden werden, all unsere Vorstellungen von mittelalterlichen Burgen, mit steinernen Mauern, Zinnen, Zugbrücken und Wehrtürmen können wir getrost vergessen. Sicher ist: Die Hammaburg sah ganz anders und sehr viel weniger eindrucksvoll aus.

 

HINTERGRUND

 

Die Entdeckung der Hammaburg

Ende Januar 2014 konnte Rainer-Maria Weiss, der Direktor des Archäologischen Museums Hamburg eine wissenschaftliche Sensation verkünden: Endlich waren sich Archäologen und Wissenschaftler einig, Hamburgs Keimzelle entdeckt zu haben. Die erste Hammaburg, das seit Jahrhunderten gesuchte Ur-Hamburg, stand also doch auf dem heutigen Domplatz am Speersort. »Nach jahrelanger Auswertung aller Grabungsergebnisse und nach ausgiebiger Fachdiskussion mit führenden Wissenschaftlern verschiedener Fachrichtungen kann dies jetzt als gesichert gelten«, sagte Weiss. Somit ist die 15 Monate dauernde Grabung auf dem Domplatz in den Jahren 2005/2006 zu einem späten Erfolg geworden.

Zunächst hatte Enttäuschung geherrscht, weil es weder spektakuläre Funde noch zunächst neue Erkenntnisse gab. Doch Weiss und sein Team haben im Laufe der Auswertung aller Befunde Beweise und Indizien zusammengetragen, die das Bild von Hamburgs Frühgeschichte in einem völlig neuen Licht erscheinen lassen. »Man kann durchaus sagen, dass Hamburgs Geschichte in Teilen neu geschrieben werden muss«, so Weiss.

Bisher ging man davon aus, dass die Hammaburg um 815 errichtet und die Anlage und die Siedlung mit der Ankunft des Missionars und Bischofs Ansgar im Jahre 832 entscheidend aufgewertet wurde. Jetzt ist klar: Die Hammaburg ist deutlich älter und entstand bereits im 8. Jahrhundert. Es gab mindestens seit Beginn des 9. Jahrhunderts adlige Burgherren, wohl aus dem Geschlecht der Billunger. Historisch verbürgt ist ein Burgherr namens Bernhard, der in der Hammaburg und wahrscheinlich weiteren Befestigungsanlagen nördlich und südlich der Elbe residierte, als Ansgar ankam und die Siedlung zum Bistum wurde. Als sicher gilt, dass die verkehrsgünstig an Alster, Elbe und Bille gelegene Hammaburg von Beginn an ein Handelsplatz war und von Kaufleuten bewohnt wurde.

 

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Abb. 2: Der frühesten Stadtgeschichte auf der Spur: In den Jahren 2005/06 nahm das Archäologische Museum Hamburg Grabungen am Domplatz vor.

Karl der Große braucht christliche Untertanen

Als der Benediktinermönch Ansgar in den Jahren 831/32 an die Elbe kommt, begibt er sich auf gefährliches Terrain. 801 in der Picardie, im Norden des heutigen Frankreichs geboren, war Ansgar schon seit seinem fünften Lebensjahr in einem Benediktinerkloster erzogen worden und wirkte später selbst als Leiter einer Klosterschule, bis er zum Missionar berufen wird. Um den heidnischen Völkern des Nordens das Christentum zu predigen, reist er 826–31 und um die Mitte des 9. Jahrhunderts nach Dänemark und Schweden. Zunächst trägt seine Arbeit Früchte: In der berühmten Wikingerstadt Haithabu und in Ribe tauft er die Menschen und gründet eine Kirche. 831 wird Ansgar zum Bischof geweiht, ein Jahr später erhebt ihn Papst Gregor IV. zum Erzbischof von Hamburg und zum päpstlichen Legaten im Norden. Seine Aufgabe ist es, die Dänen, Schweden und Slawen zu missionieren. Ansgars Tätigkeit hat allerdings auch eine machtpolitische Seite, denn Karl der Große, dessen Reich seit Ende des 8. Jahrhunderts bis an die Eider reicht, will das Land befrieden. Und dafür braucht er christliche Untertanen.

Als Ansgar sich um 831 in Hamburg niederlässt, scheint ihm dies ein günstiger Ausgangspunkt nicht nur für die Bekehrung der hier lebenden Sachsen und Slawen, sondern auch für weitere Missionsversuche in Dänemark und Schweden zu sein. Im Mittelalter setzten die Missionare freilich nicht nur auf persönliche Überzeugung und Glaubensgewissheit, sondern ebenso auf militärische Macht. Karl der Große hat immerhin verfügt, dass jeder, der den heidnischen Göttern nicht abschwören würde, hinzurichten sei. Vor allem deshalb erweisen sich Massenbekehrungen oft als nicht besonders nachhaltig. Den Wikingern erscheint die christliche Lehre häufig recht unverständlich. Im Zweifel vertrauen sie dann doch lieber ihren bewährten Göttern, Odin und dem Donnergott Thor, als dem unsichtbaren Christengott, der es unbegreiflicherweise hatte geschehen lassen, dass sein einziger Sohn von Feinden ans Kreuz geschlagen wurde.

 

HINTERGRUND

 

Der erste Mariendom – ein bescheidener Bau

Ernst, würdig und ein wenig vergeistigt, mit dem Bischofsstab in der rechten und dem Turm des Mariendoms in der linken Hand, so haben die Bildhauer aus der berühmten Lübecker Werkstatt des Bernt Notke Ansgar um 1480, also sechs Jahrhunderte nach seinem Tod, dargestellt. Die Eichenholzstatue, die sich heute in der Hauptkirche St. Petri befindet, gehörte ursprünglich zur Ausstattung des Hamburger Mariendoms, der Anfang des 19. Jahrhunderts abgerissen wurde. Schon Ansgar hatte seine Bischofskirche der Mutter Maria geweiht. Könnten wir sie heute besichtigen, wären wir sicher enttäuscht, denn natürlich war sie kein stolzes, sondern nach heutigen Maßstäben ein sehr schlichtes Gebäude. Aus Baumstämmen errichtet, stand sie innerhalb der Umfriedung eines Burgwalls ungefähr auf dem Standort des heutigen Pressehauses.

 

Überfälle heidnischer Völker

Der Angriff kommt völlig überraschend: Im Sommer 845 fallen dänische Wikinger über die Hammaburg und die benachbarte Siedlung her. Die Übermacht ist erdrückend, eine Verteidigung scheint aussichtslos. Ansgar kann nur noch die kostbaren Reliquien aus dem Mariendom retten und Hals über Kopf fliehen. In der von dem Bremer Bischof Rimbert verfassten Ansgar-Biografie heißt es: »Seine Geistlichen zerstreuten sich nach allen Seiten, er selbst entrann ohne Kutte nur mit größter Mühe«. Ansgar flieht in das Dorf Ramelsloh, um daraufhin in das vergleichsweise sichere Bremen zu gehen, wo er zum Erzbischof der nunmehr zusammengelegten Hamburger und Bremer Bistümer geweiht wird.

Die Wikinger haben Hamburg fast völlig zerstört. Bereits wenige Jahre später bevölkert sich die Siedlung jedoch von neuem. Um das Jahr 850 leben hier etwa 200 Menschen. 858 hält das Christentum erneut Einzug in Hamburg: Ansgar lässt nochmals einen hölzernen Mariendom errichten. Die Bedrohung durch heidnische Völker hält allerdings auch im 10. Jahrhundert noch an. Im Jahr 953 machte der deutsche König Otto I. den sächsischen Adligen Hermann Billung zum Markgrafen. 13 Jahre später bekommt der neue starke Mann, der für den Schutz der Grenze an der Elbe die Verantwortung trägt, Hamburg als Residenz zugewiesen. Neben den Erzbischöfen gibt es mit den Billunger Grafen in der Stadt nun auch weltliche Herrscher.

983 erheben sich die slawischen Abodriten unter ihrem Fürsten Mistui und zerstören Hamburg. Anschließend beginnt man am östlichen Rand des Dombezirks eine große Befestigungsanlage zu errichten, die als »Heidenwall« bezeichnet wird und gegen Slawenüberfälle schützen soll. Die Entwicklung des Domstiftes und der Siedlung können aber auch die großen Überfälle von 1066 und 1072 nicht mehr aufhalten.

Hamburg als Höchststrafe: Ein Papst in Verbannung

Im Heiligen Römischen Reich gibt es gewiss Städte, in denen es sich angenehmer leben lässt als im unwirtlichen, kalten und nassen Hamburg. Zumindest aus römischer Perspektive dürfte die Stadt im Norden als Wohnort ein Albtraum gewesen sein. Für Papst Benedikt V. jedenfalls ist Hamburg die Höchststrafe: Der Papst, der von Otto I. abgesetzt wird, weil er dem Kaiser nicht genehm ist und nicht in seine machtpolitischen Pläne passt, wird der Aufsicht des Hamburger Erzbischofs Adaldag unterstellt und muss mit ihm nach Hamburg gehen. Lange hält der an angenehmere Temperaturen gewöhnte Römer das nicht aus. Er stirbt am 4. Juli 966 und wird im Mariendom beigesetzt. Allerdings überführt man seine sterblichen Überreste 999 nach Rom. Sein Kenotaph aus dem 13. Jahrhundert befand sich bis Ende des 18. Jahrhunderts im Dom. Dann wurde es bei Baumaßnahmen abgerissen und in den Bauschutt unter dem Fundament geworfen. Nur einige Reste wurden bei Ausgrabungen gefunden.

Da man die Häuser bis ins frühe 11. Jahrhundert ausschließlich aus Holz baut, werden sie bei den Überfällen immer wieder Opfer der Flammen. Das änderte sich erst, nachdem Bezelin Alebrand 1035 in Bremen zum Erzbischof geweiht wurde. Er ergreift die Initiative und ersetzt den hölzernen Hamburger Dom durch ein Gebäude aus Stein, von dem bei Ausgrabungen Reste gefunden wurden. 1962 entdeckt man nördlich des vermuteten Standortes der Hammaburg am Speersort die Fundamente eines Rundturms mit angeschlossenem Brunnenhaus. Dabei könnte es sich um Überbleibsel eines von Bischof Bezelin im 11. Jahrhundert errichteten wehrhaften Gebäudes handeln. Die Fundamente wurden gesichert und im »Schauraum Bischofsturm« (Speersort 10) der Öffentlichkeit dauerhaft zugänglich gemacht.

Graf Bernhard II. Billung, Hamburgs weltlicher Herrscher, will nicht nachstehen. Auch er lässt sich einen von dicken Mauern geschützten Wohnturm errichten. Sein Nachfolger Ordulf baut schließlich 1061 am Alsterufer die Neue Burg.

Mit diesen Bauwerken ist Hamburg nun den angreifenden Stämmen nicht mehr so schutzlos ausgeliefert wie zuvor, doch der Burgenbau im 11. Jahrhundert ist zugleich Ausdruck einer heftigen Rivalität zwischen geistlichen und weltlichen Herrschern.

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Abb. 3: Diese Fayence-Fliese ist ein Fragment des Kenotaphs, der im späten 13. Jahrhundert für Papst Benedikt V. im Hamburger Dom aufgestellt wurde. – Bemalte, glasierte Terracotta, letztes Viertel 13. Jahrhundert.

Nachdem 1111 die Herrschaft der Billunger beendet ist, setzt Sachsenherzog Lothar von Supplinburg die Schauenburger als Landesherren in Holstein, Wagrien und Stormarn ein. Die neuen Machthaber locken Kaufleute an, die vom Grundzins befreit werden, sodass ihre Geschäfte bald florieren. An der Alsterschleife entsteht ein völlig neues Siedlungsgebiet, aber auch auf dem heutigen Rathausmarkt und der Bergstraße werden nun Häuser gebaut.

Privilegien – aber leider nichts Schriftliches

Adolf III., Graf von Schauenburg und Holstein (1164–1225), versteht es vorzüglich, Hamburger Interessen durchzusetzen. Als er 1189 mit einem Kreuzfahrerheer Richtung Heiliges Land unterwegs ist, gelingt es ihm, eine Audienz bei Friedrich I. Barbarossa zu erhalten. Der Kaiser zeigt sich von den Ambitionen des Grafen beeindruckt und verspricht ihm einen Freibrief für Hamburg, in dem wichtige Privilegien erteilt werden. Das betrifft die freie Schifffahrt bis zur Elbmündung, das Recht auf freien Warenverkehr in der gesamten Grafschaft Holstein, freien Fischfang auf der Elbe sowie Weide- und Holzeinschlagsrechte in der Umgebung der Stadt. Nicht zu verachten ist auch die Befreiung der Bürger vom Kriegsdienst und die Zusicherung, dass im Umkreis von zwei Meilen keine Burgen mehr gebaut werden dürfen.

Der Freibrief ist ein enormer diplomatischer Erfolg, hat aber einen erheblichen Schönheitsfehler: Adolf III. bekommt nichts Schriftliches in die Hand. Vier Tage nach dem für Hamburg so erfreulich verlaufenen Gespräch setzt Barbarossa seine Reise nämlich fort und ertrinkt am 10. Juni 1190 in Anatolien in dem Fluss Saleph.

Vorerst reichen Graf Adolf jedoch die mündlichen Zusicherungen. Die Schauenburger schaffen es einige Jahrzehnte später sogar, alleinige Stadtherren von Hamburg zu werden: 1228 tritt der Bremer Erzbischof Gerhard II. seine Rechte als Stadtherr in der Altstadt an den Schauenburger Graf Adolf IV. ab. Altstadt und Neustadt wachsen nun immer stärker zusammen und werden gemeinsam verwaltet.

Eine Heilige greift ein

Doch die Weichen für Hamburgs Aufschwung sind bereits ein Jahr zuvor gestellt worden, etwa 80 Kilometer nördlich der Stadt auf den Wiesen und Fluren des Dörfchen Bornhöved, das sich in der Nähe von Bad Segeberg befindet: