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Erich Schneider

Kleine Geschichte Unterfrankens

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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

© 2020 Verlag Friedrich Pustet, Regensburg

Gutenbergstraße 8 | 93051 Regensburg

Tel. 0941/920220 | verlag@pustet.de

ISBN 978-3-7917-3172-8

Reihen-/Umschlaggestaltung und Layout: Martin Veicht, Regensburg

Satz: Vollnhals Fotosatz, Neustadt a. d. Donau

Druck und Bindung: Friedrich Pustet, Regensburg

Printed in Germany 2020

eISBN 978-3-7917-8181-7 (epub)

Unser gesamtes Programm finden Sie im Webshop unter

www.verlag-pustet.de

Inhalt

Vorwort

Das Land am mittleren Main: Versuch einer Annäherung

Landschaft und Raum / Unterfranken vor den Franken / Der Kultwagen von Acholshausen / Frühe Zeugnisse des Christentums / Unterfranken wird fränkisch

Von Kilian bis Bonifatius

Der hl. Kilian als Apostel der Franken / Willibrord, Bonifatius und die Gründung des Bistums Würzburg / Der hl. Bonifatius

Die Frühzeit des Bistums Würzburg

Die ersten Würzburger Bischöfe / Das Bistum bis zum Ende der Karolingerzeit / Die Würzburger Dombibliothek / Die Babenberger Fehde

Würzburg in der ottonisch-salischen Reichskirche

Unterfranken in ottonischer Zeit / Die Schweinfurter Fehde von 1003 / Bischof Bruno und der salische Dom in Würzburg / Das Bistum Würzburg während des Investiturstreits

Die Staufer-Zeit

Würzburgs Blütezeit im 12. Jahrhundert / Die „gülden freyheit“ von 1168 / Die Mainbrücke in Würzburg / Der „Kampf um den Main“ im 13. Jahrhundert

Frömmigkeit und Geistesleben im Spätmittelalter

Einzug und Aufstieg der neuen Orden / Die Teufel als Wohltäter / Kirchen als Zeugen der Kreuzzüge / Dichter und Minnesänger / Aufstieg der Städte

Reformation und Bauernkrieg

Krisen am Ausgang des Mittelalters / Der Fränkische Reichskreis / Tilman Riemenschneider / Der Aufstand des „gemeinen Mannes“ 1525 / Opfer der Bauern / Reformation in Unterfranken / Markgräflerkriege (1553/54)

Die Echter-Zeit

Katholische Reform unter Wirsberg / Echters Misserfolg in Fulda / Sozialreformen und Würzburger Universität / Gegenreformation ab 1587 / Echter als Bauherr / Mitglied der Katholischen Liga

Der Dreißigjährige Krieg in Franken

Philipp Adolf von Ehrenberg / Die Schweden in Franken / Die „Leopoldina“ in Schweinfurt

Die Schönborn-Zeit

Fast so etwas wie ein „Wirtschaftswunder“ / Petrini, Greissing, Neumann: Dreigestirn der Barockarchitektur / Höhepunkt der Barockarchitektur / Fürstbischof Friedrich Karl von Schönborn / Die Würzburger Residenz / Tiepolos Fresken in der Residenz / Wirtschaftspolitik in der Schönborn-Zeit / Wein und Wald / Unterfranken ist Weinfranken

Umbruch und Aufbruch

Die Zeit der Aufklärung / Säkularisation und Mediatisierung / Das Ende des Hochstifts Würzburg / Großherzogtum unter Ferdinand von Toskana / Napoleon und Marie Louise in Würzburg / 1814: (Unter-)Franken wird endgültig bayerisch

Im Königreich Bayern

Würzburg auf der Suche nach einer neuen Rolle / Unterfränkische Kurbäder / Schweinfurt seit der Mediatisierung / Aschaffenburg in bayerischer Zeit / Jüdische Kultur in Unterfranken / Die „Judensteine“ aus der Pleich / Der Habima-Skandal von 1930 / Von der Bayerischen Verfassung von 1818 bis zur Revolution von 1848 / Die Gaibacher Konstitutionssäule / Universität und Hochschulen / Renaissance der „altdeutschen“ Kunst / „Heroische Zeiten“: Die Kriege von 1866 und 1870/71 / Die Sammlung Sattler auf Schloss Mainberg / Kultur und Kunst – Theater, Museen und Sammlungen / Mainausbau, Eisenbahnbau und Beginn der Industrialisierung

Räterepublik – Freistaat – Bamberger Verfassung – Nazizeit

Unterfranken im Ersten Weltkrieg / Schwieriger Aufbruch in eine neue Zeit / Geheimverhandlungen um die Würzburger Residenz / Würzburg in der Weimarer Republik / Während des Nationalsozialismus

Unterfranken nach Kriegsende

Zusammenbruch und Wiederaufbau / „Task Force Baum“ / Phoenix aus der Asche: Würzburg nach 1945 / Flüchtlinge und Heimatvertriebene nach 1945 / Wirtschaftswunderjahre / Kirchenbau im 20. Jahrhundert / Stuck oder kein Stuck: Der Wiederaufbau des Doms in Würzburg / Gemeindegebietsreform von 1972

Vom Rand ins Zentrum: Auf dem Weg ins 21. Jahrhundert

Arbeitsplatzsituation / Verkehrswege / Deutsche Wiedervereinigung / Neue Herausforderungen

Anhang

Zeittafel / Regierungspräsidenten (bis 1837 Generalkommissäre) / Bezirkstagspräsidenten / Literatur (Auswahl) / Register / Bildnachweis / Übersichtskarte

Vorwort

Nach der erfolgreichen Kleinen Geschichte Frankens von Anna Schiener erscheint nun im selben Verlag eine in drei Bände aufgeteilte „Kleine Geschichte“ aller drei fränkischen Regierungsbezirke respektive ihrer Vorgänger. Es ist sicher nicht alleine die Vielzahl historischer Ereignisse und der mit Franken zu verbindenden kulturellen Höhepunkte, die nach einem solchen Schritt verlangt – die Zahl der Druckseiten hätte ein engagierter Lektor ohne Zweifel kürzen können. Eher wird man die geringe Schnittmenge an Verbindendem in der Geschichte der drei fränkischen Bezirke mindestens vor 1803 anführen können: Das Bistum Bamberg ist im Hochmittelalter aus dem Diözesangebiet des Bistums Würzburg heraus gegründet worden und gerade in der Barockzeit wurden beide Bistümer immer wieder von einem Fürstbischof regiert. Was aber haben die beiden Markgrafschaften ober und unter dem „Gebürg“ in Bayreuth und Ansbach mit Würzburg und Bamberg zu tun? Ist es alleine der über Jahrhunderte währende Streit um die Würde eines Herzogs in Franken? Noch schwieriger wird es, wenn man das Gemeinsame mit den Reichsstädten, allen voran mit dem in einer anderen Liga spielenden Nürnberg, sucht. An Größe und wirtschaftlicher Bedeutung war diese Stadt allen anderen in Franken stets weit überlegen. Dass sie im 19. Jh. nicht so etwas wie eine fränkische Hauptstadt oder doch wenigstens Sitz der Regierung von Mittelfranken wurde, hat der bayerische König verhindert. Vielleicht aber hatten oder haben die drei Bezirke gar kein Interesse an einer fränkischen Metropolregion mit Sitz in Nürnberg? Dessen ungeachtet kamen in jüngster Zeit zwei bayerische Ministerpräsidenten aus der Noris. Im Zuge der Gemeindegebietsreform der 1970er-Jahre wurde Eichstätt von Franken abgetrennt. Noch unschärfer wird die Eingrenzung Frankens, will man die Städte und Regionen im südlichen Thüringen, an der Tauber oder im hällisch-fränkischen Grenzgebiet, in denen fränkisch gesprochen wird, berücksichtigen. Am Ende steckt wohl auch etwas von dem dahinter, was man mit „fränkischem Separatismus“ umschrieben hat, das sich dagegen sperrt, die Geschichte ganz Frankens zwischen lediglich zwei Buchdeckel zu pressen.

Dabei macht die Beschränkung auf Unterfranken – respektive Ober- und Mittelfranken – das Vorhaben nicht einfacher. Genauso, wie sich die Frage danach, was denn Franken sei, nur annähernd beantworten lässt, verhält es sich mit dem politischen Gebilde Unterfranken bzw. den Gebietskörperschaften, aus denen es entstanden ist. „Unterfranken“ gibt es erst seit dem 9. April 1946. Es löste den am 1. Juni 1938 von den Nationalsozialisten eingeführten, räumlich annähernd identischen Gau „Mainfranken“ ab. Dafür fiel 1946 der bis 1938 gepflegte Zusatz „und Aschaffenburg“ einfach weg. Davor hatte die Region etwas mehr als 100 Jahre den Namen „Unterfranken und Aschaffenburg“ mit Würzburg als Hauptstadt getragen. Die in dieser etwas sperrigen Wortschöpfung sich äußernde Unterscheidung ergab Sinn, als das am unteren Main gelegene Aschaffenburg bis zum Ende des Alten Reiches zum Erzstift Mainz gehört hat. Sprachlich sind die „Aschebercher“ keine Unterfranken. Bei Schollbrunn verläuft nämlich die Grenze zwischen dem rheinfränkischen und dem mainfränkischen Dialekt, der sogenannte „Äppeläquator“: Dort lässt der Rheinfranke das „f“ in Äpfel nämlich weg. Wem das zu kompliziert wird, der sei daran erinnert, dass das heutige Unterfranken im Rahmen der Gründung des Königreichs Bayern seit dem 2. Februar 1817 rund elf Jahre lang Untermainkreis hieß, in Analogie zum Obermainkreis, dem jetzigen Oberfranken.

Hervorgegangen war dieser Untermainkreis aus dem Großherzogtum Würzburg und aus Aschaffenburg. Während Aschaffenburg bis 1803 zum Erzstift Mainz, dann auch zum Großherzogtum für Dalberg gehörte, war das Würzburger Gebiet davor Teil des gleichnamigen Hochstifts und ein souveräner Staat im Alten Reich. Die Würzburger Fürstbischöfe hatten nämlich aus der im Jahr 1168 von Kaiser Friedrich I. Barbarossa an Bischof Herold verliehenen „Güldenen Freiheit“ einseitig das Recht abgeleitet, den Titel eines Herzogs von ganz Franken zu tragen. Damit konnten sie sich bis 1803 jedoch nie völlig durchsetzen. Allerdings erfuhren sie im Nachhinein so etwas wie Genugtuung, weil der fränkische Rechen als Teil ihres hochstiftischen Wappens durch die königlich bayerische Verwaltung wie selbstverständlich zum Symbol für ganz Franken gemacht worden ist (und nicht das in Silber und Schwarz gevierte Wappen der fränkischen Hohenzollern). Wenn dann sogar der fränkische Rechen heute über der Nürnberger Kaiserburg weht, dann freut das den Unterfranken sogar noch ein klein wenig mehr.

Weiter sollen die hier in groben Zügen skizzierten komplizierten politischen Verhältnisse nicht aufgeschlüsselt werden. Es muss aber daran erinnert werden, dass vor 1803 eine Vielzahl von selbstständigen oder nach Selbstständigkeit strebenden Herrschaften des Adels, der Reichsritter, der Klöster oder der Reichsstädte die politische Landschaft in Unterfranken in die sprichwörtlichen Duodez-Fürstentümer fast zerstückelt haben. Das wirkt bis in die Gegenwart nach. Waren es 1818 etwas mehr als 500.000 Einwohner, so stieg deren Zahl im Laufe des 19. Jhs. gegen 1860 auf über 600.000, um dann in den ersten Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg mehr als 1.000.000 Menschen zu zählen. Ihren Höhepunkt erreichte die Zahl der Unterfranken zu Beginn des 21. Jhs. mit etwa 1,35 Mio., um in den folgenden zehn Jahren stetig auf rund 1,25 Mio. Einwohner abzuschmelzen; Tendenz weiter fallend.

Dieses Büchlein ist von einem Kunsthistoriker und Museumsmann verfasst worden. Deshalb wird das darin angesprochene historische Geschehen nicht alleine aus den Schriftquellen destilliert, sondern es werden häufiger auch Sachzeugnisse als Belege herangezogen. Die Publikation fußt selbstverständlich auf der von zahlreichen Autorinnen und Autoren vor mir erarbeiteten wissenschaftlichen Literatur. Einen Generalüberblick bietet die zwischen 1989 und 2002 von Peter Kolb und Ernst-Günther Krenig mit Unterstützung zahlreicher weiterer Fachkollegen im Auftrag des Bezirks Unterfranken in fünf Bänden herausgegebene Unterfränkische Geschichte. Da der Verlag in der Reihe, in der diese Arbeit erscheint, keine Fußnoten vorgesehen hat, muss ich hinsichtlich der verwendeten Literatur auf die knappen Angaben am Ende verweisen. Da sich die hier vorgelegte Kleine Geschichte Unterfrankens nicht als bloßes Kondensat der bisherigen Literatur versteht, danke ich zahlreichen Gesprächspartner*innen, dass sie ihr Wissen mit mir geteilt und mich in Einzelfragen beraten, ja häufig genug verbessert oder vor Fehlern bewahrt haben: Namentlich nenne ich die Herren Prof. Dr. Klaus Arnold (Kitzingen), Dr. Peter Kolb (Würzburg) sowie Dr. Hans Steidle (Würzburg) und nicht zuletzt auch die sensible Lektorin des Pustet-Verlags, Frau Christiane Tomasi, die sich der Mühe des kritischen Korrekturlesens unterzogen haben.

Würzburg, im Sommer 2020

Erich Schneider

Das Land am mittleren Main: Versuch einer Annäherung

Landschaft und Raum

Gespeist von seinen beiden Quellflüssen Weißer und Roter Main in Oberfranken erreicht der Main zwischen Zeil und Haßfurt Unterfranken. Er „schlendert“ dort zunächst von Osten nach Westen entlang der burgenreichen Haßberge mit dem Grabfeld um Bad Königshofen und der kuppeligen Rhön bei Bischofsheim im Norden. Bei Schweinfurt zieht es ihn nach Süden, wo er eine Ebene durchquert, die im Osten und Süden vom hügeligen Steigerwald begrenzt wird. Dem Maindreieck folgend, erreicht der Fluss das Weinland um Volkach und Kitzingen. Daran schließt sich im Süden der fruchtbare Ochsenfurter Gau an. Dort zieht der Main steil nach Nordwesten, passiert die unterfränkische Metropole Würzburg und weicht bei Gemünden dem Spessart aus. Wieder geht’s entlang des Mainvierecks nach Süden, bis der Fluss bei Urphar für etliche Kilometer erneut seine Hauptrichtung nach Westen ändert. Bei Miltenberg fließt er nach Norden in Richtung Aschaffenburg, wo er das fränkische Bayern bald verlässt, um bei Mainz in den Rhein zu münden.

Heute sind die politischen Grenzen Unterfrankens genau definiert und dennoch historisch gesehen „fließend“. Manche Aschaffenburger sehen sich rund 200 Jahre nach der Säkularisation noch immer als „mainzisch“ an und nicht wenige Bewohner an der Tauber verstehen sich genauso als (Unter-) Franken. Von denen im südlichen Thüringen gar nicht zu reden.

Sieht man einmal von dem bei Hörstein zutage tretenden Urgestein ab, dann ist die unterfränkische Landschaft geologisch dreigeteilt: Spessart und Odenwald werden durch den Buntsandstein geprägt, auf dem Eichen- und Buchenwälder wachsen. Vor allem die Spessart-Eichen sind wegen ihrer Qualität gefragt. Mainviereck und Maindreieck bilden die „Fränkische Platte“ mit bis zu 300 m dicken Plattenlandschaften aus Kalkgestein als Fundament. Das Ackerland darüber besteht aus Löß und Lößlehm. Südlich von Schweinfurt dominiert die Keuperstufe, in die immer wieder Sandsteinbrüche eingebettet sind. Nordöstlich des Mainvierecks erhebt sich die von einstigen Vulkanen geformte Rhön mit dem Gipfel des 927 m hohen unterfränkischen Kreuzbergs. Der dort anstehende Basalt war früher als Straßenbelag sehr begehrt. Davon zeugen riesige Steinbrüche, die sich die Natur allmählich wieder zurückerobert. Das Landschaftsbild der Rhön wird von Wiesenflächen geprägt. An den Rändern des Gebirges haben Heilquellen die Entstehung von Kurbädern gefördert.

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In einer spektakulären Schleife ändert der Main bei Urphar nahe Wertheim seine Fließrichtung.

Entlang den nach Süden und Westen ausgerichteten Steilhängen am Main wächst ein vorzüglicher Wein, dem die Winzer mit dem Bocksbeutel seit rund zwei Jahrhunderten ein charakteristisches Gefäß verliehen haben. Wegen der feinen mineralischen Note schätzen Kenner auch die Weine vom Steigerwald. Möchte man Unter- von Oberfranken unterscheiden, dann soll es hier mehr Wein und dort mehr Bier geben.

Die fruchtbaren Böden bieten hervorragende Bedingungen für Spargel und Zuckerrüben. Die Kitzinger Gegend ist eine Gartenbaulandschaft. Darüber hinaus werden Zwetschgen, Äpfel oder Birnen geerntet oder häufig zu edlen Destillaten gebrannt. Zwischen Würzburg und Werneck prägen Äcker mit Weiß- und Blaukraut das Bild. Sennfeld und Gochsheim bei Schweinfurt betreiben den Anbau von Gurken („Kümmerli“), die zu Sauerkonserven verarbeitet werden. Das benachbarte Schwebheim gilt als „Apothekengarten“. Ein großer Kräuterhersteller sitzt in Abtswind. Und dann gibt es noch immer Bauern, die Viehzucht treiben: Von irgendwoher müssen zu diesem vielen Gemüse die wohlschmeckenden Bratwürste und die leckeren „Schäuferli“ (gebratene Schweineschultern) kommen.

Unterfranken vor den Franken

Die Vorgeschichte des unterfränkischen Raumes lässt sich weit bis in die Anfänge menschlicher Kultur zurückverfolgen. Funde vom Schalksberg in Würzburg belegen, dass entlang des Maines schon vor 300.000 Jahren der „Homo erectus heidelbergensis“ gelebt hat. Fruchtbare Böden und reiche Jagdgründe haben in der Altsteinzeit vor über 10.000 Jahren Jäger und Sammler hierhergeführt. Ältester Beleg dürfte ein Faustkeil sein, der bei Dornheim nahe Iphofen entdeckt wurde. Ackerbau und Viehzucht hat die Menschen sesshaft werden lassen. Schwanfeld bei Schweinfurt gilt wegen seiner um 7500 v. Chr. zu datierenden Funde als ältestes Dorf in Deutschland. Etwas jünger sind Fragmente figürlicher Plastik, die kultisch-religiöse Bedeutung gehabt haben dürften. In diesen Kontext gehört eine 8.000 Jahre alte Kette aus Zähnen von Menschenopfern im Würzburger Museum für Franken, die bei Zeuzleben gefunden worden ist. Damals gab es auch eine befestigte Siedlung auf dem Judenhügel bei Kleinbardorf.

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An den Hängen des Steigerwaldes nahe Castell wächst ein vorzüglicher Wein.

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Kette aus den Zähnen geopferter Menschen aus Zeuzleben, 6000 v. Chr.

Die Keramik der Mittelsteinzeit bis hin zur Glockenbecherkultur vom Ende der Steinzeit mit ihren reich verzierten, im Umriss an Glocken erinnernden Gefäßen ist ebenso belegt. Eine große Besonderheit bilden die hölzernen Kreisgrabenanlagen zur Bestimmung des Sonnenstandes und damit des Kalenders. Sie lassen sich in Ippesheim und Hopferstadt knapp jenseits der Grenze zu Mittelfranken nachweisen. Beide Orte dürften von kultischer Bedeutung gewesen sein und haben Sichtkontakt zum Bullenheimer Berg. Dort wurde 1973 eine bronzezeitliche Höhensiedlung entdeckt. Die hier gefundenen bronzenen Radnaben im Museum für Franken Würzburg lassen einen von Pferden gezogenen Kultwagen rekonstruieren.

Der Kultwagen von Acholshausen

Bedeutendstes Objekt dieser Zeit ist der Kultwagen von Acholshausen im Museum für Franken in Würzburg (um 1000 v. Chr.). Das aus Bronze gegossene Gefährt war Teil des reichen Grabes einer hochgestellten Persönlichkeit, die wohl kultische Handlungen vollzog. Vermutlich sind solche Kultwagen mit Regenzeremonien in Dürrezeiten in Verbindung zu bringen. Hinweise darauf sind die im Grab gefundenen beiden bronzenen Zierscheiben, die als Sonnensymbole gelten.

Die Bronzezeit (ca. 2200–800 v. Chr.) steht für einen Höhepunkt in der frühen Kultur Unterfrankens. Damals löste das Metall Bronze Werkzeuge und Schmuckstücke aus Stein ab. Für diesen Technologiesprung bedurfte es eines regen Handelsaustauschs. Das Leben vieler Menschen in dörflichen Gemeinschaften und der Schutz der Handelswege förderten die Anfänge hierarchisch geordneter Gesellschaften. Am Ende der Epoche steht die Urnenfelderzeit, in der die Toten verbrannt und in Urnen bestattet wurden.

In der Hallstattzeit von etwa 700 bis 450 v. Chr. lassen sich die Kelten in Unterfranken fassen. Damals gelang es erstmals, Eisen zu verhütten und zu schmieden: ein weiterer technologischer Fortschritt mit großen Folgen! Ihre Siedlungen lagen meist auf Bergen. Ein Herrschaftszentrum war der Marienberg in Würzburg. Dort gefundene attische Importkeramik lässt auf luxuriöse Trinkgelage der vom Berg aus regierenden Fürsten sowie auf weitgespannte Handelskontakte und Reichtum schließen. Davon zeugen ferner Fürstengräber in riesigen Grabhügeln, wie jenes auf dem Laushügel oberhalb von Biebelried. Die Bergfestungen wurden in der bis in die Zeit von Christi Geburt währenden Latènezeit weiter ausgebaut. Auf dem Schwanberg oberhalb von Iphofen bildete sich im 2. Jh. v. Chr. eine stadtartige Siedlung (oppidum) heraus. Die spätkeltische Befestigung war zeitweilig ein politisches Zentrum der Region.

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Spätbronzezeitlicher Kultwagen aus Acholshausen (LKr. Würzburg), Bronze, um 1000 v. Chr.

Die Kelten begannen im 4. Jh. v. Chr., in der Ebene zu siedeln. Im 1. Jh. v. Chr. drangen germanische Stämme aus dem Raum Elbe und Saale nach Unterfranken ein. Bei Gerolzhofen wurde ein germanisches Wohnstallhaus aus der Zeit um Christi Geburt ausgegraben. In Mitteleuropa suchten damals über rund fünf Jahrhunderte hinweg ständig neue Völkerschaften Fuß zu fassen. Wegen Kontinuität der Siedlungen spricht man eher von Migration als von gewaltsamen Eroberungszügen.

Zahlreiche neuere Funde belegen, dass das Land am mittleren Main einen Schwerpunkt der Besiedlung in der römischen Kaiserzeit im 1. bis 5. Jh. n. Chr. erfahren hat. Dafür stehen Orte wie Klein- und Großlangheim, Alitzheim, Ober- und Unterspiesheim, Eßleben oder Tückelhausen. 1985 wurde oberhalb von Marktbreit ein römisches Legionslager entdeckt, das die Vorstellung von der Anwesenheit der Römer in Franken verändert hat. Das zwischen 10 v. Chr. und 9 n. Chr. erbaute Lager für zwei Legionen war Teil einer Großoffensive zur weiteren Unterwerfung Germaniens. Trotz anfänglicher Erfolge erzwang die für Rom verheerende Varusschlacht 9 n. Chr. die Aufgabe des Lagers bei Marktbreit.

Um 90 n. Chr. drangen die Römer von Süden in den Raum Weißenburg i. Bay. und Gunzenhausen vor und erbauten im Rahmen des Limes weitere Grenzbefestigungen. Man muss sich diesen Limes als bewachte, aber für den Handel offene Grenze vorstellen. Daneben gab es den Main als sogenannten „nassen“ Limes zwischen Großkrotzenburg und Bürgstadt. Weitgehend frei vom militärischen Druck der Römer ließen sich im 2. und 3. Jh. n. Chr. die Germanen von Rhein und Weser her im heutigen Unterfranken nieder. Römische Luxusgüter gelangten auf diese Weise in die Region. Dazu gehören die kleine bronzene römische Merkurstatuette aus Iphofen-Possenheim (Prähistorische Staatssammlung München) oder die Bronzeapplike eines Gottes Okeanos (Privatbesitz).

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Kessel, Schalen und Kasserollen aus Bronze von einem römischen Hortfund bei Höchberg, 2./3. Jh. n. Chr.

259/60 überrannten die Alamannen den Limes und die Römer zogen sich über den Rhein zurück. Die Folge waren germanische Raubzüge in ehemals römischem Gebiet. Hiervon zeugt ein unlängst bei Höchberg geborgener Hortfund mit Kesseln, Schalen und Kasserollen, die der Verein „Freunde Mainfränkischer Kunst und Geschichte“ für das Museum für Franken erwerben konnte.

Während des 5. Jhs. drangen die Alamannen aus Thüringen in das Maingebiet vor. Ihre Hauptorte (civitates) waren Würzburg und Aschaffenburg (Mainaschaff?). Dennoch konnten sie sich nicht lange halten und wurden von Rheinfranken und Weserfranken in mehreren Schlachten besiegt. 496 schälte sich in der Schlacht von Zülpich Chlodwig I. († 511) aus dem Geschlecht der Merowinger als starker Mann heraus. Er soll der Überlieferung zufolge nach diesem Sieg in Reims durch Gregor von Tours getauft worden sein. Im Jahr 506 besiegelte die Schlacht bei Straßburg den Untergang der Alamannen. Der Untermain wurde Teil des Fränkischen Reiches und Ausgangspunkt für ihr weiteres Vordringen entlang des Mains nach Osten. Der militärische Erfolg der Franken verdankt sich auch ihrer wichtigsten Waffe, der „Franziska“. Es handelt sich um ein Wurfbeil, das zugleich als Hiebwaffe benutzt werden konnte.

Frühe Zeugnisse des Christentums

Die Franken brachten wohl erstmals die Kenntnis vom Christentum mit in die Region. Hinweise darauf bieten einige Funde in Kleinlangheim: Zu nennen sind eine durchbrochene Zierscheibe aus der Mitte des 6. Jhs., eine Fibel mit Kreuzmotiv (um 600) oder ein zweischneidiges Schwert aus Grab 25, eine sogenannte Spatha, mit Kreuzverzierung am Knauf (Museum für Franken, Würzburg). Um 640 soll außerdem in der villa carloburgo, dem heutigen Stadtteil Karlburg von Karlstadt, ein Marienkloster gewesen sein. Fakt ist jedoch, dass das Christentum vor dem Ende des 7. Jhs. nur eine Randrolle in Franken spielte.

Unterfranken wird fränkisch

Aufzeichnungen des „Geographen von Ravenna“ aus der Zeit um 700 zufolge gab es im frühen Mittelalter östlich des Rheins zwei feste Plätze: Uburcis und Ascapha, die für gewöhnlich als Würzburg und Aschaffenburg identifiziert werden. Man nimmt an, dass sich im 6. Jh. von Westen her fränkische Adelige und Siedler, darunter sogenannte „Freie Franken“, am mittleren Main niedergelassen haben. Zumindest der Adel dürfte getauft gewesen sein, während die altansässige Bevölkerung von heidnischen Vorstellungen geprägt blieb. Die neue Oberschicht gründete Orte, die meist aus Personennamen oder Himmelsrichtungen und der Endung „-heim“ zusammengesetzt sind. Diese Phase der „Verfrankung“ dauerte bis zur Mitte des 8. Jhs.

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Rüsselbecher aus Hellmitzheim (Lkr. Kitzingen), hellgrünes Glas, 6. Jh.

Papst Gregor III. verfasste um 738 einen Brief an diejenigen „im Grabfeld, und alle [ ] im östlichen Landstrich Wohnenden“. Während das Grabfeld eine definierte Größe bildete, war das Land östlich davon in der päpstlichen Kanzlei damals noch Terra incognita. Erst nach Mitte des 8. Jhs. findet sich der Name orientales Franci für die dort Lebenden. Daraus wurde im 9. Jh. Francia orientalis – Ostfranken – für das Land am Main. Im Grunde ist das jedoch nur ein Notname zur Unterscheidung des Kerngebiets der Karolinger westlich des Rheins, der um 1200 jedoch allgemein wurde.

Den Prozess der Verfrankung gefährdeten im 6. Jh. von Osten bis in den Steigerwald vordringende, slawisch geprägte Ethnien. Von den Wenden gegründete Orte tragen Namen, die auf „-wind“ enden, wie z. B. Abtswind oder Geiselwind an der A 3. Bis in die Zeit Karls d. Gr. (768–814) war Franken durch kriegerische Aktionen der Sachsen immer wieder bedroht.

Darüber hinaus hat es den Anschein, als ob die fränkische Oberschicht am Main durchaus eigene, sich nicht immer mit denen der Merowingerkönige deckende Interessen verfolgte. So soll sich der Franke Radulf († nach 642) als Herzog von Thüringen (ducatus Thoringae) gegen die fränkische Oberherrschaft der Pippiniden aufgelehnt haben.

Unsere Kenntnisse von den genauen genealogischen Zusammenhängen in Ostfranken im 6. und 7. Jh. sind undeutlich. Die Passio Kiliani erwähnt einen Herzog Hruodi in Franken. Ob dieser mit Herzog Radulf aus dem thüringischen Dukat identisch ist, wissen wir nicht. Hruodi wird in der Passio als Stammvater der Dynastie der Hetenen bezeichnet. Ihm soll sein Sohn Hetan d. Ä. gefolgt sein, an den sich dessen Sohn Gozbert anschloss, der im ausklingenden 7. Jh. in dem Kastell Wirciburc weitgehend unabhängig vom Frankenreich über die Francia orientalis geherrscht haben soll. Unter dem Einfluss der fränkischen Hausmeier und dem ab 687 regierenden König Pippin II. ging ihr Herzogtum Thüringen zwischen 716 und 719 unter. Herzog Gozbert wurde ermordet und sein Sohn Hetan II. aus dem Land getrieben.

Von Kilian bis Bonifatius

Der hl. Kilian als Apostel der Franken

Die frühesten Berichte über das Wirken des Frankenapostels Kilian und seiner Gefährten werden in die Mitte des 8. bis in die Mitte des 9. Jhs. datiert. Sie wurden daher erst etwa zwei bis drei Generationen nach seiner angenommenen Tätigkeit als Missionar aufgeschrieben. Es sind zunächst zwei Passiones („Leidensgeschichten“), die Passio maior und die Passio minor. Dem Märtyrerverzeichnis des Fuldaer Abtes und Erzbischofs von Mainz, Hrabanus Maurus (780–856), sowie dem Mönch Beda Venerabilis (vor 850) verdanken wir weitere Informationen.