Inhaltsverzeichnis

Zum Buch

 

Ingolstadt hat eine bewegte Geschichte hinter sich: 806 erstmals in einer Urkunde Karls des Großen erwähnt, wurde es zu einem wichtigen strategischen Ort an der Donau und erlebte eine besondere Zeit als souveränes Teilherzogtum Bayern-Ingolstadt (1392–1447) und Sitz der ersten und einzigen Bayerischen Landesuniversität (1472–1800). Zugleich war Ingolstadt immer auch Festungsstadt, ab 1828 ausgebaut zur Bayerischen Landesfestung. Heute präsentiert es sich als moderne Wirtschaftsstadt, die überdies wieder an ihre universitäre Tradition anknüpfen konnte.

Wie diese Entwicklung vor sich ging, erzählt Gerd Treffer in seiner kompakten, fundierten Darstellung ebenso einprägsam wie unterhaltsam.

 

 

Zum Autor

 

Gerd Treffer,
Dr. phil Dr. jur., war fast 40 Jahre lang Pressesprecher der Stadt Ingolstadt. Er ist Autor zahlreicher Bücher und Hörbilder zu historischen Themen allgemein und zur Ingolstädter Stadtgeschichte im Besonderen.

 

Gerd Treffer

Ingolstadt
Kleine Stadtgeschichte

VERLAG FRIEDRICH PUSTET

REGENSBURG

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

 

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

 

 

eISBN 978-3-7917-6134-3 (epub)

© 2018 by Verlag Friedrich Pustet, Regensburg

Einbandgestaltung: Martin Veicht, Regensburg

eBook-Produktion: Friedrich Pustet, Regensburg

 

Diese Publikation ist auch als Printprodukt erhältlich:

ISBN 978-3-7917-2967-1

 

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Vorwort: Der Daumenabdruck der Ingolstädter Geschichte

Im Jahr 2000 hat Ingolstadt sein 750-jähriges Bestehen »als Stadt« gefeiert und 2006 ein 1200-Jahr-Fest aus Anlaß seiner ersten urkundlichen Erwähnung. Als Signet für die 750-Jahr-Feier hatte die Stadt einen Fingerabdruck – das Symbol für Erkennbarkeit und Individualität – gewählt, der sich an einen stilisierten Flusslauf anlehnt: Ingolstadt, die Stadt an der Donau mit ihrem unverwechselbaren, eigenständigen Charakter.

Ingolstadt hat aufgrund seiner geographischen Lage am Fluss (in einer militärisch-strategisch wichtigen Position und im Fadenkreuz überregionaler Handelsachsen), aber auch wegen der in die Stadt verlegten, landesweit bedeutsamen Einrichtungen eine Rolle gespielt, die es unter den anderen bayerischen Städten auszeichnete. Als bayerische Militärstadt schlechthin, und spätere bayerische Landesfestung, war Ingolstadt ein traditioneller Dreh- und Angelpunkt der Landesverteidigung. Als Universitätsstadt, Sitz der ersten und lange Zeit einzigen Bayerischen Landesuniversität, hat es drei Jahrhunderte lang eine Sonderrolle erfüllt, die ihm über die bloße Stadtgeschichte hinaus Bedeutung in der Landes- und gelegentlich in der europäischen Universitäts- und Geistesgeschichte einbrachte.

In der frühen Geschichte war das Donaubecken um Ingolstadt ein zentraler Siedlungsraum. Das »Land um Ingolstadt« zählt heute zu den bedeutendsten archäologischen Fundregionen in Deutschland. Das Oppidum Manching stellte einen keltischen Siedlungsschwerpunkt dar; in römischer Zeit war die Region Grenzland des Römischen Reiches und wurde dann Kernland der bajuwarischen Stammesbildung. 806 wird Ingolstadt erstmalig in einer Urkunde Karls des Großen erwähnt und wuchs unter den Wittelsbacher Herzögen zu einem respektablen städtischen Gemeinwesen heran.

In der Folge der Wittelsbacher Landesteilung von 1392 wird Ingolstadt zum souveränen Fürstentum. Die Tochter des Ingolstädter Landesherrn wurde als Isabeau de Bavière Königin von Frankreich. Ihr Bruder, Ludwig der Gebartete (der lange Jahre an ihrem Hof gelebt hatte), errichtete in Ingolstadt ein Neues Schloss und begann den Bau einer gewaltigen Kathedrale – städtebauliche Akzente, die bis heute das Stadtbild prägen.

Nach dem Aussterben der Ingolstädter Herzogslinie beginnt für Ingolstadt eine zweite große Epoche. 1472 gründeten die neuen Landshuter Landesherrn in Ingolstadt die Hohe Schule, die neben Wien und Prag zu einer der bedeutendsten Universitäten im deutschsprachigen Raum heranwuchs, zu einem Zentrum des Humanismus und zu einem Bollwerk des Katholizismus in der Zeit der Gegenreformation: Hier erhielten spätere Kaiser und Kurfürsten ihre Prägung. Hierher berief der bayerische Kurfürst die Jesuiten. Hier lehrten nach Johannes Eck ein Petrus Canisius, ein Gregor von Valencia.

Ingolstadt hat zwei Berufungen, die sich so einfach nicht verbinden lassen: Es ist Ort der Wissenschaft und Platz der Landesverteidigung. Ingolstadt war nämlich auch immer Stadt der Soldaten, eine Festung, die nie vom Feind genommen wurde. Ein ums andere Mal zogen fremde Heere heran, aber auch, unverrichteter Dinge, wieder fort. Hinter den Festungsmauern wurde Ingolstadt dann zu einem Ort der Aufklärung, der medizinischen Forschung und Lehre, der Reform des Lehrbetriebs, gar zum Hort radikaler aufklärerischer Umtriebe, der Illuminaten.

1800 ist das schwarze Jahr der Ingolstädter Geschichte. Die Festung wird geschleift, die Universität (über Landshut nach München) verlegt. Die Stadt verliert gleichzeitig ihre beiden traditionellen Standbeine, ist damit in Gefahr, zu einer unbedeutenden Provinzstadt abzusinken. Sie verdankt ihr Überleben der Besinnung auf die Rolle als Militärstadt.

Von 1828 an wird Ingolstadt zur Bayerischen Landesfestung ausgebaut. Ein Vierteljahrhundert lang ist es die größte Staatsbaustelle in Bayern; bis zu 20 000 Mann sind damit beschäftigt die Kavaliere, Kasernen, Kasematten zu erstellen, die Schanzarbeiten auszuführen. Auch in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts werden die Festungswerke ergänzt; immer neue Vorwerke und Forts ummanteln die Stadt: dann ist Ingolstadt von einem phänomenalen Gürtel (von marathonischem Umgriff: 42 km) von kolossalen Außenforts umgeben. An dieser fast ausschließlich militärisch geprägten Stadt gehen die industriellen Gründerjahre weitgehend vorbei. Das liberale bürgerliche Unternehmertum kann sich mit einer Stadt, in der der Festungsgouverneur mehr zu sagen hat als der Bürgermeister, nicht anfreunden. So sind die ersten »Industriebetriebe« Ingolstadts auch Geschütz- und Kanonenfabriken.

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Abb. 1: Blick über Ingolstadt mit Neuem Schloss, Altem Rathaus, Moritzkirche und »Pfeifturm«.

Im Ersten Weltkrieg ist Ingolstadt zunächst Rüstungsfabrikant, doch auch, mit seinen riesigen, weitab der Front liegenden Militärbauten ein großes Kriegsgefangenenlager – und das wichtigste Offiziersgefangenenlager im Deutschen Reich. Der Versailler Friedensvertrag, der die Zahl der Soldaten beschränkt und Rüstungsbetriebe unter Kontrolle stellt, muss eine traditionelle Militärstadt wie Ingolstadt ins Mark treffen. Die Zeit der Weimarer Republik gestaltet sich eher trist. Marieluise Fleißer aus Ingolstadt wird allerdings zu einem Begriff für das Theaterleben der Weimarer Zeit.

Der Wiederbeginn nach dem Zweiten Weltkrieg ist mühselig, aber vielversprechend: Ingolstadt wird in den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts zum Motor der bayerischen Industrie, zum süddeutschen Raffineriezentrum und nimmt damit wieder eine Sonderrolle für Bayern ein (im Wandel vom vorwiegend agrarisch geprägten zum modernen Industriestaat). Wichtig für die Stadt ist aber auch, dass sie 1989 mit der Einrichtung der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Kath. Universität Eichstätt und 1994 mit der Errichtung der Fachhochschule wieder an ihre Tradition als Universitätsstandort anknüpft.

Seit 2003 bezeichneten überregionale Zeitungen Ingolstadt als »Boom-Town«. Im Prognos-Zukunftatlas 2010 rangierte Ingolstadt unter allen bundesdeutschen Städten und Kreisen auf Platz 8 und damit unter denjenigen mit »Top-Zukunftschancen« und im Wirtschaftsranking von Focus-Money auf Platz 4. Ingolstadt ist 2011 bundesweit die Großstadt mit der geringsten Arbeitslosenquote und unter den großen bayerischen Städten auch die mit der geringsten Prokopf-Verschuldung. Sicher: In historischer Perspektive sind solche Momentaufnahmen nur von geringer Aussagekraft. Sie zeigen aber Tendenzen auf. Sie sind Belege für die Vitalität einer Stadt – in ihrer jahrhundertelangen Geschichte hat die Stadt Ingolstadt Rückschläge hinnehmen müssen und können. Ihre Beschreibung ist eine spannende Lektüre: Ingolstadt hat einen unverwechselbaren Daumenabdruck hinterlassen, der auch zeigt, dass die Stadt sich für die Herausforderungen der nächsten Jahrhunderte gerüstet fühlen darf.

Von frühen Fürsten, Kelten, Römern und Germanen [*]

Die Zeit der Jäger und Sammler hat im Raum Ingolstadt, besonders in den Tälern der Altmühlalb mit ihren Höhlen und im südlich anschließenden Ingolstädter Becken zahlreiche Funde hinterlassen. Besonders bekannt sind die Ausgrabungen in den Höhlen bei Mauern und im Hohlen Stein bei Schambach, die bedeutende Aufschlüsse über die Altsteinzeit lieferten. Die größte Freilandstation dieses Zeitalters in Bayern wurde in den 1960er-Jahren am Speckberg bei Nassenfels im Schuttertal ausgegraben. Die ältesten Steingeräte sollen aus der Zeit des Homo erectus vor ca. 500 000 Jahren stammen. Sie wurden bei Attenfeld nahe Neuburg entdeckt und wären landesweit die frühesten Zeugnisse für die Anwesenheit des Menschen. Die ältesten Funde vom Ingolstädter Stadtgebiet sind mehrere Faustkeile von Irgertsheim aus der Zeit des Homo steinheimensis. Für das Mesolithikum verdichtet sich die Verteilung der Fundplätze, wobei das Donaumoos seit langer Zeit und das Tertiäre Hügelland erst in den letzten Jahren als Lebensraum des Menschen bekannt geworden sind.

Handel in der Steinzeit

Der Lage an der Donau ist es zu verdanken, dass der Raum Ingolstadt bereits Mitte des 6. Jahrtausends v. Chr. von den umwälzenden Neuerungen erfasst wurde, die, aus Südosteuropa kommend, zu Recht als die »Neolithische Revolution« bezeichnet werden. Die Ausbreitung der neuen, bäuerlichen Lebensweise in festen Siedlungen mit Ackerbau und Tierhaltung in ganz Mitteleuropa nahm auch von hier aus ihren Ausgang. Denn die Fruchtbarkeit der Böden und der Wasserreichtum des Albvorlandes bis zur Donau boten ideale Voraussetzungen. Bald kam es hier zu einer flächendeckenden Aufsiedlung, während das alte Südufer der Donau um die heutigen Ortschaften Weichering, Zuchering oder Manching noch für lange Zeit landwirtschaftlich ungenutzt blieb.

Die reichen Vorkommen des als »Stahl der Steinzeit« bekannten Feuersteins (Silex) führten zusammen mit der verkehrsgünstigen Lage des Raumes Ingolstadt schon früh zu einem wirtschaftlichen und wohl auch kulturellen Austausch mit weiter entfernten Siedlungsgebieten. Eine bekannte Fundstelle der beginnenden Jungsteinzeit liegt beim Gradhof nahe Kösching. Mit Gräben umfriedete Kult-, Versammlungs- oder Handelsplätze des Mittelneolithikums konnten bei Buxheim, Eitensheim, Bergheim und Oberstimm erforscht werden. Ganz am Ende dieser Epoche stehen die reich ausgestatteten Gräber von Großmehring, unter deren Beigaben das goldene Haubenband einer hochgestellten Dame besondere Beachtung verdient.

 

HINTERGRUND

 

Das Ingolstädter Bernstein-Collier

Das Gelände der AUDI AG war in den letzten Jahren ein Schwerpunkt der archäologischen Forschungen um Ingolstadt. Beispielhaft seien nur eine mächtige Befestigung der ausgehenden Jungsteinzeit mit doppeltem Graben und mehrere Deponierungen von Wertgegenständen der frühen und mittleren Bronzezeit genannt. Ob diese Gegenstände als Opferung, Totenausstattung oder aus einem anderen Grund niedergelegt wurden, bleibt unklar. Sie belegen jedoch besonders eindrucksvoll die weit gespannten Beziehungen des Raumes Ingolstadt im 2. Jahrtausend v. Chr. nach Ungarn, in den Alpenraum, nach Mitteldeutschland und bis in den Ostseeraum, wie das berühmte Ingolstädter Bernstein-Collier, der wohl prächtigste Bernsteinschmuck seiner Zeit in Europa, zeigt.

 

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Abb. 2: Fast 3000 Bernsteinperlen bilden das prächtige Ingolstädter Collier, das im 2. Jahrtausend v. Chr. in einem Tongefäß am Ufer des Augraben, einem Bach nördlich von Ingolstadt, in den Boden versenkt wurde. – Stadtmuseum Ingolstadt.

Siedlungen in der Bronzezeit

In der Bronzezeit ist der Raum Ingolstadt bis auf die Donauauen und das Donaumoos komplett aufgesiedelt. Erstmals lassen sich Menschen im Gebiet der späteren Ingolstädter Altstadt nieder, wie drei Gräber im Alten Schloss belegen. Im Süden des Stadtgebiets entsteht im 13. Jahrhundert v. Chr. bei Zuchering einer der ausgedehntesten Friedhöfe seiner Zeit zwischen Ostfrankreich und Böhmen. Die Menschen, die hier etwa vier Jahrhunderte lang bestattet wurden, gehörten zum Teil der damaligen Oberschicht an, wie zahlreiche Waffen, Pferdezaumzeug und Teile aufwändig konstruierter Zeremonialwagen zeigen. Ihre Grabausstattungen nehmen viele Elemente der späteren keltischen Prunkgräber vorweg, von denen das des Keltenfürsten von Hochdorf wohl das berühmteste ist. Eine direkte Brücke zur Eisenzeit schlägt der ausgedehnte Bestattungsplatz von Mailing-Schindergrubäcker, der einen wichtigen Beleg für die bronzezeitlichen Wurzeln der keltischen Welt darstellt.

Das keltische Oppidum Manching

Aus der frühen Eisenzeit sind beeindruckende Grabhügelfelder im Gerolfinger Eichenwald und im Köschinger Forst erhalten geblieben. Drei grabenumwehrte Herrenhöfe konnten in den letzten Jahren nördlich von Etting und auf dem Gelände der AUDI AG untersucht werden. Die reichen Eisenvorkommen auf der Fränkischen Alb und in den Moosen der Donauniederung werden nun zu einem neuen Standortvorteil. Ihn nutzt neben der verkehrsgünstigen Lage seit dem 4. Jahrhundert v. Chr. eine Siedlung an der Mündung der Paar in die Donau, aus der sich schnell ein Zentralort für eine ganze Region entwickelte: das Oppidum beim heutigen Manching. Die Großsiedlung mit einer städtisch zu nennenden Grundstruktur bewohnten Angehörige der Aristokratie, Bauern, Händler, Krieger und spezialisierte Handwerker. Sie beherbergte wichtige Kultbauten und Münzprägestätten. Als Produktions- und Verteilungszentrum beherrschte sie den Handel mit dem Westen und Süden und hatte engste Beziehungen in den ostkeltischen Raum. Ende des 2. Jahrhunderts wurde sie von einer mehr als sieben Kilometer langen Stadtmauer umgeben, deren Ruine heute eines der größten prähistorischen Denkmäler nördlich der Alpen ist.

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Abb. 3: Ein Fund aus karolingischer Zeit: eine Gemme, die wohl den Umhang eines karolingischen Adeligen zierte.

Römische Lager und Villen

Als die Römer nach dem Alpenfeldzug 15 v. Chr. den Donauraum um Ingolstadt besetzten, war das Oppidum von Manching längst verlassen. In mehreren Schritten sicherten sie das Voralpenland bis zur Donau, was sich durch die zahlreichen, großflächigen Ausgrabungen um Ingolstadt gut nachvollziehen lässt. Schließlich errichteten sie in den 40er Jahren des ersten Jahrhunderts n. Chr. ein großes Truppenlager beim heutigen Oberstimm. Nach der Vorverlegung der befestigten Reichsgrenze auf die Fränkische Alb spielte das Lager eine besondere Rolle für die Versorgung des römischen Heeres, was auch der sensationelle Fund zweier gut erhaltener Ruderschiffe für den Personaltransport zeigt. Den Grenzschutz hatte das nördlich der Donau gelegene Lager bei Kösching übernommen, das als mutmaßlich früheste rätische Kastellgründung nördlich der Donau eine herausragende Rolle am heutigen Weltkulturerbe Limes spielt. Kösching kontrollierte auch die wichtigste, sehr gut ausgebaute Straßenverbindung zwischen der Provinzhauptstadt Augsburg, dem regionalen Verwaltungsmittelpunkt Nassenfels und dem Legionslager Regensburg. An ihr liegen auch die Ruinen der großen »Mittelpunktsvilla« bei Etting, die zu einem großen Teil in den letzten Jahren archäologisch erforscht wurde. Ihre beachtlichen Ausmaße deuten auf eine besondere wirtschaftliche Bedeutung des Landgutes für die Region hin. Der Fund eines sehr gut erhaltenen Mühlengerinnes ist ein äußerst seltenes Zeugnis der Technikgeschichte.

Germanen und bajuwarische Stammeswerdung

Nach der Mitte des 3. Jahrhunderts n. Chr. mussten die Römer das Land nördlich der Donau räumen. Spuren der nachrückenden Germanen sind sehr spärlich, weshalb der Fund dreier Gräber aus der Zeit bald nach dem Limesfall bei Etting bemerkenswert ist. Einige Generationen jünger ist der sensationelle Fund eines adeligen Germanenkriegers, der bei Kemathen im Altmühltal ausgegraben wurde und in die früheste Zeit der bajuwarischen Stammeswerdung gehört.

Im 7. Jahrhundert n. Chr. ist der Raum Ingolstadt wieder vollständig aufgesiedelt. Von seiner herrschaftlichen Durchdringung legen zahlreiche so genannte »Adelsgrablegen«, wie der Löwenbuckel bei Gerolfing oder ein kleines Gräberfeld bei Etting, Zeugnis ab. In diesem Umfeld entsteht spätestens um 800 das Königsgut Ingolstadt, das erst im Jahr 2003 einen ersten konkreten archäologischen Beleg in der Ingolstädter Altstadt lieferte: eine qualitätvolle, ehemals vergoldete Kreuzfibel fränkischer Provenienz. Auch die nachfolgenden Jahrhunderte haben in der Altstadt kaum Fundgut hinterlassen, während bei Zuchering und um Köschings Siedlungen teilweise beachtliche Fundmengen ans Tageslicht kamen. Erst mit der Stadtwerdung im 13. Jahrhundert setzt eine reiche archäologische Überlieferung in der Altstadt ein, die die Geschichte der Residenz-, Universitäts- und Festungsstadt Ingolstadt um wichtige Aspekte bereichert.

Karolingischer Donaustützpunkt

Wie in der Römerzeit blieb der Donauraum um Ingolstadt auch während des Mittelalters »Grenzland«. Und Gegenden, die an Nahtstellen zwischen Einfluss- und Herrschaftsbereichen liegen, gilt immer besondere Aufmerksamkeit. Ingolstadts »Randlage« in Altbayern sichert ihm daher eine besondere Rolle in der Landesgeschichte. Die Trennlinien die den Ingolstädter Raum durchzogen, stimmten dabei nicht immer mit der naturräumlichen Gliederung überein. Die ältesten bekannten mittelalterlichen »Grenzen« sind die der Bistümer Eichstätt, Augsburg und Regensburg (die bis heute im Raum Ingolstadt bestehen). Im 8. und 9. Jahrhundert trafen hier fränkischer und bajuwarischer Einflussbereich aufeinander. Als 1392 Bayern geteilt wurde, fiel der westliche Teil der Region (mit Ingolstadt, Neuburg, Schrobenhausen) Bayern-Ingolstadt zu, der östliche Teil (mit Vohburg, Pfaffenhofen) ging an Bayern-München. Trotzdem blieben die Gebiete eng verflochten.

Von Fernwegen und einem Knotenpunkt

Ein wesentlicher Grund für die Bedeutung der Region (und damit ein Motiv für die Mächtigen, sich hier Einfluss zu sichern) waren die Fernverkehrswege, die sich im Zentrum Ingolstadt trafen. In Ost-West-Richtung verliefen die Routen auf und neben der Donau. Sie wurden ab dem Spätmittelalter von den Wittelsbachern mit erheblichem Aufwand ausgebaut. In Nord-Süd-Richtung stellte der aufgefächerte Fluss schon im frühen und hohen Mittelalter kein unüberwindliches Hindernis mehr dar. Neben den schon in römischer Zeit benutzten Flussüberquerungen bei Feldkirchen und Neuburg sind eine Reihe von Fähren und Brücken bei Gerolfing, (Groß-)Mehring, Menning, Vohburg und Pförring bekannt, wo schon 787 ein fränkisches Heer Karls des Großen auf dem Weg nach Regensburg Station gemacht haben soll.

 

HINTERGRUND

 

Die Nibelungen bei Mehring

Diese Brückenfunktion hat sich auch in Sagen niedergeschlagen, die mit dem Nibelungenlied verwoben sind: Nachdem Hagen von Tronje Siegfried erschlagen hatte, nahm Krimhild die Werbung des Hunnenkönigs Etzel an, um mit seiner Hilfe Rache zu üben. Ihre Brüder Giselher und Gernot begleiteten sie mit stattlichem Gefolge bis an die Donau. Bei Pförring (Vergen) verabschiedeten sie die Schwester und kehrten nach Worms zurück, während Krimhild ins Hunnenland weiterzog. Jahre später ließ sie ihre Landsleute einladen. Die Burgunder zogen vom Rhein an die Donau: »unz an die Tuonowe ze Vergen si do riten …« Kein Fährmann war zu sehen. Hagen ging auf die Suche. Bei Großmehring soll er den widerspenstigen »Fergen« erschlagen haben, der sich geweigert hatte, die Burgunder über die Hochwasser führende Donau zu setzen. Hagen erledigte das selbst und brachte das 10 000 Mann starke Heer ans jenseitige Ufer. »Da ze Moeringen sie waren überkomen …«. Wie alles endete, ist bekannt.

 

An diesem Knotenpunkt überregional bedeutender Fernachsen entwickelte sich früh eine fränkisch-deutsche Königslandschaft mit zentralen Stützpunkten. Herzogs- und Königsbesitz ist in Ingolstadt, Neuburg oder Münchsmünster belegt. Im Ingolstädter Becken lässt sich spätestens seit dem 5./6. Jahrhundert eine der größten zusammenhängenden Siedlungskammern des bayerischen Stammesherzogtums nachweisen. In den Bestattungsplätzen der Merowingerzeit beiderseits der Donau (Gerolfing, Etting, Kösching, Großmehring) weisen Funde auf gesellschaftlich herausgehobene Persönlichkeiten hin.

Der Name Ingolstadt bedeutet ursprünglich wohl nichts anderes als »Stätte des Ingold«. Dass er etwas mit einer »Goldstadt« Aureatum (spätes Mittelalter), Chrysopolis oder Auripolis (Humanismus) zu tun gehabt hätte, gehört ins Reich der Phantasie. Auch mit »Stadt« (im Rechtssinn) hat der Begriff nichts zu tun.

Eine wichtige Rolle dürfte (wie schon in der La-Tène-Zeit) die Eisenverhüttung im Donauraum gespielt haben. Die reichen Erzvorkommen auf der Fränkischen Alb und in den südlichen Donaumooren wurden in der Merowingerzeit genauso wie bereits in der Spätantike genutzt: Vom Raum Neuburg bis hinunter nach Kelheim bestand am südlichen Uferstreifen eine umfangreiche »Eisenindustrie«.

Erste urkundliche Erwähnung durch Karl den Großen (806)

villa Ingoldestat