Inhaltsverzeichnis

 

Zum Buch

 

 

In dieser Biografie geht es um mehr als das kurze, nur 16-jährige Leben Corradinos, des „letzten Staufers“, das 1252 auf Burg Wolfstein bei Landshut begann und 1268 in Neapel unter dem Henkersschwert endete. Es geht um die Machtspiele jener Zeit, die rund um den Königssohn, den Enkel Kaiser Friedrichs II., deutlich werden und eng verwoben sind mit dem Vormund des kleinen Königs, dem bayerischen Herzog Ludwig II. dem Strengen. Es geht um das Ende der Idee vom hochmittelalterlichen Universalreich und um die ersten Anfänge moderner Nationalstaaten. Und es geht um ein tragisches, symbolhaft wirkendes Fürstenschicksal, das viele Jahrhunderte in höchst unterschiedlicher Weise bewegt hat – bis in unsere Gegenwart.

 

 

 

Zum Autor

 

 

Gerald Huber M. A., geb. 1962, studierte Geschichte und Germanistik in Regensburg und München. Der Rundfunkjournalist (BR) ist Autor zahlreicher Sendungen und Publikationen zu kulturellen und historischen Themen.

 

 

Biografien machen Vergangenheit lebendig: Keine andere literarische Gattung verbindet so anschaulich den Menschen mit seiner Zeit, das Besondere mit dem Allgemeinen, das Bedingte mit dem Bedingenden. So ist Lesen Lernen und Vergnügen zugleich.

 

Dafür sind gut 100 Seiten genug – also ein Wochenende, eine längere Bahnfahrt, zwei Nachmittage im Café. Wobei klein nicht leichtgewichtig heißt: Die Autoren sind Fachleute, die wissenschaftlich Fundiertes auch für den verständlich machen, der zwar allgemein interessiert, aber nicht speziell vorgebildet ist.

 

Bayern ist von nahezu einzigartiger Vielfalt: Seinen großen Geschichtslandschaften Altbayern, Franken und Schwaben eignen unverwechselbares Profil und historische Tiefenschärfe. Sie prägten ihre Menschen – und wurden geprägt durch die Männer und Frauen, um die es hier geht: Herrscher und Gelehrte, Politiker und Künstler, Geistliche und Unternehmer – und andere mehr.

 

Das wollen die KLEINEN BAYERISCHEN BIOGRAFIEN: Bekannte Personen neu beleuchten, die unbekannten (wieder) entdecken – und alle zur Diskussion um eine zeitgemäße regionale Identität im Jahrhundert fortschreitender Globalisierung stellen. Eine Aufgabe mit Zukunft.

 

 

DR. THOMAS GÖTZ, Herausgeber der Buchreihe, geboren 1965, lehrt Neuere und Neueste Geschichte an der Universität Regensburg. Veröffentlichungen zu Stadt und Bürgertum in der Neuzeit.

 

GERALD HUBER

 

 

 

Konradin, der letzte Staufer

 

 

Spiele der Macht

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Verlag Friedrich Pustet
Regensburg

 

Impressum

 

 

 

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

 

 

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Angaben sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

 

 

eISBN 978-3-7917-6127-5 (epub)

© 2018 by Verlag Friedrich Pustet, Regensburg

Einbandgestaltung: Martin Veicht, Regensburg

eBook-Produktion: Friedrich Pustet, Regensburg

 

 

Diese Publikation ist auch als Printprodukt erhältlich:

ISBN 978-3-7917-2842-1

 

 

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Informationen und Bestellungen unter verlag@pustet.de

1   Vorwort: Konradin lebt

Konradin, der letzte Staufer. Das ist nicht nur ein Name. Es ist ein Begriff, noch heute, obwohl sein Ruhm, seine Bekanntheit in keinem Verhältnis mehr stehen zu dem Klang, den er vor allem im 19. Jahrhundert und in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts gehabt hat. Ungezählt sind die Werke der Maler und Bildhauer, der Dichter und Geschichtenerzähler, aber auch der ernsthaften Historiker, die sich, wenn auch zum Teil mit sehr bedenklicher Tendenz, dieses Themas, dieses deutschen Mythos angenommen haben. Darin floss vieles zusammen und wurde mit neuer Bedeutung aufgeladen: Größe, Glanz, Erhabenheit und tragischer Fall des mittelalterlichen Reiches genauso wie die berühmt-berüchtigte Erbfeindschaft mit Frankreich oder die antipäpstliche Haltung und die wilden Großmachtphantasien samt Führerverklärung des zweiten, des preußischen Kaiserreiches, ebenso wie des sogenannten Dritten Reiches.

Eine im 21. Jahrhundert erscheinende Biografie Konradins darf sich deshalb nicht ausschließlich mit der Beschreibung eines nur 16 Jahre währenden Fürstenlebens zwischen 1252 und 1268 aufhalten. Sie muss mehr erzählen. Eben weil dieses Leben, obwohl es vor einem Dreivierteljahrtausend ein physisches Ende gefunden hat, bis heute mehr bedeutet; weil Leben und Sterben Konradins von nachfolgenden Generationen auf ungewöhnliche Weise mit Bedeutung aufgeladen wurden.

Nicht zuletzt auch, weil das Erbe der Staufer fortlebt. Ganz besonders eng ist die Geschichte Konradins mit der Bayerns verwoben. Der letzte Staufererbe kam 1252 in Burg Wolfstein bei Landshut als Sohn einer wittelsbachischen Herzogstochter zur Welt. Er wuchs auf im wittelsbachischen Familienverbund, sein persönlicher und politischer Werdegang ist aufs engste verknüpft mit dem seines wichtigsten Vormunds, des Bayernherzogs Ludwig II. Diesem wiederum fielen schließlich aus Konradins Erbschaft bedeutende Ländereien und Herrschaften am Lechrain und in der Oberpfalz zu: für das Herzogtum Bayern, das sich im 13. Jahrhundert auf den Weg machte, eines der bedeutendsten Territorien des Reiches zu werden, ein bedeutender Zuwachs, der heute zum »Altbestand« des Landes zählt.

Es gibt zahlreiche große und kleine, ältere und neuere Biografien Konradins. Abgesehen von Karl Hampes großer, 1894 erschienener Biografie, die bis heute als das fundierteste Werk zu diesem Thema gilt, fokussieren sich die allermeisten Werke auf den zunächst triumphalen Italienzug des 16-Jährigen und sein tragisches Ende, das zugleich das Ende seiner Dynastie bedeutete. Nur wenige beschreiben sein Heranwachsen ausführlicher. Gerade aber wenn man das politische Kräftespiel betrachtet, das den Stauferspross seit seiner Geburt umgab, entsteht ein buntes Bild der Chancen und verpassten Möglichkeiten jener Zeit, die mit der zeitgenössischen Allegorie des sich immerfort drehenden Rads der Fortuna so treffend beschrieben ist. Es war eine Zeit, in der viele alte Geschlechter zugrundegingen, die Staufer gehörten nur zu den prominentesten unter ihnen. Andere brachte das Glücksrad nach oben: In Deutschland waren es die Habsburger, die Hohenzollern oder auch die Wittelsbacher, die danach für viele Jahrhunderte Politik und Leben der Menschen prägten.

2   Marksteine der Stauferherrschaft

Die frühesten Anfänge der Staufer verlieren sich im 10. Jahrhundert. Im 11. Jahrhundert gelingt Angehörigen dieses Uradelsgeschlechts der Aufstieg zu Pfalzgrafen, wenig später auch zu Herzögen von Schwaben. Noch als Graf hatte der erste Herzog, Friedrich I., auf dem Hohenstaufen, einem markanten Zeugenberg bei Göppingen, die neue Stammburg errichtet, die der Familie erst in nachmittelalterlichen Zeiten den Namen geben sollte. So, schrieb Martin Crusius, ein Historiker des 16. Jahrhunderts, wurde der Grund zu den Schwäbischen Kaysern gelegt, welche aus dem Schloß Hohenstauffen oder der Stadt Waiblingen abkamen und das Kaysertum auch bey 120 Jahren rühmlichst verwalteten. Die heute sogenannten Staufer nannten sich selbst meistens von Schwaben, von außen, namentlich in Italien, wurden sie als Waiblinger (= Ghibellini) bezeichnet.

Konrad III.

Aufgrund ihrer Verwandtschaft mit dem salischen Königshaus erhoben die staufischen Aufsteiger bereits nach dem Tod Kaiser Heinrichs V. im Jahr 1125 Anspruch auf die deutsche Königswürde, mussten sich aber zunächst dem Sachsen Lothar von Supplinburg geschlagen geben. Als dieser zwölf Jahre später starb, bestieg mit Konrad III. erstmals ein Staufer den römisch-deutschen Königsthron. Er setzte sich dabei gegen den Welfen Heinrich den Stolzen von Bayern durch, der von seinem Schwiegervater Lothar noch zu Lebzeiten als Nachfolger designiert worden war. Doch dem Welfen machten die mächtig und selbstbewusst gewordenen Reichsfürsten einen Strich durch die Rechnung: Ein Kaiser mit zu starker Hausmacht hätte ihre Selbständigkeit möglicherweise zurückgestutzt. Sie wählten lieber den schwachbegüterten Staufer Konrad. Der nutzte kurz nach der Königswahl seine neugewonnene Macht skrupellos aus, nahm dem mächtigen Widersacher auch noch das Herzogtum Bayern ab und ächtete ihn. So entstand der berühmt-berüchtigte staufisch-welfische Gegensatz, der die kommenden eineinhalb Jahrhunderte politisch prägen sollte.

 

Die Welfen

Die Welfen gelten heute als das älteste Fürstenhaus in Europa. Die Familie stammte ursprünglich aus Oberschwaben und war zunächst eng mit den Karolingern versippt. Das ältere Haus starb 1030 im Mannesstamm aus. Der welfische Hausbesitz in Schwaben und dem Westen Bayerns vererbte sich über Kunigunde, die mit dem Lombarden Alberto Azzo, dem Gründer des Hauses d’Este, verheiratet war, an Welf IV. Dieser wurde 1070 Herzog von Bayern und Stammvater des bis heute existierenden Hauses. Bis 1180 stellten die Welfen die Herzöge von Bayern. Heinrich der Stolze, Welfs Enkel und Schwiegersohn des Sachsenkaisers Lothar von Supplinburg, brachte nach dessen Tod auch noch das Herzogtum Sachsen an sich und wurde überdies Markgraf von Tuscien (Toskana). Die Welfen waren damit die unbestritten mächtigste Adelsfamilie des Reiches, und Heinrich der Stolze griff überdies nach der Kaiserwürde. In der Auseinandersetzung mit den Stauferkaisern zogen die Welfen schließlich den Kürzeren. Sie mussten sich auf ihre sächsischen Besitzungen in Norddeutschland beschränken, aus denen die welfischen Herzöge von Braunschweig und Lüneburg, respektive die Kurfürsten und späteren Könige von Hannover sowie das gleichnamige englische Königshaus hervorgingen.

 

 

Friedrich I. Barbarossa

Konrads Erbe Friedrich I. mit dem Beinamen Barbarossa ging als einer der bedeutendsten Kaiser des Mittelalters in die Geschichte ein. Er mehrte nicht nur den Besitz des staufischen Hauses in Schwaben, sondern versuchte auch, die alte Kaisermacht in Italien wiederherzustellen. Doch er geriet in die Mühlen der Konflikte, die die italienischen Städte untereinander hatten. Auch die römischen Bürger wollten die Papstherrschaft abstreifen. Sie hatten den altrömischen Senat erneuert und boten Friedrich die Kaiserkrone aus den Händen des römischen Volkes an. Den Bruch mit der von Karl dem Großen begründeten Tradition, dass der Papst den Kaiser krönt, lehnte Friedrich aber ab.

Barbarossa wurde vom Papst gekrönt, gleich darauf aber kam es zu Unruhen mit den Römern. Er musste 1155 den Italienzug abbrechen, den er ein Jahr zuvor begonnen hatte. Das wiederum brachte ihn mit dem Papst in Konflikt, der sich vom Kaiser im Stich gelassen fühlte. Der Misserfolg ermunterte schließlich auch die oberitalienischen Städte, an ihrer Spitze Mailand, vom Kaiser abzufallen. Friedrich gelang es zwar 1162, Mailand zu unterwerfen, 1176 aber besiegte der sogenannte Lombardenbund, ein Bund der Städte in der Lombardei, den Kaiser. Danach gehörten die oberitalienischen Städte nur noch nominell zum Reich, zu dem sie immer mehr in Konkurrenz traten.

Innenpolitisch setzte Barbarossa auf Ausgleich mit den Welfen, der 1156 in der Restitution des bayerischen Herzogtums an Heinrich den Löwen kulminierte. Allerdings bekam der Welfe nur das bayerische Kerngebiet. Für den bisherigen babenbergischen Bayernherzog wurde die bayerische Ostmark, Österreich, abgetrennt und zu einem eigenen Herzogtum erhoben.

Lange Zeit kooperierten der Staufer und der mächtige Welfe so erfolgreich, dass den anderen Großen des Reiches die Machtfülle Heinrichs des Löwen bald ein Dorn im Auge war. Sie betrieben schließlich den erneuten Bruch zwischen Staufern und Welfen, der 1180 erfolgte: Barbarossa entzog Heinrich seine sämtlichen Reichslehen, darunter auch Bayern, das er seinem treuen Gefolgsmann, dem bisherigen bayerischen Pfalzgrafen Otto von Wittelsbach, übergab. Bei dieser Gelegenheit wurde von Bayern auch noch die steirische Mark abgetrennt und zum selbständigen Herzogtum Steiermark erhoben. Obwohl sie damit quasi nur noch einen kläglichen Rest des alten bayerischen Stammesherzogtums übernahmen, entwickelten die Wittelsbacher in den nächsten Jahrzehnten eine glückliche Hand bei der Festigung und beim Ausbau ihrer Herrschaft. Heinrich der Löwe aber musste ins Exil, an den Hof seines englischen Schwiegervaters Heinrich II. Plantagenet.

Friedrich baute nun ungehemmt an seinem Königsstaat weiter, zu dem er sein schwäbisch-staufisches Hausgut, zusammen mit zahlreichen Erwerbungen im Elsass und in Franken bis hinein ins Egerland, entwickeln wollte.

Seine folgenreichste Aktion im Süden sollte die Hochzeit seines Sohnes Heinrich (VI.) mit der normannischen Erbprinzessin Constanze von Sizilien sein. Zu den schwäbischen Erblanden der Staufer würde also später ein eigenes süditalienisches Königreich kommen. Das normannische Königreich umfasste damals neben der eigentlichen Insel Sizilien den gesamten Süden Italiens in den heutigen Regionen Kalabrien, Basilicata, Kampanien und Apulien. Ideale Voraussetzungen also, um künftig den Kirchenstaat von Norden und Süden aus in die Zange zu nehmen.

 

Die Städte

Das sogenannte Hochmittelalterliche Klimaoptimum, eine klimatische Warmzeit etwa zwischen den Jahren 900 und 1400, ließ im Verbund mit technischen Neuerungen in der Landwirtschaft die Bevölkerung in Europa deutlich anwachsen. In Italien zum Beispiel verdoppelte sie sich zwischen dem 11. Jahrhundert und dem 14. Jahrhundert. Der Bevölkerungsüberschuss siedelte sich in Städten an, die zu dieser Zeit stark anwuchsen und vielfach neugegründet wurden. Das Leben in den Städten und Märkten kommerzialisierte sich in bisher ungeahntem Ausmaß: Es entstanden neue Formen der Geldwirtschaft, des Kredit- und Bankenwesens. Die Bürger, in der Regel Handwerker und vor allem Kaufleute, kamen schnell zu Wohlstand und wurden zum politischen Machtfaktor. Große Städte, zunächst in Italien, dann auch in Deutschland, entwickelten sich zu mehr oder weniger unabhängigen Stadtrepubliken. Das Lehnsrecht verlor an Bedeutung.

Besonders im 12. und im 13. Jahrhundert stieg die Zahl der Stadtgründungen rasant an. Gut ablesbar ist das am Landesausbau der Wittelsbacher, die Kaiser Friedrich 1180 zu Herzögen von Bayern machte: Neben der neuen Hauptstadt in Landshut im Jahr 1204 gründeten sie 1210 Abbach und Cham, 1218 Straubing, 1224 Landau an der Isar, 1228 Erding, 1233 Burghausen, 1241 Vilshofen, 1250 Deggendorf, 1251 Dingolfing; hinzu kamen die damaligen Märkte Regen, Pfarrkirchen, Griesbach, Vilsbiburg, Eggenfelden, Neustadt an der Donau, Mainburg, Zwiesel, Abensberg, Geiselhöring, Rottenburg an der Laaber und Plattling.

 

 

Heinrich VI.

Friedrich Barbarossa ertrank 1190 während des Dritten Kreuzzugs in der Nähe von Seleukia (Silifke) in Ostanatolien im Fluss Saleph. Trotz seines überraschenden Tods ging die Herrschaft zunächst reibungslos auf seinen Sohn und Nachfolger Heinrich VI. über, der 1169 bereits mit drei Jahren zum römischen König erwählt worden war. Schon bald zeigte sich aber, wie schwierig die Machtansprüche im Erbreich Sizilien und im deutschen König- und Kaiserreichreich tatsächlich durchzusetzen waren. Wie alle Könige und Kaiser des Mittelalters regierte Heinrich quasi vom Sattel aus. Hauptstädte als Sitz von Verwaltung und Regierung waren damals noch unüblich. Wer regieren wollte, musste seine Macht persönlich ausüben, musste unmittelbar Präsenz zeigen, überall im Reich. Nur wer persönlich anwesend war, konnte die Kontrolle über die örtlichen Fürsten behalten, konnte Recht sprechen, Streitigkeiten schlichten oder Besitzverhältnisse klären.

Es liegt auf der Hand, dass Heinrich große Schwierigkeiten hatte, sich gegen die normannnische Verwandtschaft seiner Frau durchzusetzen, die ihm Sizilien streitig machte, und gleichzeitig für Ruhe im Reich zu sorgen, wo Heinrich der Löwe und die Anhänger der Welfen nach wie vor Unruhe stifteten. Hier gelang ihm aber um Weihnachten 1192 ein politischer Coup: die Gefangennahme Richard Löwenherz’. Der englische König war auf der Rückreise vom Dritten Kreuzzug in der Adria schiffbrüchig geworden und wollte sich, als Pilger verkleidet, zu Heinrich dem Löwen durchschlagen. Doch Herzog Leopold V. von Österreich bekam bald Wind von den eigenartigen Pilgern mit den höfischen Manieren, ließ den König in der Nähe von Wien festsetzen und verständigte den Kaiser, der den prominenten Gefangenen von Dürnstein in der Wachau auf seine Burg Trifels bringen ließ.

 

Reisekönigtum

Mittelalterliche Fürsten reisten von einer Pfalz (lat. palatium = Palast) zur anderen. Diese Pfalzen lagen meist inmitten einer großen Gutsherrschaft, die geeignet war, den Herrscher samt Familie und Gefolge (lat. comes = Begleiter, Graf) zu unterhalten. War ein Herrscher in einer Pfalz abgestiegen, hielt er Hof (lat. curia = Hof eines Gutshofs) beziehungsweise machte Staat (lat. status = ursprünglich Aufenthalt). Dabei wurden Urkunden ausgegeben (lat. datum = gegeben), anhand derer Daten, in denen Ort und Zeit der Ausstellung vermerkt sind, die Reisestationen in Form eines Itinerars (lat. iter = Weg) in eine chronologische Reihenfolge gebracht werden können. So sieht man, wie groß die Strecken waren, die innerhalb eines Jahres zurückgelegt wurden. Heinrich VI. reiste beispielsweise 1193 zwischen Ende Januar und Mitte Dezember über 4000 km: von Regensburg über Würzburg und Speyer ins Elsass nach Hagenau, Straßburg und wieder Hagenau; danach an den Rhein nach Boppard und über Mosbach zurück nach Würzburg; von dort wieder an den Rhein über Gelnhausen, Koblenz, Worms, Kaiserslautern, erneut Worms und über Haßloch (bei Mannheim) wieder nach Straßburg; danach über Kaiserslautern erneut nach Würzburg und gleich wieder über Sinzig im Ahrtal nach Aachen und Kaiserswerth bei Düsseldorf; von dort schließlich nach Gelnhausen, Frankfurt am Main und wieder Gelnhausen.

 

 

Damit schlug Heinrich mehrere Fliegen mit einer Klappe: Der englische König und – nach dem deutschen König und Kaiser – mächtigste Herrscher Europas war nicht nur der Schwager und damit der politische Rückhalt Heinrichs des Löwen. Er hatte auch gemeinsame Sache gemacht mit Tankred von Sizilien, der sich, unterstützt vom Papst, zum sizilischen König aufgeschwungen hatte und an dem sich Heinrich VI. bisher militärisch die Zähne ausgebissen hatte. Löwenherz musste für seine Freilassung ein Lösegeld in Höhe von 100.000 Silbermark entrichten, samt einem jährlichen Jahreszins von 500 Pfund. Sein durch die Zahlungen ausblutendes Königreich England war künftig ein Lehen des römisch-deutschen Kaisers – kein Rückhalt mehr für Heinrich den Löwen. Im Februar 1194 schloss der Welfe endgültig Frieden mit dem Kaiser.

Zur selben Zeit starb Heinrichs sizilischer Gegenkönig Tankred. Der Kaiser, finanziell durch das englische Lösegeld bestens ausgestattet, konnte sich nun daran machen, auch sein süditalienisches Erbreich in Besitz zu nehmen. Zu Weihnachten 1194 wurde er im Dom zu Palermo zum König von Sizilien gekrönt. Einen Tag später, am 26. Dezember 1194, brachte seine Gemahlin Constanze den einzigen Erben, den späteren Kaiser Friedrich II., zur Welt. Um seine Herrschaft zu festigen, entwickelte Heinrich in der Folge den Plan, das deutsche Wahlkönigreich mit Sizilien zu verbinden und daraus insgesamt ein Erbreich zu machen. Doch es gelang ihm weder die deutschen Fürsten dafür zu gewinnen, noch den Papst, der sich durch die Verbindung zwischen Sizilien und dem Reich eingekreist sah.

Immerhin klappte es, an Weihnachten 1196 die Wahl des zweijährigen Kaisersohns Friedrich zum römischen König durchzusetzen. Im September 1197 starb Kaiser Heinrich VI. mit nur 32 Jahren an der Malaria. Gut ein Jahr später, im November 1198, starb auch Kaiserin Constanze. Kurz vor ihrem Tod hatte sie für ihren Sohn auf das römisch-deutsche Königtum verzichtet und ihn dafür zum König von Sizilien krönen lassen. Im Gegenzug für die Anerkennung erhielt Papst Innozenz III. die Vormundschaft über den mittlerweile knapp vierjährigen Kaisersohn und die Lehenshoheit über Sizilien. Diese Lehenshoheit sollte in Konradins Fall noch eine große Rolle spielen.

Nach Heinrichs Tod brach die staufische Herrschaft in Sizilien und im Rest Italiens vorerst zusammen. Auch im Reich spielte der kleine Kaisersohn und erwählte römische König Friedrich keine Rolle. Es kam zu einer Doppelwahl: Die staufische Fürstenpartei entschied sich für den jüngsten Bruder des verstorbenen Kaisers, Philipp von Schwaben. Die welfischen Parteigänger hoben dagegen ein Vierteljahr später Otto von Braunschweig, den Sohn Heinrichs des Löwen, auf den Thron. Beide kämpften in den folgenden zehn Jahren mit harten Bandagen um die Durchsetzung ihrer Herrschaft. Philipp war zunächst erfolgreicher, obwohl der Welfe Otto zusehends von Papst Innozenz III. unterstützt wurde. Die Ermordung Philipps 1208 durch den Pfalzgrafen Otto von Wittelsbach, einen Vetter des amtierenden bayerischen Herzogs, ließ das Pendel endgültig zugunsten des Welfen ausschlagen: Er wurde 1209 als Otto IV. zum römisch-deutschen Kaiser gekrönt.

 

Guelfen und Ghibellinen

Der Gegensatz zwischen Staufern und Welfen prägte im 12. und 13. Jahrhundert und darüber hinaus das ganze mittelalterliche Europa. Der französische König Philipp II. aus dem Haus der Kapetinger hielt sich in seiner jahrzehntelangen Auseinandersetzung mit dem englischen Königshaus Anjou-Plantagenet, das seinerseits mit den Welfen verschwägert war, an die staufische Seite. Er stärkte Heinrich VI. in der Affäre um Richard Löwenherz den Rücken und beendete später mit seinem Sieg über die Engländer in der Schlacht von Bouvines 1214 den Thronstreit zwischen dem Staufer Friedrich II. und dem Welfen Otto IV.

In Italien, wo vor allem die toskanischen Stadtstaaten seit jeher in die Machtkämpfe zwischen Papsttum und Kaisertum verwickelt waren, nahmen vor allem die Adeligen für die staufische Sache Partei. Sie nannten sich Ghibellini (= Waiblinger = Staufer = Kaiserpartei). Ihre Gegner, die kommerziell außerordentlich erfolgreich gewordenen Stadtbürger, ergriffen die Partei der Guelfi (= Welfen = Papstpartei). Bis heute prägen die während der jahrhundertelangen Auseinandersetzungen entstandenen Stadtburgen mit ihren Geschlechtertürmen das Bild zahlreicher italienischer Städte.

 

 

Friedrich II.