Inhaltsverzeichnis

 

Zum Buch

 

 

Ein Leben wie ein Roman – bewegt, glanzvoll und tragisch zugleich: 1385 heiratet die 15-jährige Wittelsbacherin Elisabeth von Bayern, Tochter Herzog Stephans III. von Bayern-Ingolstadt, den französischen Thronfolger Karl. Aus Elisabeth wird Königin Isabeau de Bavière. Zwölf Kinder entspringen der Ehe, doch das Glück am prachtvollen Hof in Paris währt nur kurz. Karl VI. erkrankt schwer und wird phasenweise regierungsunfähig. Mit Unterstützung ihres Bruders Ludwig des Bärtigen versucht Isabeau sich zu behaupten, doch sie gerät zwischen die Mühlsteine der Politik. Von ihren Feinden diffamiert und politisch kaltgestellt, stirbt die Wittelsbacherin 1435 als Königswitwe in Paris. Ihr Ruf ist durch die politische Propaganda ruiniert.

Das Zerrbild der intriganten, ehebrecherischen und verräterischen Königin, das die Geschichtsschreibung nachhaltig prägte, wird in dieser Biografie kritisch hinterfragt.

 

 

 

Zur Autorin

 

 

Karin Schneider-Ferber, geb. 1965, lebt als freie Autorin in Berlin. Sie schreibt u. a. für die Zeitschrift G/Geschichte; zahlreiche Publikationen zu historischen Themen.

 

 

Biografien machen Vergangenheit lebendig: Keine andere literarische Gattung verbindet so anschaulich den Menschen mit seiner Zeit, das Besondere mit dem Allgemeinen, das Bedingte mit dem Bedingenden. So ist Lesen Lernen und Vergnügen zugleich.

 

Dafür sind gut 100 Seiten genug – also ein Wochenende, eine längere Bahnfahrt, zwei Nachmittage im Café. Wobei klein nicht leichtgewichtig heißt: Die Autoren sind Fachleute, die wissenschaftlich Fundiertes auch für den verständlich machen, der zwar allgemein interessiert, aber nicht speziell vorgebildet ist.

 

Bayern ist von nahezu einzigartiger Vielfalt: Seinen großen Geschichtslandschaften Altbayern, Franken und Schwaben eignen unverwechselbares Profil und historische Tiefenschärfe. Sie prägten ihre Menschen – und wurden geprägt durch die Männer und Frauen, um die es hier geht: Herrscher und Gelehrte, Politiker und Künstler, Geistliche und Unternehmer – und andere mehr.

 

Das wollen die KLEINEN BAYERISCHEN BIOGRAFIEN: Bekannte Personen neu beleuchten, die unbekannten (wieder) entdecken – und alle zur Diskussion um eine zeitgemäße regionale Identität im Jahrhundert fortschreitender Globalisierung stellen. Eine Aufgabe mit Zukunft.

 

 

DR. THOMAS GÖTZ, Herausgeber der Buchreihe, geboren 1965, lehrt Neuere und Neueste Geschichte an der Universität Regensburg. Veröffentlichungen zu Stadt und Bürgertum in der Neuzeit.

KARIN SCHNEIDER-FERBER

 

 

 

Isabeau de Bavière

 

 

Frankreichs Königin aus dem Hause Wittelsbach

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Verlag Friedrich Pustet
Regensburg

 

Impressum

 

 

 

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

 

 

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Angaben sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

 

 

eISBN 978-3-7917-6125-1 (epub)

© 2018 by Verlag Friedrich Pustet, Regensburg

Einbandgestaltung: Martin Veicht, Regensburg

eBook-Produktion: Friedrich Pustet, Regensburg

 

 

Diese Publikation ist auch als Printprodukt erhältlich:

ISBN 978-3-7917-2875-9

 

 

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Informationen und Bestellungen unter verlag@pustet.de

Prolog: Die »schöne Isabeau« – Ein Opfer der öffentlichen Meinung?

Eine schlechte Presse zu haben, war noch zu keinen Zeiten besonders empfehlenswert. Das allzu heftige Brodeln in der Gerüchteküche brachte damals wie heute dichte Schwaden von Unwahrheiten, Halbwissen, Diffamierungen, übler Nachrede hervor, die schwer zu widerlegen waren und deren scharfer Nachgeruch sich lange hielt. Der Umgang mit »Fake News« fiel in Jahrhunderten, in denen die Mehrzahl der Menschen nur sehr begrenzten Zugang zu Informations- und Kommunikationsmitteln besaß, nicht unbedingt leichter als im Zeitalter medialer Dauerpräsenz. Wenige historische Persönlichkeiten litten aber so nachhaltig an einem schlechten Ruf wie die Wittelsbacherin Elisabeth, die mitten in den Wirren des Hundertjährigen Krieges nach Frankreich heiratete und an der Seite ihres Gemahls, Karls VI., den französischen Thron bestieg.

Jung war sie, als sie nach Paris kam, 15 Jahre alt, lebenshungrig und gewissenhaft darauf bedacht, die Rolle, die ihr die höfische Gesellschaft als erster Dame des Königreiches zuwies, auszufüllen. Die plötzliche schwere Erkrankung ihres Gatten riss sie unversehens hinein in das Parteiengezänk eines weitgehend handlungsunfähigen Hofes, dem sie kaum etwas entgegenzusetzen hatte – zu mächtig waren ihre Gegner. Der landfremden, politisch unerfahrenen jungen Frau gegenüber brachen alle Dämme. Was warf man ihr nicht alles vor: Ehebruch mit ihrem Schwager, Vernachlässigung ihrer Kinder und ihres geisteskranken Gemahls, Verschwendungssucht und Vetternwirtschaft, Landesverrat durch Paktieren mit den Engländern, Verleumdung des eigenen Sohnes und Thronfolgers als Bastard – Vorwürfe der übelsten Sorte, die eine »schwarze Legende« begründeten, hinter der ihr wahres Gesicht verschwand.

Am Herd der brodelnden Gerüchteküche stand als Chefkoch der Herzog von Burgund, Johann Ohnefurcht, der sich nach dem Tod seines Vaters Philipp des Kühnen 1404 vom Regentschaftsrat und damit vom Zugang zur Macht ausgeschlossen sah. Der Frontwechsel Elisabeths von der einst engen Partnerschaft der Häuser Wittelsbach und Burgund hin zu einer Allianz mit den Orléans, verkörpert in der Person des galanten, sinnenfrohen Königsbruders Ludwig von Orléans, war der Anlass für den ehrgeizigen Burgunderherzog Johann Ohnefurcht, die allgemeine Stimmung gegen die herrschende Hofclique anzuheizen. Er tat dies mit einer Gründlichkeit, die selbst Aufstand, Revolten und politisch motivierte Morde nicht ausschloss. Das Jahr 1405 wurde zum ganz persönlichen Wendepunkt für die Königin – fortan war die öffentliche Meinung gegen sie eingenommen, und dieser Stimmungsumschwung erwies sich als irreversibel. Selbst ein erneuter Parteiwechsel 1417 zurück zu den Burgundern konnte daran nichts mehr ändern. Ihr Versuch, durch die Verheiratung ihrer Tochter mit dem englischen König einen dynastischen Ausgleich mit England zu erwirken und über ihren Enkel Heinrich VI. eine englisch-französische Doppelmonarchie zu begründen, erntete selbst unter der Partei der Orléanisten heftige Kritik. Die Königin galt als schlechte Mutter, die mit ihren Winkelzügen ihrem eigenen Sohn den Thron vorenthielt.

Dieses Bild von ihr blieb lange bestehen, fand Eingang selbst in französische Schulbücher. Auch wenn sie inzwischen weitestgehend rehabilitiert wurde und längst nicht mehr für alle Übel Frankreichs in dieser anarchischen Zeit verantwortlich gemacht wird – eine positiv besetzte Figur ist sie immer noch nicht geworden, allenfalls eine tragische. Zu den großen Frauen der Weltgeschichte zählt man sie nicht. Dafür reicht ihre (politische) Bilanz nicht aus, obwohl sich ihr Leben, von spektakulären Höhen und Tiefen geprägt, als Exempel für ein krisengeschütteltes Jahrhundert durchaus eignen würde.

Ist Elisabeth von Bayern, die man in Frankreich als Isabeau de Bavière kennt, durch ihre enge Verstrickung in die Politik Frankreichs während des Hundertjährigen Krieges nicht eigentlich als Person der französischen Geschichte anzusprechen? Dürfte sie streng genommen in einer bayerischen Biografien-Reihe gar nicht auftauchen? Die Königin Frankreichs gab darauf selbst eine Antwort: Ihrer bayerischen Heimat blieb sie zeitlebens verbunden. Nicht nur, dass sie die Wittelsbachische Hauspolitik in Italien tatkräftig unterstützte und sich um eine Anerkennung Ruprechts von der Pfalz als römischen König bemühte; in den Zeiten der bittersten Not holte sie ihren Bruder Ludwig den Bärtigen, Herzog des Teilherzogtums Bayern-Ingolstadt, zu sich und übertrug ihm mehr und mehr politische Macht. Zwischen 1407 und 1415 stieg der Bayernherzog zu einer bestimmenden Figur am Hofe auf – reich begütert und vornehm verheiratet in Frankreich. Bayerische Edelleute und Hofdamen fanden ihren Weg mit ihm nach Paris, heirateten wiederum in französische Adelsfamilien ein. Ergebnis der bayerisch-französischen Wechselbeziehung war nicht zuletzt die Abrundung des Ingolstädtischen Herrschaftsbereichs, die Herzog Ludwig mit französischem Geld bewerkstelligte. So wirkte die Herrschaft Elisabeths/Isabeaus auf Bayern immer wieder zurück.

Wie alle Frauen ihres Standes und ihrer Zeit heiratete sie an einen fremden Hof, um »ihr Glück zu machen«, ohne dabei die Interessen ihrer Herkunftsfamilie völlig aus den Augen zu verlieren. Mit dem »Glück« war das allerdings so eine Sache: Unter den vielen Schicksalsschlägen, die sie politisch und privat durchlebte, dürfte ihr individuelles Wohlbefinden stark gelitten haben. Mangels aussagekräftiger Selbstzeugnisse lässt sich darüber jedoch wenig Gesichertes aussagen. Zumindest die ersten Jahre ihrer Ehe nahmen sich sorglos aus. Ihre Anfänge in Paris hätten glänzender kaum ausfallen können. Sie war, nach einem Wort ihres bayerischen Onkels Friedrich, »eine der größten Damen der Welt geworden« – zum Ruhme Frankreichs, aber mehr noch zum Ruhme des Hauses Wittelsbach.

1   Ein märchenhafter Aufstieg: Von Bayern nach Paris

Eine Frau aus gutem Hause: Die Wittelsbacher

Die Chronisten beschreiben Isabeau kurz nach ihrer Ankunft in Frankreich als strahlenden Mittelpunkt der Hofgesellschaft, als charmante, junge Frau von wohlerzogener, ansprechender Jugend, frisch, gutherzig, süß, hübsch gekleidet, gefällig anzusehen, ein kleiner Mund, der wohlgesetzt redet, geschickt im Tanzen und Singen. »Nie sah man von einem zarten Körper solche Macht ausgehen, noch von einem Jugendlichen solche Weisheit wie bei ihr«, wie es der Dichter Othon de Grandson ausdrückte. Auch wenn solche Beschreibungen den zeittypischen Überhöhungen entsprachen, lässt sich aus ihnen ablesen, dass Isabeau die Rolle, die ihr die höfische Gesellschaft als Ehefrau des Königs und erster Dame des Reiches zuwies, in vollem Umfang und zur Befriedigung ihrer Umgebung erfüllte. Als »großmächtige und großgütige Fürstin«, »voll der Ehren und Weisheit«, als die sie die Dichterin Christine de Pisan rühmte, erfüllte sie alle Erwartungen, die man an die »vorbildlichste Dame des Königreiches« stellte. Das war nicht unbedingt selbstverständlich angesichts der Tatsache, dass Isabeau als blutjunges Mädchen von 15 Jahren ohne Französischkenntnisse und weitgehend ohne heimischen Anhang einigermaßen überstürzt nach Frankreich gekommen war.

Als Angehörige des Hauses Wittelsbach gehörte sie zwar einer der angesehensten Familien des Heiligen Römischen Reiches an, die mit Ludwig dem Bayern zwischen 1314 und 1347 und mit Ruprecht von der Pfalz von 1400 bis 1410 eigene Kandidaten auf den römisch-deutschen Königsthron brachten, doch eine Einheirat an den französischen Königshof war dennoch kein »Selbstläufer«. Neben der Wittelsbacherin gab es weitere Bewerberinnen. Zeitgenössische Chronisten berichten, dass Maler im Auftrag des französischen Hofes nicht nur nach Bayern, sondern auch nach Lothringen und Österreich ausschwärmten, um Portraits von Heiratskandidatinnen aufzunehmen. Außerdem waren Bewerberinnen aus Schottland, Kastilien und Lancaster im Gespräch. Dass der französische Hof sehr wählerisch bei der Auswahl der künftigen Königin war, ließ sich auch an dem Verfahren ablesen, gemäß dem die potentielle Braut vor der Eheschließung von älteren Hofdamen auf ihre Gebärfähigkeit hin überprüft wurde – für Herzog Stephan III. von Bayern-Ingolstadt, den Vater Isabeaus, ein einziges Grauen! Er fürchtete die Schande einer Ablehnung. Da er überdies seit dem frühen Tod seiner Frau ein sehr inniges Verhältnis zu seinem jugendlichen Töchterchen pflegte, wollte er sie am liebsten in seiner Nähe verheiratet sehen. Einer ersten Anfrage 1383 erteilte er daher eine Absage.

 

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Abb. 1:
Der Stammsitz der Wittelsbacher befand sich einst in Oberwittelsbach in der Nähe von Aichach. An Stelle der Burg steht heute die Kirche Maria vom Siege.

 

Die Eltern Isabeaus

Aus den Kindertagen Isabeaus ist wenig bekannt. Ihren Vater, Herzog Stephan III., nannte man wegen seiner aufwändigen Hofhaltung »den Kneißel«, was so viel wie »der Prächtige« oder »der Prachtliebende« heißt. Er war der älteste Sohn Herzog Stephans II, genannt »mit der Hafte«.

 

Eine Dynastie mit vielen Zweigen: Die bayerischen Teilherzogtümer

Die über 700 Jahre andauernde Herrschaft der Wittelsbacher über Bayern begann im Jahr 1180, als Kaiser Friedrich Barbarossa seinen treuen Parteigänger Otto I. von Wittelsbach mit dem Herzogtum Bayern belehnte. Geschickte Heiraten, glückliche Erbgänge und treue Kaiserdienste vermehrten den Besitz ein ums andere Mal – im frühen 13. Jahrhundert konnte die Pfalzgrafschaft bei Rhein erheiratet werden. Auf die Dauer gelang es jedoch nicht, den vergrößerten Machtkomplex in einer Hand zu konzentrieren. Immer wieder gab es Streit unter den erbberechtigten Söhnen, die zu Teilungen des Herzogtums führten. 1255 setzten sich die beiden ungleichen Brüder Ludwig II. und Heinrich XIII. über den Wunsch ihres Vaters, Otto II., des Erlauchten, hinweg, das Land gemeinsam zu regieren, und nahmen folgende Aufteilung vor: Der ältere Ludwig erhielt die Pfalz und Oberbayern, Heinrich Niederbayern. Nach dem Erlöschen der niederbayerischen Linie fiel deren Erbteil 1340 wieder dem oberbayerischen Zweig zu. Ludwig der Bayer, seit 1314 König und seit 1328 Kaiser, durfte sich über diese unverhoffte »Wiedervereinigung« freuen – umso mehr, als er doch gerade erst einige Jahre zuvor im Hausvertrag von Pavia (1329) seinen beiden Neffen die Pfalzgrafschaft bei Rhein sowie die Oberpfalz überlassen hatte, was die endgültige Trennung der Pfalz von Bayern und damit die Entstehung einer zweiten wittelsbachischen Hauslinie bedeutete. Bezüglich der Kurwürde, die mit der Pfalz verbunden war, hatte man sich darauf geeinigt, sie abwechselnd auszuüben, was sich auf Dauer jedoch nicht durchhalten ließ. Die Goldene Bulle, die erste »Verfassungsurkunde« des Reiches (1356), die das Verfahren zur Königswahl regelte, sprach der Pfälzer Linie schließlich die Kurwürde zu.

Nur zwei Jahre nach Ludwigs Tod brach das vergrößerte Wittelsbacher-Imperium unter seinen sechs Söhnen aus zwei Ehen unwiderruflich auseinander: 1349 steckten die Erben im Landsberger Vertrag ihre Interessensphären ab. Ludwig V. bekam zusammen mit seinen Stiefbrüdern Ludwig VI. und Otto V. Oberbayern mit Tirol und der Mark Brandenburg zugesprochen, Stephan II. erhielt mit seinen Stiefbrüdern Wilhelm I. und Albrecht I. Niederbayern und die Grafschaften im Norden. Letztere Erbengruppe teilte im Regensburger Vertrag 1353 ihre Gebiete weiter auf: Stephan II. erhielt den südwestlichen Teil Niederbayerns mit Landshut als Residenz, seine beiden Brüder den nordöstlichen Teil mit Straubing als Residenzstadt sowie die Grafschaften im Hennegau und in Holland, wobei sich Albrecht zunächst in Straubing häuslich niederließ, nach der schweren Erkrankung seines Bruders Wilhelm aber dessen nördliche Herrschaften übernahm und dadurch das Herzogtum Niederbayern-Straubing-Holland schuf.

In der nächsten Generation drohten weitere Zersplitterungen. Stephan II., der nach dem Tod seines Neffen, des Sohns Ludwig V., ab 1363 auch wieder Oberbayern regierte, hatte wiederum drei Söhne, die sich nicht sonderlich zugetan waren. Der älteste von ihnen, Isabeaus Vater Stephan III., der Kneißel, regierte nur bis 1392 gemeinsam mit seinen Brüdern, dann waren die Gemeinsamkeiten aufgebraucht und es kam erneut zur Teilung: Stephan III. erhielt Bayern-Ingolstadt, sein Bruder Friedrich Niederbayern-Landshut und der jüngste, Johann II., Bayern-München.

Zu diesem Zeitpunkt lebte Isabeau längst in Paris. Ohne Frage schwächten die Teilungen, die oft mit heftigen Auseinandersetzungen einhergingen, die Bedeutung des Hauses Wittelsbach im Reich. Erst 1505 fanden nach dem Landshuter Erbfolgekrieg die bayerischen Territorien wieder zusammen. Die Einführung des Primogeniturgesetzes unter Herzog Albrecht IV., das allein dem ältesten Sohn die Erbberechtigung zusprach, verhinderte einen neuerlichen Zerfall des Herzogtums.

 

 

Der »Kneißel« regierte bis zur Landesteilung von 1392 das bayerische Herzogtum gemeinsam mit seinen jüngeren Brüdern Friedrich und Johann. Die Quellen beschreiben ihn als einen »fröhlich Mann« mit einer Leidenschaft für Turniere, Mode, schöne Frauen und üppige Feste. Eine vorteilhafte Heirat kam ihm demnach äußerst gelegen, und so nahm er eine der reichsten Frauen Italiens, Thaddäa Visconti, zur Frau. Deren Vater Bernabò Visconti verfügte als Stadtherr von Mailand nicht nur über eine strategisch äußerst günstig gelegene Herrschaft in der Lombardei, an der niemand, der über die Alpen nach Süden zog, vorbeikam, sondern auch über märchenhafte Reichtümer, die es ihm ermöglichten, sieben seiner Töchter je 100.000 Gulden Mitgift zukommen zu lassen. Die Einnahmen aus dem reichen oberitalienischen Handel machten dies möglich.

Thaddäa gebar ihrem lebenslustigen Mann bald nach der Hochzeit einen Sohn, Ludwig den Bärtigen (geb. um 1368), und Anfang des Jahres 1370 eine Tochter, die auf den Namen Elisabeth getauft wurde. Das Mädchen kam vermutlich in München, im heutigen Alten Hof, zur Welt, doch lassen sich sowohl Geburtsjahr als auch Geburtsort nur aus indirekten Angaben erschließen. Als sie 1383 für eine Heirat in Erwägung gezogen wurde, beschrieb sie ihr Onkel Friedrich als »etwa dreizehn bis vierzehn Jahre alt«, eine Angabe, die andere Quellen bestätigen. Für den Geburtsort München spricht die Tatsache, dass sie in ihrem Testament der dortigen Liebfrauenkirche, in der sie vermutlich getauft wurde, einen großen Teil ihrer Hinterlassenschaft zu vermachen gedachte. Aufgewachsen wird sie wohl an wechselnden Residenzen sein – München, Landshut und Ingolstadt kommen dafür in Frage, denn der herzogliche Hof kannte noch keine feste Ortsbindung.

Das Unglück traf die kleine Familie hart, als Thaddäa mit kaum 30 Jahren am 28. September 1381 starb und ihre Kinder im Alter von elf und knapp 13 Jahren zurücklassen musste. Ludwig und Elisabeth bewahrten ihrer geliebten Mutter zeitlebens ein ehrendes Andenken und stifteten im Erwachsenenalter jährliche Seelenmessen für sie. So gedachte man später auch in Paris der verstorbenen bayerischen Herzogin.

 

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Abb. 2:
In der Münchner Herzogsresidenz, dem Alten Hof, kam Isabeau im Jahr 1370 vermutlich zur Welt

 

Die verwaiste Herzogstochter erhielt nichtsdestotrotz eine solide Erziehung. Sie lernte Lesen und Schreiben und beherrschte zumindest so viel Latein, dass sie der Messe folgen, Stundenbücher und Heiligenviten lesen konnte. Sie zeigte Interesse an Literatur und Vogelzucht und liebte Blumen. Mit ihrem älteren Bruder Ludwig verband sie ein enges Band. Die Geschwister standen sich sehr nahe, was nach dem Aufstieg Elisabeths zur französischen Königin Früchte trug: Auf ihren großen Bruder konnte sie sich stets verlassen, und in Zeiten der bittersten Not übertrug sie ihm ohne zu zögern politische Verantwortung.

Elisabeth lebte längst in Paris, als ihr Vater ein zweites Mal heiratete. Der sinnenfreudige Herzog, bereits im 64. Lebensjahr stehend, suchte sich für seinen zweiten Lebensabschnitt eine 40 Jahre jüngere Frau: Elisabeth von Kleve, die aus dem höchst angesehenen reichsgräflichen Fürstenhause Kleve und Mark stammte und trotz ihrer Jugend bereits selbst Witwe war. Die am Niederrhein begüterte Familie verfügte unter anderem über gute verwandtschaftliche Verbindungen auch zum hennegauisch-holländischen Zweig der Wittelsbacher, der die Eheschließung vermutlich vermittelte. Im Januar 1401 hielt das ungleiche Paar im Rahmen der Krönungsfeierlichkeiten Ruprechts von der Pfalz Hochzeit in Köln. Die Ehe blieb kinderlos. Bis zum Tod Stephans III. 1413 stand die junge Herzogsgemahlin getreulich an der Seite ihres Gatten, den sie auf zahlreiche Reisen begleitete.

Das Verhältnis zu ihrem Stiefsohn Ludwig dem Bärtigen erwies sich allerdings als schwierig, denn der Erbe des Hauses Bayern-Ingolstadt fürchtete finanzielle Einbußen, sollte die junge Herzogin tatsächlich die im Ehevertrag vereinbarte Witwenpension von jährlich 6000 Gulden ausbezahlt bekommen. So verweigerte er ihr die Auszahlung der Gelder nach dem Tod des Vaters und nötigte dadurch seine Stiefmutter, Kleidung und Schmuck zu versetzen. Jahrelang zog sich der Familienstreit hin, obwohl Elisabeth selbst König Sigismund um Vermittlung anging. Ludwig übernahm nur widerwillig einen Teil ihrer Schulden und setzte eine Reduzierung ihrer Ansprüche auf ein Drittel durch, die er jedoch ebenfalls nicht beglich. Zuletzt zahlte er ihr 1430 lediglich eine einmalige Abfindung von 12.000 Gulden aus. Gedemütigt lebte die Herzoginwitwe bis zu ihrem Tod nach 1439 in Köln.

Der prachtliebende Stephan hinterließ neben seinen zwei legitimen Kindern aus erster Ehe noch einen unehelichen Sohn, den er aber in weiser Voraussicht noch zu seinen Lebzeiten standesgemäß absicherte: Johann von Moosburg war wie viele illegitime Kinder für eine geistliche Laufbahn vorgesehen. Er studierte 1378 eine Weile in Bologna und erhielt zur Versorgung eine Pfründe als Domprobst von Freising. Seine Wahl zum Bischof von Freising im selben Jahr ließ sich zwar nicht durchsetzen, doch schlug für ihn die Stunde des Erfolgs 1384 nach dem Ableben des Regensburger Bischofs Theoderich von Abensberg. Tatkräftig vom Vater unterstützt, setzte Johann in Rom bei Papst Urban VI. seine Ernennung zum Administrator der Regensburger Kirche durch. Urban war sehr daran gelegen, den Bayernherzog in Zeiten des Großen Abendländischen Schismas auf Seiten der römischen Obödienz zu halten. So stimmte er dem Unternehmen zu. Der vom Regensburger Domkapitel inzwischen gewählte Kandidat musste sich zurückziehen, Johann von Moosburg wurde zum neuen Bischof. Er amtierte 25 Jahre lang bis zu seinem Tod 1409.