Inhaltsverzeichnis

ZUM BUCH

 

Das richtige Wort zur Trauung zu finden, wird schwieriger in Zeiten, in denen Hochzeitsshows und Royal Weddings statt der sonntäglichen Gottesdienstpraxis den Erwartungshorizont für eine Zeremonie prägen. Als liebesaffin, aber glaubensentwöhnt beschreibt der Autor einen Großteil der Paare, die vor den Altar treten. Aber: Je „un-kirchlicher“, desto sensibler sind sie für Wort und Ritus.

Das lässt Predigt und Gebet wieder spannend und anspruchsvoll werden. Deshalb will Stefan Scholz die Lust wecken zum sprachlichen Experiment, Mut machen, Kunst- und Alltagssprache miteinander zu verquicken, und den Anspruch hochhalten, Gottes Liebe nicht als „lieben Gott“ zu verniedlichen.

 

 

ZUM AUTOR

 

Stefan Scholz, Dr. theol., geboren 1964, ist Rektor am Frankfurter Dom und Studienleiter für den Bereich Kunst und Kultur in der Katholischen Akademie des Bistums Limburg.

 

STEFAN SCHOLZ

 

 

Liebes-Wort

 

Gebete, Fürbitten und Ansprachen zur Trauung

 

 

 

 

 

 

 

 

VERLAG FRIEDRICH PUSTET
REGENSBURG

IMPRESSUM

 

 

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

 

eISBN 978-3-7917-6133-6 (epub)
© 2018 by Verlag Friedrich Pustet, Regensburg
Umschlagbild: © Judith Pustet, Regensburg
Layout und Umschlaggestaltung: Martin Veicht, Regensburg
Satz: MedienBüro Monika Fuchs, Hildesheim
eBook-Produktion: Friedrich Pustet, Regensburg

 

Diese Publikationen ist auch als Printprodukt erhältlich:
ISBN 978-3-7917-2951-0

 

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Aus der Not eine Tugend

An der Hand des Vaters vor dem Altar dem Bräutigam übergeben: früher als paternalistisches Auslaufmodell verspottet, heute für Bräute die Regel; Doppelnamen für die künftige Ehefrau kommen aus der Mode, wenige Frauen behalten ihren Geburtsnamen, meist wird der Name des Mannes zum Familiennamen. Traditionelles verliert den Geruch des Frauenfeindlichen, Tradition orientiert, statt zu irritieren. Hochzeitsshows und Royal Weddings prägen den Geschmack; so gut wie nie jedoch verlasse ich als Pfarrer die Hochzeit mit dem Gefühl, zum Statisten in einer Soap Opera degradiert worden zu sein. Im Gegenteil: Je un-katholischer, desto sensibler für Wort und Ritus.

Un-katholisch: der lange Zeitraum intimen Zusammenlebens vor der Ehe, kaum vorhandene sonntägliche Gottesdienstpraxis, liebesaffin, aber glaubensentwöhnt. Un-glaublich, aber wahr: „Sakrament“ – als Begriff völlig fremd; die Idee des Sakramentalen – die Liebe zwischen Mann und Frau vergegenwärtigt die Liebe Christi zu seiner Kirche und durch sie die Liebe Gottes zu allen Menschen – macht hellhörig, als ob sie die zwischenmenschliche Liebe adle.

Zunehmend: Heiraten zwischen einem Getauften und Ungetauften; noch sehr selten: religionsverschiedene Paare in der Kirche; ganz diffus: die Schar der Gäste. Der Schlüssel zu allem, nach wie vor, die Lebensgeschichten der Eheleute, ihre gemeinsame Liebesgeschichte. Inkarnatorische Theologie: Lebensgeschichten als Glaubensgeschichten verstehen und deuten.

Was dieser Band möchte: Lust wecken zum sprachlichen Experiment, Kunstsprache und Umgangssprachliches verquicken, den eigenen Glaubenshorizont durch Spracherweiterung ins Unbekannte dehnen, Gottes Liebe nicht als „lieben Gott“ verniedlichen. Bei fast jeder Hochzeit immer wieder ähnlich: Ein treffendes Wort für die Liebe des Paares schafft wohlige, entspannte Atmosphäre; die Rede auf Gott zu lenken, ist und bleibt oft ein Bruch, sprachlich und inhaltlich.

Religion ist abgefahren, so ausgelaufen, dass es schon wieder avantgardistisch ist, sich als Christ zu outen. Sprache, die salopp daherkommt und im nächsten Halbsatz ernsthaft wird, wird gehört. Nicht von allen, aber von etlichen. Glaube der Predigende nicht, er habe durch gekonnte Sprache die Netze gefüllt und für seinen Gott einen reichen Fang eingefahren. Sprache verpufft, schneller als gedacht. „Schön hat er geredet, aber was er gesagt hat, habe ich vergessen …“ Weg mit dem ökonomischen Denken in der Verkündigung! Wäre dem Predigenden über sein eigenes Wort zu einem fremden Brautpaar ihm sein Gott ein wenig näher gerückt oder sein professioneller Glaube aus seinen sprachlichen Schablonen gefallen, dass ihn selbst überraschte, was er anderen zu glauben empfohlen hatte – wer sagt denn, dass die Früchte immer dort zu ernten seien, wo das wirtschaftliche Kalkül sie erwartet? Predigen zu dürfen, ist eine Gnade; die Bekehrung des Predigers das Ziel; was für die Hörenden abfällt, das bleibt, gottlob, ein Geheimnis.

Beredtes Schweigen

Einführung

Was wurde nicht schon alles über „die Liebe“ gesagt! In eurer Liebe bringt sie sich zur Sprache – neu, originell, einzigartig. Das Besondere: Ihr lasst Gott, „die Liebe“, ein Wörtchen mitreden. Geradezu wunderbar: Ihr nehmt euch beim Wort und lasst euch von „der Liebe“, Gott, beim Wort nehmen.

Gebet

Herr,

bei dir finden wir Liebe in Fülle. Du machst X und Y zu Zeugen dieser Liebe. Durchdringe sie und uns mit der Glut deiner Liebe, damit wir hellsichtig werden für die Not anderer. Festige in uns Tatkraft und Mut, deine Leidenschaft für die Menschen zu bezeugen.

Darum bitten wir durch Christus, unseren Herrn.

(nach: GL 677,7)

Lesung

1 Joh 4,7–21

Predigt

Mit der Lesung aus dem Ersten Johannesbrief ist euch das Husarenstück gelungen, den Prediger am Tag eurer Hochzeit mundtot zu machen. Manche Texte aus der Heiligen Schrift widersetzen sich dem Verständnis derart, dass selbst der Theologe sie, wie ein Rindvieh, wieder und wieder käuen muss, bis er ihnen einen geistlichen Nährwert abgerungen hat. Zähes Kauen streckt bekanntlich auch die Predigt in die Länge.

 

Ihr habt heute allen Gästen einen Gefallen erwiesen und euer Eheleben unter ein Schriftwort gestellt, das sich aus sich selbst heraus versteht:

„Gott ist die Liebe.

Wer in der Liebe bleibt,

bleibt in Gott,

und Gott bleibt in ihm.“

Was gäbe es darüber hinaus noch zu sagen?

Das vierte Kapitel des Ersten Johannesbriefes buchstabiert die Quintessenz des Glaubens in zeitloser Wortwahl. Ohne eines Auslegers bedürftig zu sein, spricht es aus sich und deutet sich selbst. Auch wäre es vermessen, euch oder eure Gäste über das Wesen der Liebe belehren zu wollen. Jeder, der liebt, ist Experte in Sachen Liebe und bedarf keiner Nachhilfe in Liebesangelegenheiten.

 

Nur darüber wäre ein Wort zu verlieren:

über jenen Stachel, den der Text ins Fleisch des Glaubenden rammt: dass Gottes- und Nächstenliebe ein Zwillingspaar sind.

Der Rechtgläubigste wird als Lügner enttarnt, wenn sein Lippenbekenntnis Gott gegenüber keine Liebestat für seinen Nächsten bereithält.

„Wer seinen Bruder nicht liebt,

den er sieht,

kann Gott nicht lieben,

den er nicht sieht.“

Ohne Liebe zum Nächsten wird der Glaube zur Farce und Liebe ein leeres Versprechen.

 

„Die Liebe“ wird endlos, rauf und runter, besungen. Fleisch auf die Rippen bekommt sie durch eure Liebe. Eure Liebe bezeugt die Wahrheit der Schrift. Die Predigt des heutigen Tages seid ihr selbst, nicht das Wort des Predigers. Abstrakte Liebe bleibt eine Chimäre. Liebende erst atmen sie ein und leben aus ihr.

 

Ein Theologe schimpfte sich nicht umsonst einen Gottesgelehrten, fände er in der Vollkommenheit nicht das Haar in der Suppe, das es ihm erlaubte, aus einer kurzen Ansprache doch noch eine satte Predigt zu zaubern. Zu meiner Entschuldigung sei gesagt, dass nicht ich der Verursacher dieser Trübung bin, sondern der Verfasser des Johannesbriefes selbst. Hätte er allein an Liebespaare und Ehewillige sein Wort gerichtet – was wäre selbstverständlicher, als die Liebe hochleben zu lassen und Gott, „die Liebe“, über den grünen Klee zu loben.

 

Stinknormale Christen hat der Brief im Blick, Menschen, die Tag für Tag einen nüchternen Alltag zu bestehen haben; der Nächste – nicht nur die geliebte Frau, der geliebte Mann an meiner Seite. Der Nächste ist der, der mir zunächst ist.

Gott und Liebe –

austauschbare Begriffe.

Das Maß dieser Liebe:

„Wer bekennt,

dass Jesus der Sohn Gottes ist,

in dem bleibt Gott,

und er bleibt in Gott.“

Bekanntlich galt die Liebe Jesu jedem.

Maßlose Liebe.

 

Ein verstohlener Blick

über die geliebten und vertrauten Gesichter hinaus,

in die große Runde der Gäste

und, in Gedanken,

ein Defilee all der Pappnasen und anstrengenden Zeitgenossen,

von Intimfeinden und Konkurrenten ganz zu schweigen,

die einem Tag für Tag zugemutet werden –

dann nochmals gehört

und sich selbst auf der Zunge zergehen lassen –

Erster Johannesbrief, Kapitel vier:

„Gott ist die Liebe.

Wer in der Liebe bleibt,

bleibt in Gott,

und Gott bleibt in ihm.“

So an Herzerweiterung erkrankt ist keiner,

dass er die Ungeliebten, ohne Wenn und Aber, sich an die Brust drückte.

Warum maßlose Liebe,

wenn’s auch einfacher geht,

in trauter Zweisamkeit genießen,

jene Liebe, die nur dem einen Geliebten gilt,

nicht der ganzen Welt?

Selbst schuld!

Exklusive Liebe in der Kuschelecke des eigenen Liebesglücks –

überall zu haben –

mit einem Ja zueinander vor Gottes Angesicht – ausgeschlossen.

Eure Liebe leiht Gottes Liebe Herz und Hand,

in eurem Wort Wort Gottes,

Gottes Blick auf jeden Menschen als sein geliebtes Kind,

in euren Augen.

Menschen warten darauf.

Ohne Liebe geht’s nicht,

für keinen.

 

Nun endlich –

Ruhe im Karton.

Ich schweige.

Es ist an euch zu reden.

Predigt euch selbst!

Fürbitten

Gott ist die Liebe. Ihn bitten wir:

A

Quelle der Liebe, Herr, erhöre uns.

Lob und Dank sei dir, guter Gott, der du uns ein Leben aus der Liebe lehrst durch deinen Sohn, Jesus Christus.

Gebet

Herr, unser Gott,

mit X und Y preisen wir dich, dass sie sich gefunden haben und einander lieben.

Für X und Y bitten wir dich:

Bleibe der Gott ihres Lebens und ihrer Liebe, damit sie in ihrer Ehe einander mit deiner Freude beschenken und in deinem Frieden leben dürfen von Tag zu Tag, von Jahr zu Jahr.

Darum bitten wir durch Christus, unseren Herrn.

(nach: Die Feier der Trauung, S. 75, B)

Es werde Licht

Einführung

Eines Tages hattet ihr euch im Blick und habt euch seitdem nicht mehr aus den Augen verloren. Das hat eure Sicht auf das Leben verändert. Im Anblick des geliebten Menschen ist die Welt reicher geworden. Auch Gott hat auf euch ein Auge geworfen. Er sieht euch an voller Liebe. Aus der Perspektive Gottes fällt ein farbenfrohes Licht auf jeden Menschen.

Gebet des Brautpaares

Guter Gott, ich bin glücklich.

Es gibt einen Menschen, der mich liebt.

Er kommt mir entgegen.

Er sieht mich an.

Er nimmt mich in die Arme.

Er hört mir zu.

Er antwortet mir.

Er spricht zu mir.

(…)

Ich vertraue ihm,

ich fühle mich bei ihm geborgen,

ich überlasse mich ihm.

(nach: GL 16,1)

Gebet des Zelebranten

Gott, voller Liebe zu uns Menschen,

sieh auf X und Y. Sie lieben sich und fühlen sich von dir geliebt. Sie gehen in eine Zukunft, die ihnen verborgen ist, im Vertrauen darauf, dass du alle ihre Wege mit ihnen gehst und sie immer im Blick haben wirst. In dieser Hoffnung machen sie sich auf ihren Lebensweg.

Mit ihnen loben und preisen wir dich, heute und alle Tage und in Ewigkeit.

Lesung

Lk 11,33–36

Predigt

Alles vor Augen.

Was sieht das Auge?

Wie sieht das Auge?

Was bedeutet mir das Gesehene?

 

Die antiken Philosophen machten sich darüber Gedanken. Die einen meinten, Lichtpartikel dringen von außen ins Auge. Das, was ich sehe, bildet sich mittels des Lichtes im Sehorgan ab.

Die anderen dachten, das Auge selbst sende Licht aus. Das Licht reflektiere sich am Objekt und werfe ein Bild des Beleuchteten ins Auge zurück.

 

Das Auge – empfängt es passiv Licht von außen oder ist es selbst Quelle jenes Lichtes, das der Mensch braucht, um zu sehen und zu erkennen?

 

Die Wahrheit liegt in der Mitte: Das Auge selbst strahlt kein Licht aus. Licht kommt von außen. Wie aber die Sinneseindrücke verarbeitet werden, das hängt davon ab, wie es im Innern eines Menschen aussieht.

Alle sehen das Gleiche, keiner sieht dasselbe. Ein lichter Sommertag zaubert in dem einen ein Gefühl unbeschwerter Lebensfreude. Ein anderer grämt sich über so viel unbarmherzige Helligkeit, weil die Traurigkeit sich seiner bemächtigt hat, derer er sich im grellen Licht schmerzlich bewusst wird.

 

Was man wahrnimmt,

wie man sieht,

was es einem bedeutet,

das steht und fällt mit dem „inneren Auge“.

Mein Charakter, meine Stimmungen,

meine Geschichte, meine Interessen –

sie prägen meine Sicht.

 

Wie sieht das Auge,

wenn es glaubend schaut?

Es geht den Dingen auf den Grund.

Das Sehen auf den ersten Blick