Inhaltsverzeichnis

Zum Buch

 

Johann Baptist und Dominikus Zimmermann leisteten einen entscheidenden Beitrag zur Entstehung und Vollendung des süddeutschen Rokoko. Aufgewachsen im Milieu der Wessobrunner Stuckkünstler, blieben sie diesem Kreis zeitlebens eng verbunden und prägten ihn nachhaltig. Johann Baptist, Stuckateur und Freskant, war ab 1720 für die Wittelsbacher tätig und schuf an der Seite von François Cuvilliés die Prunkräume des höfischen Rokoko in der Münchner Residenz, der Amalienburg und Schloss Nymphenburg. Dominikus, Stuckateur, Altarbauer und Baumeister, erreichte eine einzigartige Synthese von Ornament und Architektur. Durch ihre Zusammenarbeit gelangen den Brüdern Spitzenleistungen der Raum- und Dekorationskunst. Ihr Spätwerk, die »himmlische« Wies, gilt als Juwel des Rokoko und gehört seit 1983 zum UNESCO-Welterbe.

 

 

 

Zur Autorin

 

Christine Riedl-Valder, Dr. phil., geboren 1957, arbeitet als Kulturjournalistin; zahlreiche Beiträge zur Literatur, Kunst und Geschichte Bayerns.

Biografien machen Vergangenheit lebendig: Keine andere literarische Gattung verbindet so anschaulich den Menschen mit seiner Zeit, das Besondere mit dem Allgemeinen, das Bedingte mit dem Bedingenden. So ist Lesen Lernen und Vergnügen zugleich.

Dafür sind gut 100 Seiten genug – also ein Wochenende, eine längere Bahnfahrt, zwei Nachmittage im Café. Wobei klein nicht leichtgewichtig heißt: Die Autoren sind Fachleute, die wissenschaftlich Fundiertes auch für den verständlich machen, der zwar allgemein interessiert, aber nicht speziell vorgebildet ist.

Bayern ist von nahezu einzigartiger Vielfalt: Seinen großen Geschichtslandschaften Altbayern, Franken und Schwaben eignen unverwechselbares Profil und historische Tiefenschärfe. Sie prägten ihre Menschen – und wurden geprägt durch die Männer und Frauen, um die es hier geht: Herrscher und Gelehrte, Politiker und Künstler, Geistliche und Unternehmer – und andere mehr.

Das wollen die KLEINEN BAYERISCHEN BIOGRAFIEN: Bekannte Personen neu beleuchten, die unbekannten (wieder) entdecken – und alle zur Diskussion um eine zeitgemäße regionale Identität im Jahrhundert fortschreitender Globalisierung stellen. Eine Aufgabe mit Zukunft.

 

DR. THOMAS GÖTZ, Herausgeber der Buchreihe, geboren 1965, lehrt Neuere und Neueste Geschichte an der Universität Regensburg. Veröffentlichungen zu Stadt und Bürgertum in der Neuzeit.

CHRISTINE RIEDL-VALDER

 

 

 

Johann Baptist und Dominikus Zimmermann

 

 

Virtuose Raumschöpfer des Rokoko

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Verlag Friedrich Pustet
Regensburg

Impressum

 

 

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

 

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Angaben sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

 

eISBN 978-3-7917-6119-0 (epub)

© 2017 by Verlag Friedrich Pustet, Regensburg

Umschlaggestaltung: Martin Veicht, Regensburg

eBook-Produktion: Friedrich Pustet, Regensburg

 

Diese Publikation ist auch als Printprodukt erhältlich:

ISBN 978-3-7917-2928-2

 

Weitere Publikationen aus unserem Programm finden Sie auf www.verlag-pustet.de

Kontakt und Bestellungen unter verlag@pustet.de

Vorwort

Die Raumschöpfungen der Brüder Zimmermann, die vor rund 300 Jahren entstanden, faszinieren in ihrer Beschwingtheit und Eleganz heute noch den Betrachter. Vor den Augen der Besucher in der Münchner Residenz, den Schlössern Nymphenburg und Amalienburg und den Kirchen in Günzburg, Weyarn oder Andechs entfaltet sich der ganze Reichtum des süddeutschen Rokoko. Wenn die beiden zusammenarbeiteten, bildeten Gebäude und Stuck des Dominikus zusammen mit der Malerei des Johann Baptist eine unverwechselbare Einheit, in der das eine das andere ergänzte und die Grenzen zwischen Ornament, Bild und Architektur aufgehoben wurden. So schufen sie absolute Meisterwerke ihrer Zeit. Auf diese Weise entstanden Steinhausen – »die schönste Dorfkirche der Welt« – und die Wies, das krönende Alterswerk der beiden über 60 und über 70 Jahre alten Brüder, in der das Ornament die Hauptrolle übernimmt. Welche Energie muss die beiden Männer angetrieben haben, dass sie noch als Senioren ein solch heiteres und prächtiges Gesamtkunstwerk in die Welt setzen konnten!

Obwohl über beide Künstler bislang rund 200 Publikationen erschienen sind, die sich einzelnen Aspekten ihres Schaffens oder ihnen gemeinsam widmen, gibt es bis heute keine handliche, kompakte Darstellung ihres Lebens und Werkes. Mit dem vorliegenden Band wird diese Lücke geschlossen. Er begibt sich auf Spurensuche nach dem »Dreamteam« Zimmermann, behandelt Karriere und Einzelleistungen des Maler-Stuckateurs Johann Baptist sowie des Baumeister-Stuckateurs Dominikus und würdigt die Qualität ihrer Zusammenarbeit.

Der Ausführlichkeit sind durch das Konzept der kleinen bayerischen biografien natürlich Grenzen gesetzt. Daher können hier nur die Schwerpunkte ihrer Entwicklung und die Höhepunkte ihres Schaffens behandelt werden. Die Verfasserin fühlt sich dabei den umfangreichen Forschungen von Hugo Schnell, Christina Thon, Hermann und Anna Bauer, Bernhard Rupprecht, Uta Schedler, Silvia Hahn, Sixtus Lampl, Lothar Altmann, Georg Paula und vielen anderen dankbar verpflichtet. Gemäß den Richtlinien der Reihe musste auf Einzelnachweise verzichtet werden.

Da beide Künstler, im Gegensatz zu den Brüdern Asam und anderen bedeutenden Persönlichkeiten des 18. Jhs., keinen Wert darauf legten, sich in repräsentativen (Selbst-)Porträts zu verewigen, zeigt der Buchumschlag Ansichten ihrer bekanntesten Werke in Steinhausen (Oberschwaben) und in Wies bei Steingaden (Lkr. Weilheim-Schongau).

Einen wesentlichen Bestandteil dieser Monografie bilden die Fotografien, mit denen der Erfindungsreichtum des genialen Brüderpaares exemplarisch dokumentiert wird. Der Verlag war dabei in der glücklichen Lage, auf die qualitätsvollen Aufnahmen des leider früh verstorbenen Fotokünstlers Wolf-Christian von der Mülbe zurückgreifen zu dürfen, der die Hauptwerke der Brüder Zimmermann aus neuen Blickwinkeln vor Augen führt. Daher gebührt an dieser Stelle ein großer Dank dessen Witwe für die Bereitstellung dieser Fotos.

Ein herzlicher Dank gilt auch Verlagsleiter Fritz Pustet, Reihenherausgeber Thomas Götz und insbesondere der Lektorin Christiane Abspacher für die gute Zusammenarbeit.

1   Kindheit und Jugend im Pfaffenwinkel

»Gebirdig von Wesobrun«

Johann Baptist und Dominikus Zimmermann wurden in ein Umfeld hineingeboren, das ideale Voraussetzungen für eine Künstlerkarriere bot. Zwischen Lech und Loisach in Oberbayern liegt der »angulus monachorum« – die »Ecke der Mönche« –, volkstümlich schon im 18. Jh. als »Pfaffenwinkel« bezeichnet. Diese Region, eine hügelige Voralpenlandschaft mit Wäldern, Wiesen, Flüssen, Seen und Mooren, brachte schon seit der Karolingerzeit höchste kulturelle Leistungen hervor und verfügte über eine Dichte an Klöstern und Wallfahrtskirchen, wie man sie kaum anderswo in Deutschland findet: Andechs, Benediktbeuern, Bernried, Beuerberg, Dießen, Ettal, Habach, Hohenpeißenberg, Polling, Rottenbuch, Schlehdorf, Steingaden, Vilgertshofen, Wessobrunn … Hier trifft man noch heute überall auf die Spuren der Gebrüder Zimmermann und ihres Umkreises. Auch der Höhepunkt ihres gemeinsamen künstlerischen Schaffens, die Wieskirche, steht in ihrer einstigen Heimat.

Ein bedeutendes Zentrum dieser gelehrten und geistlichen Welt des Pfaffenwinkels war die uralte Benediktinerabtei Wessobrunn. Wie in ganz Bayern bestand hier nach den Zerstörungen des Dreißigjährigen Krieges und den anschließenden Jahrzehnten des Verfalls ein dringender Bedarf an Baufachleuten. Abt Leonhard Weiß, der um 1680 die Erneuerung der Anlage in Angriff nahm, zog für die Arbeiten klostereigene Untertanen mit heran. Zur Wessobrunner Hofmark gehörten die nahegelegenen Dörfer Gaispoint und Haid, die damals aus wenigen Dutzend kleiner Holzhäuser bestanden. Unter den Bewohnern dieser sogenannten Sölden befanden sich viele Maurer. Sie wurden in den Werkstätten des Klosters zunächst für den eigenen Bedarf zu versierten Facharbeitern ausgebildet, bevor viele von ihnen sich dann aufgrund der steigenden Nachfrage als Stuckateure spezialisierten. Das Stuckhandwerk hatte im letzten Drittel des 17. Jhs. goldenen Boden, denn zahlreiche Gebäude, die noch aus der Spätgotik stammten, sollten nun im Barockstil modernisiert werden. So kam es, dass um die Wende zum 18. Jh. zahlreiche Familien in diesem Metier arbeiteten und in den folgenden Jahrzehnten auch auf Baustellen in ganz Süddeutschland und den angrenzenden Gebieten ihren Unterhalt verdienten.

Die Familie Zimmermann: Im Handwerkermilieu verankert

Elias Zimmermann (1656–um 1695), der Vater der berühmten Brüder, wuchs in einem der Holzhäuser in Gaispoint auf. Ähnlich wie Wessobrunn war Gaispoint ursprünglich ein Flurname, der in diesem Fall auf eine eingezäunte Ziegenweide (mhd. »geiz« = »Ziege«, »biunde« = »Gehege«) verwies. Das Dorf und auch den Nachbarort Haid sucht man heute jedoch vergeblich auf der Landkarte. Beide Gemeinden erhielten 1853 die amtliche Erlaubnis, den Namen Wessobrunn anzunehmen. Elias war ein Sohn des Bäckers Jakob Zimmermann und dessen Frau Johanna, geb. Huber. Da sein älterer Bruder Augustin als Erstgeborener für die Weiterführung des elterlichen Betriebes bestimmt war, durfte er eine andere Ausbildung wählen und entschied sich für das florierende Baugewerbe. Nach der Lehre verdiente er sich seinen Unterhalt als Maurer, Gipsmeister und Zimmerer.

1679 heiratete er im Alter von 23 Jahren Justina Rohrmoser aus dem 20 km entfernten Dorf Raisting. Dem Paar wurde als erster Sohn Johann Baptist geboren, der am 3. Januar 1680 getauft wurde. Zwei Jahre später erwarb die Familie von Benedikt Walser, dem Mitglied einer Stuckateurenfamilie, um 60 Gulden (fl.) das Anwesen Haus-Nr. 26 in Gaispoint. Es handelte sich um eine Sölde, also ein Holzhaus mit etwas Grundbesitz, auf der man einen Garten, ein paar Obstbäume und Wiesen bewirtschaften und eine Kuh halten konnte. Das Gebäude trug später den Hausnamen »beim Lies« (von »Elias«; das Grundstück, auf dem ein Nachfolgebau steht, hat heute die Adresse Zimmermannstr. 4). Im gleichen Jahr kam die Tochter Maria zur Welt, drei Jahre später, 1685, wurde Dominikus geboren. Der Wessobrunner Pfarrer trug damals ins Taufbuch fälschlich das Datum des 31. Juni ein, so dass man bis heute nicht weiß, ob es sich um den 30. Juni oder den 1. Juli handelte. Dominikus’ Taufpate Thomas Zöpf stammte aus der Verwandtschaft seiner späteren Gattin.

Weitere Geschwister des berühmten Brüderpaares waren Georg (* 1693), der noch als Kleinkind verstarb, Severina (1687–1764), die 1710 den Stuckateur Dominikus Gebhardt heiratete, und Maria Catharina (* 1694), die 1717 mit ihrem Mann, ebenfalls einem Stuckateur, später das Elternhaus übernehmen sollte.

Elias Zimmermann war nachweislich 1688/89 im Pfarrhof Ottobeuren und dessen Priorat Eldern tätig. Er erhielt 1692 als »Gipsmeister« für Stuckarbeiten im Nebengebäude von Schloss Türkheim, das im Besitz Herzog Maximilian Philipps von Bayern war, eine Zahlung. Ein Jahr später arbeitete er zusammen mit Kollegen für den Freiherrn von Westernach im Ostflügel des Schlosses Kronburg bei Memmingen. Von diesen Werken hat sich leider nichts erhalten.

Sein Beruf brachte es mit sich, dass er die Familie oft Anfang des Frühjahrs verlassen musste, um auf fernen Baustellen sein Geld zu verdienen. Erst im Spätherbst, wenn das Wetter nicht mehr mitspielte, kehrte er zurück. In der Winterzeit leistete er dann daheim in seiner Werkstatt Vorarbeiten für die nächste Saison, indem er z. B. mit Hilfe von Modeln Stuckornamentteile auf Vorrat goss, die dann beim nächsten Auftrag als Wand- und Deckenschmuck ihre Verwendung fanden. Die Sorge um die Kinder und die kleine Landwirtschaft blieben indes Aufgabe der Frau. Die Kinder besuchten bis zum Alter von etwa zwölf Jahren den Unterricht im Lesen, Schreiben und Rechnen beim örtlichen Schulmeister und in der Religionslehre beim Pfarrvikar. Danach wurden sie ins Arbeitsleben mit eingebunden und traten ihre jeweils gewählte Ausbildung an.

 

Stuckmörtel, ein ideales Material für Dekorationen

Als Stuck (ital. »stucco« = Gipsputz, Stuckarbeit) bezeichnet man die plastische Dekoration aus Mörteln aller Art an Fassaden (z. B. Gesimse) und verputzten Wänden, Gewölben und Decken in Innenräumen. Die Technik zur Herstellung war schon in der Antike bekannt. Anfang des 15. Jhs. hat man das Material in den Ruinen römischer Paläste wiederentdeckt, und so kam Stuck in der italienischen Hochrenaissance wieder in Mode (z. B. bei Raffaels Loggien im Vatikan, ab 1514). Nördlich der Alpen fanden Stuckreliefs erstmals ab 1536 beim Bau der Landshuter Residenz Verwendung. Damals schufen zunächst italienische Stuckateure hochwertiges Stuckdekor in Bayern, bevor sie durch einheimische Meister abgelöst wurden. Eine Hochblüte erlebte dieses Handwerk im Barock und Rokoko (um 1575–um 1770), für deren schwungvolle, kurvige und verspielte Dekorationsformen diese Technik besonders gut geeignet war.

Der dafür benötigte Stuckmörtel ist ein Gemisch aus Sand, Kalk und/oder Gips, dem Wasser zugegeben wird. Er lässt sich in feuchtem Zustand leicht formen und ist nach dem Austrocknen sehr hart. Der frische Stuck wird mittels Schablonen, Spachteln oder mit den Händen modelliert oder in Einzelteilen in Formen gegossen, zusammengesetzt und mit Mörtel, eventuell zusätzlich mit Schrauben, Nägeln und Dübeln, an Wand oder Decke befestigt. Zur Verstärkung dienen beigegebenes Stroh, Tierhaare, Holzkohle (von J. B. Zimmermann benutzt) und Drahtgerüste. Je nach Bedarf variieren die Bestandteile des Materials. Für Flachreliefs im Innern benötigt man lediglich Gips, der mit (Leim-)Wasser angerührt wird; für dickere Schichten und voluminöse plastische Formen setzt man Kalk und Sand zu. Bei Außenwänden wird Kalkstuck verwendet, da Gips nicht wetterfest ist.

Da sich der Stuckmörtel nur in nassem Zustand in Form bringen lässt, brauchte v. a. der Handwerker, der direkt an Ort und Stelle modellierte, wie es bei den Besten im 18. Jh. üblich war, ein sicheres Formgefühl und großes handwerkliches Geschick. Um sorgfältig arbeiten zu können, musste er die Masse möglichst lange geschmeidig halten und die Aushärtezeit verlängern. Im 18. Jh. verwendete man dazu Leimwasser, Milch, Zucker und Pulver aus Eibischwurzeln, aber auch Bier und Wein. Während der dreijährigen Bauzeit der Kirche von Einsiedeln (1724–26) wurden für diesen Zweck allein 57 Eimer Wein verbraucht!

 

 

Tod des Vaters und Weiterführung des Betriebs

Elias Zimmermann starb bereits im Alter von knapp 40 Jahren. Als Vormünder der Kinder wurden der Onkel Augustin Zimmermann und der Klosterverwalter Jonas Schmidt eingesetzt. Die Witwe Justina ging bald eine zweite Ehe ein, da sie die wirtschaftliche Grundlage der Familie sichern musste: Sie heiratete am 28. April 1696 den Stuckateur Christoph Schäffler aus Haid. Aus dieser Ehe entstammte eine Tochter, die am 14. April 1697 getaufte Anna Maria. Schäffler übernahm die Werkstatt von Elias Zimmermann. Den Quellen zufolge war der 26-Jährige ein »erbarer iunger gesöll« und brachte 20 fl. Heiratsgut mit ein. Ein Erbvertrag regelte 1696, dass der elfjährige Dominikus eine Ausbildung »bey einem handtwerckh zu welchem er lust haben wird« bezahlt bekommen und jeder Sohn 15 fl., jede Tochter 25 fl. aus dem Nachlass erhalten solle. Johann Baptist stand mit 16 Jahren wohl gerade am Abschluss seiner Lehre oder befand sich schon auf Wanderschaft. Einige Jahre später sollte er bereits mit seinem Stiefvater in Ottobeuren und Amberg zusammenarbeiten.

Die Tochter Maria Catharina vermählte sich im Januar 1717 mit dem Stuckateur Johann Georg Vogl und wohnte mit ihm nach dem Tod der Mutter, die am 20. Oktober desselben Jahres starb, im Elternhaus. Aus dieser Zeit liegt auch eine Beschreibung des Familiensitzes der Zimmermanns vor. Danach umfasste er »… aine sölden behausung und 1 Tagwerk garten 4 tagwerk wismat (Wiese) hinter Kreuzberg«.

Schon diese wenigen Angaben aus der Familiengeschichte zeigen, wie eng das berufliche und verwandtschaftliche Beziehungsgeflecht miteinander verwoben war. Dieses dichte Gefüge im sozialen und professionellen Bereich war die Grundlage für eine enge Kooperation der Handwerker und Künstler in Wessobrunn. Für die beiden Brüder bedeutete es später einen großen Vorteil, dass sie bei ihren Aufträgen auf dieses Netzwerk zurückgreifen und sich ihre Bautrupps aus diesem »Pool« an Fachleuten nach Belieben zusammenstellen konnten.

 

Die Wessobrunner Schule

Im Umfeld des Wessobrunner Klosters entwickelte sich im 17. Jh. das damals größte und bedeutendste Stuckateurzentrum Europas. Die oberbayerischen Handwerker übernahmen die modernen Dekorationsformen der Italiener, die seit den 1660er-Jahren unter Kurfürst Ferdinand Maria am Münchner Hof arbeiteten, und passten sie den regionalen Bedürfnissen an. In der Folgezeit waren ihre Bauarbeiterverbände so erfolgreich, dass sie die italienische Konkurrenz verdrängten und die weitere Entwicklung des Stuckornaments maßgeblich beeinflussten. Im 18. Jh. erstreckte sich der Aktivitätsradius der Wessobrunner »Compagnien«, in denen Stuckateure, Steinmetze, Bildhauer, Maler und Baumeister eng zusammenarbeiteten, bis nach Frankreich, Polen, Ungarn und Russland. Rund 600 Künstler sind mittlerweile als Mitglieder der sogenannten »Wessobrunner Schule« dokumentiert. Dieser Begriff wurde jedoch erst 1888 durch die Kunsthistoriker Gustav von Bezold und Georg Hager eingeführt; eigentlich handelte es sich um einen losen Verband von Kunsthandwerkern, die in keiner Zunft organisiert waren. Als Begründer gelten die Baumeister und Stuckateure Caspar Feichtmayr (1639–um 1704) und Johann Schmuzer (1642–1701), deren Familien über mehrere Generationen sehr erfolgreich tätig waren. Zu den wichtigsten Vertretern der »Wessobrunner Schule« rechnet man heute neben den Brüdern Zimmermann die Künstlerfamilien Gigl, Merck, Rauch und Schaidauf sowie Ignaz Finsterwalder, Johann Georg Üblhör und Thassilo Zöpf. Um 1770 kam man in Bayern im Zuge des einsetzenden Klassizismus vom plastischen Stuck ab. Damit wurde den Wessobrunnern die Existenzgrundlage entzogen.

 

 

2   Johann Baptist – Der »höfische« Zimmermann

Erste eigene Werke

Johann Baptist hatte noch die Möglichkeit, sich bei seinem Vater Grundkenntnisse im Stuckhandwerk anzueignen. Als dieser starb, stand der 16-Jährige wohl gerade in der Endphase seiner Lehre, die er entweder in Wessobrunn oder bei einem auswärtigen Meister absolvierte. Vielleicht befand er sich auch bereits auf Wanderschaft. Im 1696 geschlossenen Erbvertrag seiner Mutter Justina mit deren zweitem Mann Christoph Schäffler wurde seine Ausbildung im Gegensatz zu der seines Bruders nicht erwähnt. Dies deutet darauf hin, dass er zu diesem Zeitpunkt bereits weitgehend selbständig war.

Über seine Gesellenjahre gibt es keine gesicherten Nachrichten. Naheliegend ist die Annahme, dass er wenigstens zeitweise der weitverzweigten und im letzten Viertel des 17. Jhs. führenden Werkstatt des Wessobrunner Klosterbaumeisters Johann Schmuzer angehörte. Im Unterschied zu den Wessobrunnern entwickelte er jedoch eine Vorliebe für figürliche Stuckplastik, die er schon in seinem Frühwerk souverän beherrschte. Die Grundlagen dafür könnte er sich durch anatomische Studien nach Modellen, wie sie z. B. an der Augsburger Akademie üblich waren, angeeignet haben. Dieser Aspekt verweist auch auf italienische Einflüsse, weshalb man vermutet, dass er sich als Geselle einer der italienischen Stuckateurgruppen angeschlossen hat, die in Süddeutschland und Österreich tätig waren, z. B. der Werkstatt von Diego Francesco Carlone.

1701 gibt es die erste Nachricht über einen eigenen Auftrag. Es handelte sich um die Modernisierung des gotischen Chors der Pfarrkirche Mariä Empfängnis in Gosseltshausen bei Wolnzach. Die Ausgaben für 8 Pfund Leim im Zusammenhang mit den Arbeiten lassen vermuten, dass er dabei gegossene Stuckteile verwendete, da man den Leim zur Formenherstellung brauchte. In die vier kleinen Bildfelder sollte er »die Kirchenlehrer darein mallen«. Für diese Darstellungen erhielt er laut Kirchenrechnungen ein Honorar von 57 Gulden (fl.) und 30 Kreuzern (kr.). Für das Hauptfresko »Christi Himmelfahrt« bekam jedoch Johann Feill aus Geisenfeld den Zuschlag. Diese ersten gesicherten Arbeiten verbrannten bereits 1702 im Spanischen Erbfolgekrieg.

Einige Zeit später fand Johann Baptist dann in Johann Joseph Max Veit Graf von Maxlrain, dem letzten Besitzer des reichsunmittelbaren Territoriums Hochwaldeck, einen langjährigen Auftraggeber. Dessen Herrschaftsgebiet erstreckte sich von Miesbach über den Schliersee bis an die Grenze zu Tirol. In dieser gesicherten Position konnte der Künstler nun am 28. März 1705 in der Pfarrkirche von Tuntenhausen seine Hochzeit mit der Kammerzofe Elisabeth Ostermayr (um 1685–1756) feiern. Seine Frau stammte aus Riedenburg im Altmühltal und stand im Dienst der Gräfin von Maxlrain in Schloss Hohenwaldeck. Offenbar handelte es sich um eine Verbindung, die ohne den Segen der Verwandtschaft erfolgte, denn als Trauzeugen fungierten lediglich der Bader und der Korbflechter von Maxlrain sowie der Klosterfischer von Beyharting. In den Ehematrikeln wurde der 25-jährige Bräutigam als »Joannes Zimerman artis pictoriae et crustatoriae«, also als Maler und Grottierer, vermerkt. Letztere Berufsbezeichnung verweist auf die Anfertigung von Inkrustationen an Gebäudefassaden und Grotten sowie Stuckmarmor-Intarsien, eine Technik, die auch sein Bruder Dominikus sehr gut beherrschte.

Hofkünstler in Miesbach (1707–15)

Nachdem der in Miesbach ansässige Stuckateur Johann Georg Lichtenfurtner nach Freising umgezogen war, konnte sich das Paar im Hauptort der Grafschaft niederlassen. Anfang Oktober 1707 kam hier der älteste Sohn zur Welt. Alle fünf Kinder der Familie wurden in Miesbach geboren und getauft: Johann Joseph (1707–43), Franz Michael (1709–84), Maria Franziska Elisabeth (* 1711), Regina Brigitta (1713–vor 1715) und Maria Christina Rosina (1715–39). Bei den 1711 und 1713 geborenen Mädchen trat Gräfin Franziska von Maxlrain als Patin auf. Sie wurde von der Familie des Miesbacher Pflegers vertreten, die auch für die übrigen Kinder die Patenschaft übernahm. Die beiden Söhne traten später in die Werkstatt des Vaters ein, doch beiden war kein großes Glück beschieden: Johann Joseph starb bereits mit 36 Jahren; Franz Michael stürzte 1764 vom Baugerüst und blieb die letzten 20 Jahre seines Lebens gelähmt.