Inhaltsverzeichnis

Zum Buch

 

Bedeutende Römerstadt, wichtigster Erzbischofssitz, kurfürstliche Haupt- und Residenzstadt, Universitäts- und Festungsstadt, Wiege der Buchdruckerkunst, moderne Medienstadt – Mainz kann auf eine traditionsreiche, über 2000-jährige Geschichte zurückblicken. Diese wird in der Kleinen Stadtgeschichte sachkundig und allgemein verständlich geschildert. So erschließt die informative, anschaulich bebilderte Überblicksdarstellung nicht nur dem Besucher die ereignisreichen Zeiten in Mainz’ Vergangenheit, sondern erhellt auch für die Bürger so manches vielleicht weniger bekannte Kapitel aus der bewegten Geschichte der Stadt.

 

 

Zum Autor

 

Dr. Dr. Peter C. Hartmann,
geboren 1940, war 1988–2005 Professor für Allgemeine und Neuere Geschichte an der Universität Mainz. Zahlreiche Veröffentlichungen.

Peter Claus Hartmann

Mainz
Kleine Stadtgeschichte

VERLAG FRIEDRICH PUSTET

REGENSBURG

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

 

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

 

 

eISBN 978-3-7917-6122-0 (epub)

© 2017 by Verlag Friedrich Pustet, Regensburg

Umschlaggestaltung: Martin Veicht, Regensburg

eBook-Produktion: Friedrich Pustet, Regensburg

 

Diese Publikation ist auch als Printprodukt erhältlich:

ISBN 978-3-7917-2938-1

 

Weitere Publikationen aus unserem Programm finden Sie auf www.verlag-pustet.de

Kontakt und Bestellungen unter verlag@pustet.de

Vorwort zur 3. Auflage

Mainz ist eine traditionsreiche Stadt mit einer 2000-jährigen Geschichte, eine schöne, lebendige und anregende Stadt, an deren Universität ich das Glück und die Freude hatte, als Geschichtsprofessor zu lehren. Deshalb möchte ich mit diesem kleinen Überblicksbändchen irgendwie auch meinen Dank abstatten an die Stadt, die mich, aus anderen deutschen Landen kommend, mehr als 17 Jahre beherbergt hat.

Natürlich stützt sich so eine allgemeine Darstellung von der Antike bis in die heutige Zeit nicht auf eigene Forschungen, sondern auf die der für die jeweilige Epoche ausgewiesenen Historiker der letzten zwei Jahrhunderte, besonders aber auf die Beiträge der 1998 erschienenen Gesamtdarstellung »Mainz. Die Geschichte der Stadt« und die entsprechenden Monographien von L. Falck, A. Ph. Brück, E. Darapsky, F. Dumont, F. Schütz u. a. Außerdem konnte ich Arbeiten, die von meinen Schülerinnen und Schülern verfasst wurden, z. B. von B. Blisch, M. Engels, E. Heinz, G. Klosterberg, M. Kugler, Chr. Ohler, zur Mainzer Geschichte heranziehen. So handelt es sich bei der vorliegenden Darstellung um eine kurze Synthese all dieser Werke, geschrieben für einen breiten Leserkreis in der Städtegeschichtsreihe des Friedrich Pustet Verlages, illustriert durch zahlreiche Abbildungen.

Mein Dank gilt denjenigen, die Bilder zur Verfügung stellten und mir Hilfestellung leisteten, nicht zuletzt meinen wissenschaftlichen Hilfskräften M. Gabel und S. Richter, sowie dem Verlag für die gute Zusammenarbeit.

Erfreulicherweise hat sich die »Kleine Mainzer Stadtgeschichte« so gut verkauft, dass der Verlag nun eine dritte aktualisierte Auflage herausbringt. Vielen Dank!

 

März 2017
Peter C. Hartmann

Mainz im Römischen Reich

Vorgeschichte

Angesichts seiner günstigen Lage im Rheintal mit relativ mildem Klima, fruchtbaren Böden und am Knotenpunkt wichtiger Verkehrswege zählte der Mainzer Raum zu den seit sehr frühen Zeiten besiedelten Gebieten in Mitteleuropa. Ausgrabungsfunde beweisen nämlich, dass es im heutigen Stadtgebiet von Mainz schon seit der Altsteinzeit, d. h. seit etwa 23 000 vor Christus, Siedlungen gab. Dies galt auch für die Jungsteinzeit (5000–2200 v. Chr.), die Bronzezeit (ca. 2200–750 v. Chr.), die Hallstattzeit (ca. 750– ca. 450 v. Chr.) und die Latènezeit (jüngere Eisenzeit, etwa 450–15 v. Chr.), als Kelten in diesem Raum lebten. In den Museen finden sich deshalb zahlreiche Zeugen dieser fernen, frühen Zeiten, wie z. B. eine altsteinzeitliche fragmentarische Frauenstatuette, zwei endjungsteinzeitliche Streitäxte, eine besonders schmuckvolle bronzezeitliche Doppelradnadel oder Schmuckgegenstände eines Frauengrabes aus der älteren Latènezeit, alle zu besichtigen im Mainzer Landesmuseum. Kurz vor Christi Geburt kamen dann die Römer, um bald ein Lager für zwei Legionen zu errichten. Sie bauten schon in den Jahren 4 bis 9 nach Christus einen Brückenkopf über den Rhein nach Kastel.

Steinerne Zeugen des römischen Mogontiacum

Reisende mit der Bahn kommen am Bahnhof »Römisches Theater« an den eindrucksvollen Resten eines römischen Bühnentheaters vorbei, ohne ahnen zu können, welche Ausmaße diese steinernen Zeugen einer großen Vergangenheit im römischen Mogontiacum (lateinischer Name von Mainz) einst aufgewiesen hatten. Als man nämlich 1884 einen Teil dieser Überreste fand, wurden sie wegen des Gleisbaus abgetragen und trotz wissenschaftlicher Aufbereitung gerieten sie weitgehend in Vergessenheit. Erst seit April 1999 begann man wieder, die noch vorhandenen Reste auszugraben. Immerhin handelte es sich um das umfangreichste römische Bühnentheater nördlich der Alpen mit einem Durchmesser des Zuschauerraums von etwa 116 m und einer Bühnenbreite von ca. 42 m. Es war sogar noch größer als die bekannten südfranzösischen Theater in Orange und Arles.

Dieser Mainzer Bau bildete wahrscheinlich den geheiligten Ort, an dem die Repräsentanten Galliens, zu dem Mogontiacum ursprünglich gehörte, bis ins 3. Jahrhundert n. Chr. jedes Jahr eine große Gedenkfeier für den damals besonders verehrten römischen Feldherrn Drusus d. Ä. abhielten. Der von Kaiser Augustus sehr geschätzte Heerführer, der vier Feldzüge in Germanien führte und das Gebiet vom Rhein bis zur Elbe dem Imperium der Römer unterwarf, war im Jahre 9 v.Chr. beim Rückweg zum Rhein vom Pferd gefallen, hatte sich den Schenkel gebrochen und starb an den Folgen mit erst 29 Jahren. Deshalb bauten ihm seine Truppen damals in Mainz ein Ehrengrabmal und Denkmal (Drususstein), während seine sterblichen Reste im Mausoleum des Kaisers in Rom beigesetzt wurden.

Weitere wichtige Hinweise auf die große römische Vergangenheit von Mainz befinden sich in erheblicher Zahl im Römisch-Germanischen Zentralmuseum, einer der wichtigsten Sammlungs-, Dokumentations- und Forschungsstätten römischer Geschichte in Deutschland. Dort kann man neben vielen Aspekten der antiken Kulturgeschichte die Ausstellung im Museum für Antike Schifffahrt besichtigen und rekonstruierte römische Kriegsschiffe, die man teilweise in Mainz fand, oder den Rest zweier ebenfalls in dieser Stadt entdeckten Schwerlastschiffe bewundern. So erhält man einen guten Einblick in das Leben, Wirken und die Organisation der römischen Rheinflotte.

Führen uns diese Exponate bereits die große Bedeutung des römischen Legionslagers und der Zivilsiedlung vor Augen, so treffen die Mainzer und die Mainzbesucher in Zahlbach auf weitere steinerne Quellen, auf die so genannten »Römersteine«, die Überreste einer in der Regierungszeit Kaiser Domitians in den letzten Jahrzehnten des 1. Jahrhunderts errichteten 9 km langen Wasserleitung mit Pfeilern, die teilweise mehr als 30 m hoch waren, vergleichbar mit dem Aquädukt Pont du Gard in Südfrankreich. In Mainz wurde das Wasser von den Quellen in Finthen (Fontes) und Drais bis zum Legionslager auf dem heutigen Kästrich und Römerwall geleitet. Diese fortschrittliche Wasserleitung versorgte vor allem die (mit Hilfstruppen) zeitweise 30 000 Legionäre, die mit Tross gar auf bis zu 50 000 Mann anwachsen konnten. Dazu kam noch die Zivilbevölkerung. Erst im 19. Jahrhundert erreichte Mainz wieder diese hohen Einwohnerzahlen der Römerzeit.

Hartmann_Abb

Abb. 1: Römersteine». Überreste der Pfeiler einer römischen Wasserleitung (letzte Jahrzehnte des ersten Jahrhunderts n. Chr.)

Wichtiges Legionslager und Verwaltungszentrum

13/12 v. Chr. wurde Mainz zunächst Standort von zwei Legionen, dann nach 85 n. Chr. Verwaltungssitz der neu geschaffenen römischen Provinz Germania Superior. Neben den zahlreichen Soldaten, die aus allen Teilen des Reiches stammten, lebten in der Zivilsiedlung vor allem Menschen keltischer, germanischer und römischer Abstammung.

Die Römer blieben immerhin etwa 500 Jahre in Mainz, einem nachhaltig bedeutenden Verwaltungszentrum des Imperiums. Deshalb wirkten dort jeweils für einige Zeit wichtige Persönlichkeiten als Statthalter, wie etwa 96 bis 98 n. Chr. der spätere Kaiser Trajan, die kurzzeitigen Kaiser Sulpicius (39–41/42 n. Chr.) und Julian (193 n. Chr.) oder der spätere Kaiser Hadrian (117–138 n. Chr.). Im Jahre 39 n. Chr. kam außerdem Kaiser Caligula nach Mainz, um dort in einer für ihn auf Grund der politischen Konstellation gefährlichen Lage Gericht zu halten.

Hartmann_Abb

Abb. 2: Grabstein des Kaiserlichen Gardereiters Flavius Proclus, spätes 1. Jahrhundert n. Chr. – Mainz, Landesmuseum

Man muss sich in der wichtigen Militärlager- und Verwaltungsstadt ein buntes, von Soldaten, Handwerkern und Händlern geprägtes Leben mit lärmenden Märkten, einem wichtigen Rheinhafen und einer festen Holzbrücke über den Rhein nach Kastel vorstellen, wo in Tempeln die verschiedensten antiken Götter verehrt wurden. Seit der Mitte des 3. Jahrhunderts hatte man auch eine große Stadtmauer gebaut.

Bedrohung durch Germanenstämme

In diesen Zeiten gestaltete sich nämlich das Leben der Stadt unsicher, da verschiedene Germanenstämme Mainz bedrohten. Dies galt besonders, als 259/60 das rechtsrheinische Limesgebiet verloren gegangen war und Mogontiacum nun direkt an der Grenze des Römischen Reiches lag. Kaiser Aurelian (270–275 n. Chr.) konnte noch die ins Land einfallenden Franken bezwingen. Schlimm war es dann im Jahre 356 n.Chr., als alamannische Heerhaufen in Mainz eindrangen, um dort zu rauben und zu plündern. Immerhin konnte der spätere Kaiser Julian die Alamannen 357 n. Chr. in einer Schlacht bei Straßburg besiegen und zum Frieden zwingen. Als letzter römischer Kaiser überquerte Valentinian I. im Jahr 368 den Rhein, nachdem Alamannen erneut in Mainz eingedrungen waren, geplündert und viele Menschen entführt hatten. Schließlich gelang es Valentinian I. im Jahr 374, mit dem Alamannenkönig Macrianus einen Freundschaftspakt zu schließen, der den Bewohnern der Stadt wieder für einige Zeit Ruhe verschaffte. Aber es war nur eine Ruhe vor dem Sturm, da in den Jahren 406 und 407 Germanenhorden, d. h. Vandalen, Sueben und Alanen über den Rhein nach Mainz kamen und die Stadt weitgehend zerstörten. Der Kirchenvater und Historiker der Zeit, der hl. Hieronymus (ca. 345–420 n. Chr.), schrieb damals: »Mainz, einst eine hochberühmte Stadt, wurde erobert und liegt zerstört, viele Tausende wurden in einer Kirche hingeschlachtet« (nach G. Ziethen).

Christliche und städtebauliche Kontinuität

Die Quelle zeigt auch, dass Mainz zu den wenigen deutschen Städten zählte, die schon in der Antike Sitz eines Bischofs waren und deshalb eine Kontinuität christlichen Lebens von der römischen Epoche bis ins Mittelalter hinein aufweisen. Als erster Name eines Mainzer Bischofs ist für das Jahr 343 ein Marinus oder Martinus überliefert. Ausgehend von diesem Marinus wurde eine Liste von Bischöfen zusammengestellt mit vielen Unbekannten. Meist weiß man nicht viel mehr als den Namen der Kirchenmänner. Vier sind überliefert, wahrscheinlich waren es aber mehr.

Hartmann_Abb

Abb. 3: Stadtplan von Mogontiacum, 1. Jahrhundert v. Chr. bis 5. Jahrhundert n. Chr.

Nach 406 existierte jedoch das römische Mainz trotz Zerstörung in eingeschränkter Form bis ca. 456 n. Chr. weiter mit einer Verwaltung und als Sitz römischer Truppen. Aus den Resten der spätantiken Stadt entwickelte sich allmählich eine wichtige Siedlung des frühen Mittelalters. Allerdings fehlen für die Übergangszeit bis Ende des 5. Jahrhunderts weitgehend die Quellen, so dass die Geschichte von Mainz für die Jahrzehnte bis 496 größtenteils im Dunkeln liegt.

Im frühen und hohen Mittelalter

Ein Mittelpunkt des Merowingerreiches

Als sich der 482 bis 511 regierende Frankenkönig Chlodwig von Remigius taufen ließ und somit im Gegensatz zu den meisten Germanenstämmen, die Arianer waren, den katholischen Glauben annahm, war eine wichtige historische Weichenstellung erfolgt. Der Umstand, dass die Franken die gleiche Konfession wie die gallo-römische Bevölkerung hatten, begünstigte im Frankenreich die Verschmelzung der ethnischen Gruppen. Bis spätestens im Jahr 507 wurde Mainz dem sich laufend vergrößernden Frankenreich einverleibt. Durch die Angliederung Thüringens 534 erhielt die frühere Grenzstadt eine zentrale Lage in einem Gebiet, in das Menschen aus verschiedenen Regionen strömten. Mainz scheint damals noch von Rheinbrücke, Stadtmauern, Gebäuden und Kirchen aus der Römerzeit geprägt gewesen zu sein, etwa der aus der ersten Hälfte des 5. Jahrhunderts stammenden fast 30 Meter langen St. Albanskirche. Im 6. Jahrhundert und darüber hinaus entwickelte sich die Stadt »zu einer Siedlungs-Agglomeration, deren Kern vorerst noch stark in der römischen Tradition stand, während die germanischen Neusiedler sich vornehmlich in einem Dörfergürtel um die Stadt niederließen« (Schaab).

Als wichtige Elemente christlicher Kontinuität gelten neben dem Fortleben von lokalen Heiligenkulten die Reihe der überlieferten Namen der Bischöfe der fränkischen Stadt. Hier kennt man für die Zeit vor dem Auftreten des hl. Bonifatius immerhin zehn, angefangen von Sidonius über Ruthard, Rigibert bis zu Gewiliob. Der erste fränkische Bischof Sidonius, der vom Dichter Venantius Fortunatus als vorbildlicher Gastgeber, Kirchenmann und Bauherr gepriesen wurde, hat verschiedene kirchliche Bauten errichtet, die Volksfrömmigkeit gepflegt, die Armenfürsorge ausgebaut und die Wirtschaft gefördert.

Mainz, das eine Münzstätte beherbergte, galt als wichtige Stadt des Großfrankenreiches und wurde deshalb von Merowingerkönigen wie Dagobert I. (605/10–639) besucht. Außerdem war die Stadt und ihre Umgebung ein geistliches Zentrum mit benediktinisch-columbanisch geprägten Klöstern.

Wichtiges Zentrum in der Zeit der Karolinger und Ottonen

Auch im Reich der Karolinger, von der zweiten Hälfte des 8. Jahrhunderts bis 918, blieb Mainz eine bedeutende Stadt. Am Anfang dieser Epoche stand die für ganz Deutschland so wichtige Persönlichkeit des hl. Bonifatius, der noch heute als Apostel der Deutschen bezeichnet wird. Dieser Angelsachse, vom Papst zum Bischof geweiht, zum Erzbischof ernannt, seit 737/38 als päpstlicher Legat mit der Organisation der deutschen Kirche betraut und nach der Absetzung von Gewiliob (744) im Jahr 747 dessen Nachfolger, gründete das wichtige Kloster Fulda. Als Bauherr trat sein Nachnachfolger Erzbischof Richulf hervor, der eine neue, 50 Meter lange Basilika, St. Alban, errichtete, die als Grabstätte der Gemahlin Karls des Großen und vieler Mainzer Erzbischöfe diente. Unter Karl dem Großen wurde Mainz zum zentralen Ort für weltliche Versammlungen und kirchliche Synoden. Diese Funktion der Stadt wurde besonders durch den Bau der Pfalz (kaiserliches Palais) Ingelheim in der Nähe von Mainz gefördert. Als Sitz eines Erzbischofs erreichte Mainz immer mehr die Stellung der wichtigsten Metropole des Reiches. Von überragender, überregionaler Bedeutung war damals vor allem der 780 in Mainz geborene Mönch, Theologe, Dichter, Gelehrte und Abt von Fulda, Hrabanus Maurus, der 847 auf Betreiben Kaiser Ludwigs des Deutschen Erzbischof von Mainz wurde.

Trotz der Bedrohung weiter Teile des Reiches durch Normannen im Nordwesten und später durch Ungarn im Südosten blieb das durch Mauerbauten geschützte Mainz von Zerstörungen verschont und konnte vor allem unter Erzbischof Hatto I. (891–913) einen Aufschwung verzeichnen. So war die Stadt in der Karolingerzeit nicht nur ein Zentrum der Literatur (Lullus, Hrabanus Maurus, Luitolf u. a.), sondern auch ein Handels- und Verkehrszentrum mit Hafen und Zollstation, in dem christliche und jüdische Kaufleute ihre Geschäfte tätigten. Daneben lebten in der Stadt am Rhein viele Kleriker sowie Mittel- und Unterschichten mit ihren Familien, die dort arbeiteten.

In der Zeit der Ottonen (919–1024) hielten sich die Könige und Kaiser hier und da in Mainz auf und nahmen vor allem Einfluss auf die jeweilige Wahl des dortigen Erzbischofs. Für die Machtstellung des Reichsoberhaupts blieb es nämlich von großer Bedeutung, diese wichtige Metropole des Reiches unter seiner Herrschaft zu behalten. Ihm lag auch viel am Schutz der wichtigen Mainzer Judengemeinde, die von bedeutenden, überregional angesehenen Rabbinern geleitet wurde.

Das kirchliche Leben intensivierte sich vor allem durch die Gründung des Kollegiatstiftes (Alt-)St. Peter vor den Mauern der Stadt durch Erzbischof Friedrich (937–954). In der Zeit Kurfürst Johann Philipps von Schönborn wurde es jedoch im Zuge der Festungsarbeiten 1658 abgerissen und auf den heutigen Platz der Peterskirche verlegt. Außerdem gründete der Kanoniker Theoderich in der zweiten Hälfte des 10. Jahrhunderts das St. Gangolf-Stift, dessen Kirche im späten 16. Jahrhundert zur schmuckvollen Schlosskapelle der kurfürstlichen Residenz umgebaut wurde, aber Anfang des 19. Jahrhunderts den Straßenbaumaßnahmen Napoleons I. weichen musste.

 

BIOGRAFIE

 

Hrabanus Maurus

Hrabanus kam schon als Kind in die Abtei Fulda, wo er unterrichtet und im Jahr 801 zum Diakon geweiht wurde. Hierauf schickte ihn Abt Ratgar nach Tours zur weiteren Ausbildung zu Alkuin, der ihn stark prägte. Nach Lehrtätigkeit in Fulda erhielt Hrabanus 814 die Priesterweihe und wurde 822 zum Abt dieses großen Benediktinerklosters gewählt. In dieser leitenden Funktion konnte er in seiner Abtei das geistliche Leben tatkräftig fördern, die dortige Bibliothek zu einer der wichtigsten des ostfränkischen Reiches ausbauen und die Schule schaffen, die sich zu einem Bildungszentrum erster Ordnung entwickelte. Nachdem er 845 auf die Abtwürde verzichtet und sich auf den Petersberg bei Fulda intensiv geistlichen Übungen und der Wissenschaft gewidmet hatte, berief ihn König Ludwig der Deutsche 847 zum Erzbischof von Mainz. Dieses Amt übte er mit großem Eifer aus, hielt drei wichtige Synoden ab und verfasste eine große Zahl vor allem theologischer Schriften. Er galt als der angesehenste Theologe und Gelehrte der Zeit im ostfränkischen Reich, übte einen großen Einfluss auf die damalige Literatur aus und wird als herausragender Repräsentant der Karolingischen Renaissance geschätzt.

 

Erzbischof Willigis (975–1011), bedeutendster Metropolit in Deutschland

Eine Lichtgestalt mainzischer Geschichte war Erzbischof Willigis (975–1011), der wie ein Asket oder Mönch lebte, sich um die Bedürftigen seiner Stadt kümmerte und sogar jeweils vor seinem Essen persönlich dreizehn Arme bewirtete, gleichzeitig aber im Reich eine große politische Rolle spielte. In seiner vom Papst verliehenen Urkunde für das Pallium (Zeichen erzbischöflicher Würde) bezeichnete das Kirchenoberhaupt den Erzbischof als seinen Stellvertreter »im Reich nördlich der Alpen«. Willigis ließ seine Metropole umbauen und ausgestalten. Dazu gehörte ein eindrucksvoller Neubau eines großen Domes unter teilweiser Einbeziehung der »spätantik-merowingischen Kathedralgruppe«. Als Ausdruck des hohen Anspruchs der Mainzer Kathedrale adaptierte man beim Domneubau die Anlage von Alt-St. Peter in Rom. Man kann sich ein Bild von diesem mächtigen ottonischen Kirchenbau mit Kreuzgang, Empfangskirche, Säulengängen und -höfen und Nebenkirchen aufgrund eines Modells machen, das sich im Dom- und Diözesanmuseum befindet. Immerhin arbeitete man 34 Jahre an dieser Domanlage. Aus dieser Zeit stammen noch die sehr bekannten Bronzetüren des Erzbischofs Willigis, die ursprünglich an der Vorkirche angebracht waren und bei deren Abbruch Anfang des 19. Jahrhunderts am Marktportal des St. Martindoms eingebaut wurden. Erzbischof Willigis, ein Verehrer des hl. Stephanus, gründete auch auf dem damals höchsten Punkt der Stadt das St. Stephansstift. Dessen Kirche, 992 geweiht und Grablege von Willigis, war der Vorgängerbau der im Wesentlichen gotisch geprägten heutigen St. Stephanskirche, die durch ihre Chagall-Fenster berühmt ist. Schließlich ließ der Erzbischof auch noch im Osten vor der Stadt in der Nähe von Weisenau das Stift St. Viktor errichten. So präsentierte sich Mainz am Ende des 10. Jahrhunderts als eine mächtige und prächtige Stadt mit vielen Türmen und großen Kirchen innerhalb und außerhalb der Mauern, mit blühendem Handel und Gewerbe. Gleichzeitig entfalteten sich in ihr und im Erzbistum Dichtung, Literatur und Kunst.

Hartmann_Abb

Abb. 4: Modell des Domes von Willigis mit vorgelagerter Liebfrauenkirche (um 1000) – Mainz, Bischöfliches Dom- und Diözesanmuseum

Willigis galt in Deutschland als wichtigster Metropolit und sein Erzbistum als das bedeutendste des Reiches. Diese herausragende Stellung konnten auch seine Nachfolger, angefangen von Erkenbald (1011–1021) bis Siegfried I. (1060–1084) im Wesentlichen bewahren. Das Recht, den König zu krönen, das Erzbischof Aribo (1021–1031) 1024 in Mainz bei Konrad II. ausübte, konnten sie allerdings nicht erhalten. Vielmehr ging es wieder an den Kölner Erzbischof verloren, zu dessen Kirchenprovinz die traditionelle Krönungskirche in Aachen gehörte. Immerhin behielt der Mainzer das Recht, bei der Königswahl als Erster seine Stimme abzugeben, und außerdem die Funktion eines Erzkanzlers für Deutschland. Gleichzeitig blieb Mainz ein ganz wesentliches geistliches Zentrum des Reiches. Unter dem frommen Erzbischof Bardo (1031–1051) wurde nicht nur der 1009 abgebrannte Dom bis 1036 wieder aufgebaut, sondern auch im Jahr 1049 eine besonders bedeutende Synode abgehalten, von der die wichtigsten Impulse für die damals begonnene Kirchenreform im Norden der Alpen ausgingen. Damals nahmen sowohl König/Kaiser Heinrich III. (1039/46–1056) wie auch Papst Leo IX. (1049– 1054) persönlich an der Versammlung in Mainz teil.

Hartmann_Abb

Abb. 5: Marktportal des Domes mit den im 19. Jahrhundert eingebauten Bronzetüren aus der Zeit des Erzbischofs Willigis

Ausbau der erzbischöflichen Stadtherrschaft – Mainz Aufenthaltsort der Kaiser

Ab dem 9. und 10. Jahrhundert gelang es den Erzbischöfen immer mehr Rechte an sich zu ziehen, um die Stadtherrschaft auszubauen, wobei es noch bis weit ins 13. Jahrhundert hinein Schwierigkeiten und Rivalitäten mit den Vögten und Burggrafen der Stadt gab. Die Erzbischöfe konnten sich allerdings immer mehr durchsetzen und ihre Stadtherrschaft festigen. Im 11. Jahrhundert entstanden gleichzeitig neue Klöster und Stifte, und zwar das Kloster St. Jakob und die weniger vermögenden Stifte St. Martin im Feld bei Hechtsheim, St. Johann Baptist am Leichhof und Mariengreden oder Liebfrauen in der Verlängerung des Ostchores des Doms.