Inhaltsverzeichnis

 

Zum Buch

 

 

Keine anderen Künstler werden so mit dem bayerischen Spätbarock gleichgesetzt wie Cosmas Damian Asam (1686–1739) und sein Bruder Egid Quirin (1692–1750). Ihre Schöpfungen zählen zu den bedeutendsten Leistungen der Kunst des 18. Jahrhunderts, doch über sie selbst gibt es nur spärliche Nachrichten.

Wie lebten und liebten sie? Was verdienten sie, was gaben sie aus? Wie war das Verhältnis zu ihren Auftraggebern? Wie sahen sie sich selbst und wie urteilten die Zeitgenossen über sie? All diese Fragen beantwortet die erste umfassende Biografie des Brüderpaares.

 

 

 

Zum Autor

 

 

Peter Morsbach, Dr. phil., geboren 1965, ist Kunsthistoriker und Publizist. Studium der Kunstgeschichte, Klassischen Archäologie und Denkmalpflege. Zahlreiche Veröffentlichungen zur bayerischen Kunstgeschichte.

 

 

Biografien machen Vergangenheit lebendig: Keine andere literarische Gattung verbindet so anschaulich den Menschen mit seiner Zeit, das Besondere mit dem Allgemeinen, das Bedingte mit dem Bedingenden. So ist Lesen Lernen und Vergnügen zugleich.

 

Dafür sind gut 100 Seiten genug – also ein Wochenende, eine längere Bahnfahrt, zwei Nachmittage im Café. Wobei klein nicht leichtgewichtig heißt: Die Autoren sind Fachleute, die wissenschaftlich Fundiertes auch für den verständlich machen, der zwar allgemein interessiert, aber nicht speziell vorgebildet ist.

 

Bayern ist von nahezu einzigartiger Vielfalt: Seinen großen Geschichtslandschaften Altbayern, Franken und Schwaben eignen unverwechselbares Profil und historische Tiefenschärfe. Sie prägten ihre Menschen – und wurden geprägt durch die Männer und Frauen, um die es hier geht: Herrscher und Gelehrte, Politiker und Künstler, Geistliche und Unternehmer – und andere mehr.

 

Das wollen die KLEINEN BAYERISCHEN BIOGRAFIEN: Bekannte Personen neu beleuchten, die unbekannten (wieder) entdecken – und alle zur Diskussion um eine zeitgemäße regionale Identität im Jahrhundert fortschreitender Globalisierung stellen. Eine Aufgabe mit Zukunft.

 

 

DR. THOMAS GÖTZ, Herausgeber der Buchreihe, geboren 1965, lehrt Neuere und Neueste Geschichte an der Universität Regensburg. Veröffentlichungen zu Stadt und Bürgertum in der Neuzeit.

PETER MORSBACH

 

 

 

Die Brüder Asam

 

 

Vom Leben im Theater der Kunst

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Verlag Friedrich Pustet
Regensburg

 

Impressum

 

 

 

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

 

 

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Angaben sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

 

 

eISBN 978-3-7917-6131-2 (epub)

© 2017 by Verlag Friedrich Pustet, Regensburg

Umschlaggestaltung: Martin Veicht, Regensburg

eBook-Produktion: Friedrich Pustet, Regensburg

 

 

Diese Publikation ist auch als Printprodukt erhältlich:

ISBN 978-3-7917-2353-2

 

 

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Kontakt und Bestellungen unter verlag@pustet.de

Vorwort

»… consulendos esse desuper in hac arte peritos praecipue toto orbe celeberrimos duos germanos fratres Cosmam Damianum et Aegydium de Asam, qui multas ecclesias iam construxissent ad usque miraculum …«

Mit diesen rühmenden Worten charakterisiert 1747 Jacob Passler, der Chronist der Reichsabtei St. Emmeram in Regensburg, den Ruf der Brüder Asam in Bayern und Süddeutschland: »es mussten dazu die beiden in dieser Kunst erfahrenen und auf dem ganzen Erdkreis höchst berühmten leiblichen Brüder Cosmas Damian und Egid von Asam zu Rate gezogen werden, die schon viele Kirchen auf wunderbarste Weise erbaut hatten …«

Und in der Tat werden keine anderen Künstler so mit dem bayerischen Spätbarock gleichgesetzt wie Cosmas Damian Asam (1686–1739) und sein Bruder Egid Quirin (1692–1750). Ihre Schöpfungen zählen zu den bedeutendsten Leistungen der Kunst des 18. Jahrhunderts, doch über sie selbst gibt es nur spärliche Nachrichten.

Es geht in diesem Buch nicht um eine kunsthistorische Würdigung ihres Werkes; das haben Berufenere getan. Unsere Fragen sind: Wie lebten und liebten sie? Wie sah ihr Familienleben aus? Was verdienten sie, was gaben sie aus? Wie war das Verhältnis zu ihren Auftraggebern? Wie sahen sie sich selbst und wie urteilten die Zeitgenossen über sie?

Es geht also um eine kurzgefasste Lebensbeschreibung der Asams und ihrer Familie, wie es sie in dieser Form bislang noch nicht gab. Freilich fehlt es nicht an biografischen Abrissen, von Philipp Maria Halm, Erika Hanfstaengl, Hans-Leopold Zollner, Josef H. Biller, Bernhard Rupprecht oder Volker Liedke. Durch Eva Langenstein und Angelika Mundorff sind auch andere Familienmitglieder endlich ins verdiente Licht gesetzt worden.

Es gibt eine kaum überschaubare Zahl an Quellen zu Leben und Werk der Asams – Briefe, Verträge, Rechnungen, Urkunden, Berichte, Protokolle –, von denen zahlreiche von Gabriele Dischinger, Rita Penzlin, Volker Liedke und anderen publiziert wurden, nur die meisten sind in Dutzenden von Aufsätzen und Abhandlungen an zum Teil sehr entlegenen Stellen zu finden. Ich habe mit dankbarem Bewusstsein in den gefüllten Obstkörben der Forschung gewühlt und hemmungslos die besten Früchte entnommen; auf Einzelnachweise musste ich aufgrund des essayistischen Konzepts der kleinen bayerischen biografien verzichten.

Es sollen möglichst viele zeitgenössische Quellen zu Wort kommen. Um sie verständlicher zu machen (man liest sie dazu am besten laut und im Dialekt), sind Groß- und Kleinschreibung und Interpunktion behutsam dem heutigen Gebrauch angenähert. Dies gilt nicht für Inschriften.

1986 wurde in einer großen Ausstellung in Aldersbach des 300. Geburtstags von Cosmas Damian Asam in so grundlegender Weise gedacht, dass seitdem nur wenig neue Forschungen angestellt wurden, wie anlässlich der jüngst abgeschlossenen Restaurierungen des Freisinger Doms und der Klosterkirche Weltenburg.

Der 300. Geburtstag des ›kleinen‹ Bruders Egid Quirin im Jahre 1992 ging ebenso unbemerkt vorüber wie 2017 sein 325. Geburtstag. Es ist unverständlich, warum ein solch vielseitiger und genialer Künstler, der zu den größten des bayerischen Barocks zählt und in der Vielzahl seiner Talente den Bruder weit übertraf, von der Forschung bislang konsequent ignoriert wird, wenn man von wenigen Werkmonografien wie denen von Herbert Brunner oder Gabriel Hefele und einer Reihe von Aufsätzen absieht. Zumindest als gleichrangige Künstler haben Erika Hanfstaengl und Bernhard Rupprecht die Asams behandelt. Vielleicht kann dieses kleine Werk ja einen Impuls in diese Richtung aussenden?

Es ist mir angenehm, vielen lieben Menschen für ihre wertvolle und unkomplizierte Unterstützung zu danken: Dr. Pavel Alfery-Hrdina (Prag); Archiv für Kunstgeschichte Ludwig Meyer (München); Dr. Maria Baumann (Diözesanmuseum Regensburg); Dr. Tobias Beck (Ingolstadt); Dr. Anke Borgmeyer und Dr. Markus Hundemer (Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege, München); Luitpold Dietl (Michelfeld); Dipl.-Archivarin Eva Maria Graf (Stadtarchiv München); Abt Thomas M. Freihart OSB (Kloster Weltenburg); Martin Mádl (Kunsthistorisches Institut der Universität Prag); Andreas Meyerhans (externes Archiv der Benediktinerabtei Einsiedeln); Mag. Alexandra Moritsch (Dorotheum Wien); Angelika Mundorff M. A. (Stadtmuseum Fürstenfeldbruck); Gerald Richter (Regensburg); Dr. Peter Schiffer (Hohenlohe-Zentralarchiv Neuenstein); Ltd. Baudirektor Hans Weber (Staatl. Bauamt Regensburg); Kulturreferent Klemens Unger (Regensburg). Dem Herausgeber der kleinen bayerischen biografien, Dr. Thomas Götz, danke ich für seine Geduld mit dem säumigen Schreiberling.

»Von denen Hh. Asamben aber hören wir

ganz und gar nichts mehr«

 

 

1   Von der Schwierigkeit, die Künstler zur Stell' zu bringen

 

In den letzten Maitagen des Jahres 1730 kommt der Maler Cosmas Damian Asam in das wenige Kilometer südlich von Regensburg gelegene Schloss zu Alteglofsheim. Hier hat er mit dem kurbayerischen Reichstagsgesandten, Reichsgraf Johann Georg II. von Königsfeld, einen Akkord über 500 fl. geschlossen, für die er einen kleinen Festsaal auszumalen hat. Er steckt mitten in drei großen Aufträgen zwischen München und Mannheim, bereitet einen weiteren Großauftrag in Osterhofen vor, hetzt unermüdlich von Baustelle zu Baustelle und bringt für Alteglofsheim eigentlich gar keine Zeit mit.

Doch Alteglofsheim hat für Cosmas Damian eine besondere Bedeutung und es ist nicht sein erster Aufenthalt im Schloss. Den sieben Jahre älteren Auftraggeber kennt er seit seinen künstlerischen Anfängen in der Werkstatt seines Vaters Georg Asam. Mehr noch: Bei Königsfeld hat Cosmas Damian als 18-jähriger Malergehilfe vielleicht sein erstes eigenes Geld verdient.

Blättern wir im Kalender 28 Jahre zurück in das Jahr 1702. Der 23-jährige Reichsgraf Johann Georg hat in seinem unweit von Straubing gelegenen Schloss Schönach ein ehrgeiziges Bauprojekt in Angriff genommen: Durch den kurfürstlichen Oberhofbaumeister Giovanni Antonio Viscardi lässt er das Schloss durchgreifend modernisieren.

Die Zeit ist günstig für ein solches Unternehmen: Der Ausbruch des Spanischen Erbfolgekrieges hat die Bautätigkeit der bayerischen Klöster aufgrund der ihnen auferlegten Kriegskontributionen weitgehend zum Erliegen gebracht. Die arbeitslosen Künstler müssen sich neue Tätigkeitsfelder suchen – und finden sie nicht zuletzt im Schlossbau.

 

Der Spanische Erbfolgekrieg

wurde von 1701 bis 1714 zwischen Österreich und Frankreich um das Erbe König Karls II., des letzten spanischen Habsburgers, geführt. Sein Universalerbe sollte Joseph Ferdinand, der Sohn des bayerischen Kurfürsten Max Emanuel, werden. Da sich Max Emanuel 1703 gegen seinen Schwiegervater, Kaiser Leopold I., auf die Seite König Ludwigs XIV. von Frankreich schlug, wurde auch Bayern zum Kriegsschauplatz. In der Schlacht bei Höchstädt an der Donau wurde Max Emanuel 1704 durch das österreichische Heer unter Prinz Eugen von Savoyen und die alliierten englisch-niederländischen Truppen unter General John Churchill, dem ersten Herzog von Marlborough, geschlagen und bis zum Kriegsende ins Exil verbannt.

 

 

Viscardi bringt jene Künstler und Handwerker nach Schönach mit, mit denen er gerade für Königsfelds Schwager und Standesgenossen, den Reichsgrafen Lorenz Franz Xaver von Tilly, das Schloss zu Helfenberg ausgestattet hat: den Steinmetz Rössl aus Stadtamhof bei Regensburg, den kurfürstlichen Hofstuckator Niccoló Perti aus München und den Maler Georg Asam mit seiner Familie, der meistens dort wohnt, wo er gerade arbeitet.

Die Asams sind ein kleines, aber effektives Familienunternehmen: Georg ist Maler, seine Frau Maria Theresia Freskantin, Fassmalerin und Vergolderin; bei ihr lernt die 1685 geborene Tochter Maria Salome ihr Handwerk, die sich später selbst auf diesem Gebiet einen Namen machen wird, und ihr ein Jahr jüngerer Bruder Cosmas Damian wird vom Vater in der Malerei und von der Mutter im Vergolden ausgebildet; Egid Quirin ist mit seinen zehn Jahren noch zu jung für eine Lehre, aber er lernt vielleicht schon Farben zu reiben oder hilft Mörtel rühren.

Am 29. November 1704 werden Cosmas Damian 7 fl. für nicht näher genannte Arbeiten in Schönach ausbezahlt. Das ist der früheste Beleg für die eine oder andere selbstständige künstlerische Tätigkeit. In diesem Jahr geht er seinem Vater auch bei der – verlorenen – Ausmalung der Stadtpfarrkirche St. Jakob in Cham zur Hand, wofür ihm ein Trinkgeld von 1 fl. verabfolgt wird.

Im Juli 1705 malen Vater und Sohn in Schloss Alteglofsheim einen Gartensaal aus – nichts Großes, reine Dekorationsmalereien: Georg Asam erhält dafür 12 fl. und Cosmas Damian verdient 36 Kreuzer.

 

Die bayerische Währung

Die an Österreich orientierte bayerische Währung bestand aus drei Einheiten, dem Gulden, dem Kreuzer und dem Heller, die im Zahlungsverkehr mit ›fl.‹ (Florin, Florentiner) oder ›f‹ (fiorini), ›kr.‹ oder ›x‹ und ›h‹ abgekürzt wurden. Gerechnet wurde: 1 fl. = 60 kr., 1 kr. = 4 h. Mit der Einführung der Reichsmark 1871/72 rechnete man 100 fl. in 172,42 Mark um, 1 Heller war nun ein halber Pfennig.

 

 

28 Jahre später: Graf Königsfeld und die Brüder Cosmas Damian und Egid Quirin Asam haben Karriere gemacht, alle drei stehen im Zenit ihres Ruhmes. Königsfeld hält sich seit 1728 als kurfürstlicher Gesandter in diplomatischer Mission in Soissons und Paris auf und nützt diese Abwesenheit, sein Schloss à la mode bringen zu lassen. Die von ihm dafür verpflichteten Hofkünstler gehören zur ersten Garde ihrer Zeit: die Stuckateure Johann Baptist Zimmermann und Johann Georg Üblhör, der Maler Gottfried Nikolaus Stuber, der Baumeister und Dekorateur François de Cuvilliés, die Hofschreiner Wenzel Miroffski oder Johann Adam Pichler – und die Asams.

Für den Ausbau des Westflügels von Schloss Alteglofsheim ab 1725 bedient man sich des bewährten Bautrupps, der unter der Leitung des kurfürstlichen Maurermeisters Michael Wolf aus Stadtamhof nicht weit entfernt in Kloster Weltenburg arbeitet. Mit den Asams hat Königsfeld längst über die Ausstattung des neuen Festsaals, des ›Sommersalettls‹, verhandelt. Es könnte damit im Herbst dieses Jahres begonnen werden … wenn die Herren Künstler dazu Zeit fänden!

Doch deren Auftragsbücher sind wie immer mehr als voll: 1727 und 1728 arbeiten sie überwiegend in Böhmen, in Břevnov, Kladrau und in der Wallfahrtskirche Bílá Hora bei Prag, außerdem hat Cosmas Damian 1727 noch die Ausmalung der Klosterkirche Einsiedeln in der Schweiz fertig zu stellen; im gleichen Jahr beginnen die Asams auch mit der Ausstattung der Heilig-Geist-Kirche in München, die bis 1730 dauern wird. 1728 muss Cosmas Damian neben Bílá Hora auch die Schlosskirchen in Bruchsal und Mannheim ausmalen. In diesem und dem folgenden Jahr 1729 sind die Brüder mit der Neuausstattung der Zisterzienserkirche Gotteszell im Bayerischen Wald beschäftigt, Cosmas Damian wird die Hofkirche in Bruchsal vollenden und den Rittersaal im Schloss Mannheim ausmalen. Gleichzeitig stattet er in München mit seinem Bruder 1729/30 die Klosterkirche St. Anna im Lehel und sein eigenes Wohnhaus aus, das ›Schlössl‹ Maria Einsiedel in Thalkirchen. 1730 steht für Cosmas Damian die Ausmalung des Haupttreppenhauses im Mannheimer Schloss an. Egid Quirin arbeitet seit 1729 nicht nur in St. Anna im Lehel, sondern auch an der Stuckierung der Klosterkirche Osterhofen. Gleichzeitig planen sie zusammen die Umgestaltung der Peterskirche in München.

 

Fast nichts blieb übrig …

Das Schicksal verfuhr mit den Werken, die die Asams aus den Jahren 1728 bis 1731 schufen, nicht gnädig: Die Kapelle des ›Asam-Schlössls‹ in Thalkirchen wurde zu Beginn des 19. Jahrhunderts niedergerissen und Egid Quirins Stuck in Gotteszell hat man schon 1889 abgeschlagen. Doch die meisten Schöpfungen dieser Jahre – wie Bruchsal und Mannheim – gingen im Zweiten Weltkrieg unter. Von den kirchlichen Bauten gibt es nur noch die in Prag und Osterhofen. Das Alteglofsheimer Salet ist das einzige profane Gemeinschaftswerk der Asams, das nahezu unverändert auf uns gekommen ist.

 

 

Es sind für den rührigen Alteglofsheimer Schlossverwalter Leonhard Georg Maag zwei arge Jahre, in denen er Königsfeld immer wieder berichten muss, dass mit der Ausstattung des Salets nichts vorangehe. Die Herren Asam stellen seine Geduld auf eine harte Probe, denn sie reisen munter durch die Lande, anstatt endlich ihren Auftrag zu erledigen. Da die Brüder gleichzeitig in München, Prag, Mannheim, Bruchsal, Osterhofen und Gotteszell arbeiten, obliegt Cosmas Damians Frau Maria Anna in München die Geschäftsführung, was die Kontaktaufnahme nicht gerade erleichtert. Am 29. März 1729 entringt sich dem Schlossverwalter der Seufzer: »Von denen Hh. Asamb ist zu dato noch niemandt da, und ist weithers auch nichts mehr hergeschrieben worden.«

Der Ankauf von sechs Fässern Gips (ein Fass waren etwa 230 l) Ende April ist jedoch ein sicheres Zeichen, dass die Ankunft der Stuckateure unmittelbar bevorsteht. Am 9. Mai zahlt die Schlosskasse Egid Quirin Asam einen Abschlag von 50 fl. Er hält sich bis Anfang Juni in Alteglofsheim auf, dann stagniert die Arbeit und am 10. Juni notiert der Verwalter: »Seith dem das [ich] jüngst mit dem H. Asamb Stuckhador uf München geraist [bin], ist derselbe nicht mehr hirher kommen, sohin hat auch das Risl (Entwurf) von ihme nit erhollet, und so hier auch nit überschickhet werden können.«

Am 9. Juni muss die Schlosskasse die beträchtliche Zeche von 30 fl. für »dess H. Asambs Stuckhadorn hier im Würthshaus« bezahlen. Diese recht hohe Summe könnte damit zu erklären sein, dass man Wein gekauft hat, der dem Gips beigemischt wird, wie dies auch die Rechnungen des Klosters Einsiedeln überliefern. Überhaupt beklagt sich Maag über die verschwenderischen Gipser: »Der H. Asamb Maller ist noch nit da, die Stuckhadorer brauchen iber die Massen vill Gipß. Seint schon über 15. Väßl heraus geholt worden.«

 

»… wie man guten Mertel bey einen Bauwerch die Fuegn zu verstreichen bereiten solle, erstlich 2 Theil ungelöschten Kalch so von den Luft zerfallen ist, 1 Theil gestossen Glasmehl, 1 Theil Ziegelmehl, darunter Rehharr oder Scherrwolle, diese Stücke mit Bayrwein oder BierEssig oder Weingeleger angemacht, giebt überaus guten u. festes Gemäuer …«

»Recept guten Merthel zu machen« des Maurermeisters Rudolf Ströllein aus dem Jahr 1657 in der Regensburger Bauamtschronik

 

»Item haben die Stuckador zum Gibs anmachen braucht 9 Eymer Wein a 3 fl. 24 kr.«, für 1726 waren es 33, 1727 nur noch 15 Eimer. Das alte Hohlmaß Eimer entsprach im alpinen Weinhandel etwa 60 l. Es gab aber große regionale Unterschiede zwischen 10–15 l und 309 l.

Abrechnung des Klosters Einsiedeln mit Egid Quirin Asam, 1725

 

Von den Stuckateuren, die mit der Ausstattung des Salets beschäftigt sind, ist außer Egid Quirin nur einer namentlich bekannt: Joseph Bader, Maurer, Bildhauer und Stuckator aus Rohr. Er stammt aus der weit verzweigten Wessobrunner Bader-Sippe und ist der Neffe des gleichnamigen Stuckators und Maurermeisters, der 1717 bis 1719 Polier (Bauleiter) und enger Mitarbeiter Egid Quirins beim Bau der Klosterkirche in Rohr gewesen ist. In Asams Abwesenheit scheint er die führende Hand zu sein, denn die Schlosskasse zahlt »dem Stuckator des Herrn Asam« 70 fl. Die Stuckierung zieht sich über den Sommer hin und ist im Oktober noch immer nicht fertig gestellt.

 

Die Wessobrunner – ein Phänomen der Kunstgeschichte

Aus den beiden kleinen Dörfern Haid und Gaispoint in der Nähe des oberbayerischen Klosters Wessobrunn bei Weilheim gingen im Laufe von etwa 250 Jahren Aberhunderte von Stuckateuren und Maurern hervor, die sich über ganz Süddeutschland, die Schweiz, Österreich und Tirol ergossen und viele Jahrzehnte die Dekorationskunst prägten.

 

 

Bis ins Frühjahr 1730 passiert im Salettl nichts mehr. Kaum wird es wärmer, schwärmt Verwalter Maag aus und sucht die Asams in München persönlich auf. Ende Mai trifft endlich der herbeigesehnte Cosmas Damian mit zwei Gehilfen in Alteglofsheim ein und nimmt seine Arbeit im Salet auf, die er in knapp 14 Tagen nahezu vollendet. Schon am Sonntag, den 11. Juni, reist er wieder ab. Nebenbei hat er in einem Turmraum des Schlosses ein zweites und wenig bekanntes Deckenbild geschaffen: Es handelt vom Sonnenuntergang, das im Salettl vom Sonnenaufgang.

Asam ist mit der geplanten Gestaltung des Salets nicht zufrieden. Wir sehen den wackeren Schlossverwalter Maag in seiner Schreibstube sitzen, als ihn »nach dem Mittagessen« der Meister persönlich aufsucht und ihm Verbesserungsvorschläge in die Feder diktiert: Für die Türen rät Asam zu Eichenholz, außerdem sollten sie Schnitzwerk tragen. Die Türöffnungen seien zu klein und müssten erweitert werden. Und schließlich die Vergoldung: »Weillen albereits das Gerist noch stehet und indem der Herr Asam erachtet, das die darin verferttigte Stockhador woll ein mehrers noch zu einen gresseren Ansehen verdiente, so würdt denn underthenig hirmit angefraget … wolle g[nä]dig hierybert geschlossen (beschlossen) werden, von plenier Goldt (Glanzgold) mechten erlauben bei hundert Loisdour (Louis d’or, auch ›Goldludwig‹ genannte französische Hauptgoldmünze ohne festen Wechselkurs), so würdts hienach ein Werckh werden, das vor weith mehrere … anzusehen seint.«

Da das Bild bei seiner Abreise noch nicht ganz vollendet ist, wird Asam in zwei Abschlagszahlungen von je 150 fl. entlohnt; 200 fl. werden wie üblich erst nach Fertigstellung des Werks fällig. Maag stimmt am 4. September 1730 sein altes Klagelied an: »Von denen Hh. Asamben aber hören wir ganz und gar nichts mehr.« Hat doch der Maler bei seiner Abreise versprochen, dass die Stuckaturen und die Malerei binnen drei oder vier Wochen zur Vollendung gebracht würden, »als etwas inner 3 oder 4 Wochen mit seinem Brueder, dem Stuckhador, das alles hinach in sein endliche Perfection (Vollendung) khommen khönnte.«

Warum nimmt sich Cosmas Damian die Zeit für dieses recht kleine und finanziell nicht sonderlich lukrative Werk? Er hat das Deckengemälde zwar nicht signiert, aber sich selbst als fröhlichen und frierenden Jäger mit einem erhobenen Bierglas dargestellt (siehe Abb. S. 91). Er weiß: Dieses Salet werden Königsfelds Gesandtenkollegen auf dem Reichstag und andere hochgestellte Persönlichkeiten besichtigen – sie alle sind potenzielle Auftraggeber und werden alle beim Hinausgehen das Konterfei des Herrn Asam sehen.

Und schon kündigen sich die ersten hohen Besucher an. Vom Gerüst hat Asam die Bretter abräumen lassen, »damit das Gemoehl von undten desto besser khönnte in Augenschein genomben werden.« Die Ersten, die das Bild am Samstag, den 17. Juni 1730 besichtigen, sind ausgerechnet der kurpfälzische Gesandte aus Mannheim, Johann Bernhard Freiherr von Francken, seine Frau und seine Tochter. Zufall? Asam muss in diesem Jahr ja noch das Treppenhaus im Schloss der neuen kurpfälzischen Hauptstadt Mannheim ausmalen und hofft natürlich, dass der Herr Gesandte begeistert dorthin berichten wird. Daher hat Asam »in dieser Obsicht die Prether abraumben lassen, damit Seine Excell. der Churpfälz. Herr Gesandte zu der etwan negsten Herauskunfft in Besehunge des Saletls od. Gemähls alles clarer in die Augen fahle.« Francken wird 1731 selbst Auftraggeber der Asams.